Mögen Schwäbisch (von links): Michael Klink, Michael Willkommen, Ute Landenberger und Wolfgang Heyer Foto: Michl

Vier Schwaben von der Schwäbischen Alb und aus Oberschwaben haben sich auf den Weg gemacht, um den Berlinern den schwäbischen Dialekt und die liebenswürdigen Eigenheiten der Baden-Württemberger näherzubringen.

Balingen/Berlin - Die "Schwabennacht" im Kabarett-Theater "Die Wühlmäuse" stellte für die Kächeles, Link Michel und Wolfgang Heyer eine besondere Erfahrung dar – nicht nur wegen der Corona-Krise.

Schwaben haben in Berlin bekanntlich keinen leichten Stand. Treffen Hauptstädtler und Dorfkinder aufeinander, so sind es nicht nur dialektale Verständnisprobleme, die zu teilweise humoristischen, teilweise hitzigen Situationen und Diskussionen führen.

Lautstarker Applaus

Dennoch haben sich die schwäbischen Künstler diese Woche in die Hauptstadt gewagt, einen Comedy-Mix-Abend präsentiert und wurden dafür mit lautstarkem Applaus bedacht. Etliche Zuschauer, darunter auch einige Berliner, unterhielten sich nach der Veranstaltung angeregt über das Gehörte und tauschten ihre Lieblingswörter auf Schwäbisch aus. Selbst die Berliner hatten plötzlich Freude am typisch schwäbischen "sch" und beeindruckten mit zungenfertigem "bisch, hosch und gell".

Der Auftritt bei den Wühlmäusen stellte für alle einen Höhepunkt ihrer Bühnenkarrieren dar: "Alles, was Rang und Namen hat, ist dort einmal aufgetreten, das zeigt der Blick in die Ahnengalerie. Da kann man fast ein bisschen ehrfürchtig werden. Daher war es eine große Ehre", erklärt Michel Link.

Gegründet von einer Institution des Humors

Das bestätigt auch Ute Landenberger, die als Käthe Kächele in die Rolle einer schwäbischen Ehefrau schlüpft: "Die Wühlmäuse wurden von Dieter Hallervorden gegründet, und er ist ja schon eine Institution des Humors. Für uns war das etwas ganz Besonderes."

Besonders war der Abend auch, weil es einer der vorerst letzten Auftritte der schwäbischen Comedians war. Der Grund ist hinlänglich bekannt: Corona. Die Krise und die damit verbundenen Einschränkungen haben für reihenweise Veranstaltungsabsagen geführt. Daher blicken die Künstler einem tristen Winter entgegen.

Verlust an Geld und Freude

"Einerseits stellt das ein finanzielles Problem dar", sagt der hauptberufliche Künstler Michel Link. "Erst freut man sich, dass es wieder losgeht, dann ist man enttäuscht, wenn es kurzfristig wieder abgesagt wird. Das ist ein ständiges Auf und Ab." Neben den Umsatzeinbußen wird den Künstlern zudem die Freude genommen.

Willkommen spricht sich für Impfpflicht aus

Michael Willkommen, auch bekannt als Karl-Eugen Kächele, sieht die Lösung für die andauernde Misere in der Kultur- und Veranstaltungsbranche im Impfen: "Da müsste die Politik mal konsequent sein und eine Impfpflicht für alle einführen, damit das andauernde Hin- und Hergeschiebe endlich ein Ende hat." Wer sich nicht impfen lassen möchte, müsse eben mit den Konsequenzen leben.

Corona-Entwicklung war absehbar

Die Situation sorgt bei den Künstlern für Enttäuschung und Ärger gleichermaßen. Sie können es nicht nachvollziehen, dass die Politik die vergangenen Wochen und Monate scheinbar verschlafen zu haben scheint. "Sie haben sich einfach nicht darum gekümmert und nun baden es wieder die gleichen Leute aus – und zwar mit einem Handwisch. Das macht mich wahnsinnig", so Ute Landenberger.

Die Entwicklung sei absehbar gewesen und nun sei es zu spät. Die Albstädterin ärgert sich dabei besonders über die Begründung der Verantwortlichen, die sich immer auf das "allgemeine Wohl der Bürger" berufen und dabei aus den Augen verlieren, dass auch Künstler, Gastronomiebetreiber oder Weihnachtsmarktbeschicker zu den Bürgern gehören und nun im Regen stehen gelassen werden. "Durch deren Unvermögen ist bei uns allen großer Schaden entstanden." Nicht zuletzt werde der ganzen Bevölkerung ein Lebenselixier genommen: "Ja, es braucht Sicherheit, aber es braucht auch ein bisschen Spaß und ein bisschen Geselligkeit. Das Zwischenmenschliche wird einfach vernichtet."

Das Zwischenmenschliche wird vernichtet

"Künstlern wird die Perspektive genommen"

Zudem kreidet Landenberger der Politik die Tatenlosigkeit im Bereich der Pflege an: Seit der Pandemie arbeitet die ausgebildete medizinische Fachangestellte in einer Corona-Schwerpunkt-Praxis. "In der Pflege gibt es seit Jahren einen Missstand. Aber es war nie erkennbar, dass man etwas für das Pflegepersonal getan hätte – weder vor noch nach Corona."

Perspektive fehlt

Die Situation nagt an den Nerven der Künstler und der gesamten Branche: "Es wird einem die Perspektive genommen", sagt Marc Michl, Leiter der Balinger Künstleragentur Siedepunkt, der seit zehn Jahren Veranstaltungen organisiert. Sorgenvoll blickt er auf die bevorstehende Zeit: "Es ist einfach nicht klar, wann man wieder Veranstaltungen durchführen darf. Wir steuern wieder auf ein Auftragsloch zu. Bis es dann wieder losgehen kann, vergeht weitere Zeit, weil wir einen großen Vorlauf für die Veranstaltungen haben."

Michl hofft auf eine möglichst kurze Veranstaltungspause und fordert konkrete Vorschläge der Verantwortungsträger. Anders sei eine Aussicht auf Normalität nicht zu gewährleisten.

Dass den Künstlern von mancher Seite Unverständnis entgegenschlägt, in dieser Zeit überhaupt auf- und die Reise nach Berlin anzutreten, lässt die Schwaben ratlos den Kopf schütteln: "Man muss sich rechtfertigen für seinen Beruf. Das kann doch nicht wahr sein", sagt Marc Michl. Die schwäbischen Comedians haben sich daher doppelt über den lautstarken Applaus in der Hauptstadt gefreut.