Kabel sind die Spezialität von Lapp – und heute ein Hightech-Produkt. Foto: dpa/Sina Schuldt

Der Stuttgarter Kabelspezialist Lapp bekommt Rückenwind von der Digitalisierung und dem Wachstum bei elektrischen Antrieben, etwa bei E-Autos. Welche Trends dem Traditionsunternehmen nutzen.

Stuttgart - Andreas Lapp, Vorstandsvorsitzender der Lapp Holding, kann auf ein Geschäftsjahr der Rekorde zurückblicken: ein Rekordumsatz und das stärkste Umsatzwachstum in der Geschichte der Lapp-Gruppe, ein nie da gewesener Auftragseingang, der ein dickes Polster für das laufende Geschäftsjahr bedeutet. „Wir haben weltweit Marktanteile gewinnen können“, sagte Lapp bei der Vorstellung der Bilanz 2020/21 in Stuttgart. Auch die Profitabilität hat sich deutlich gesteigert – zwischen dem Beginn und dem Ende des Geschäftsjahres um allein 130 Prozent.

Das hat sich auch in einem Zuwachs der Beschäftigung um fast acht Prozent niedergeschlagen. In Stuttgart-Vaihingen wurde zum Jahresende 2021 allerdings ein Standort von Lapp-Systems mit 60 Mitarbeitern geschlossen. „Weltweit haben wir ein Riesenglück gehabt“, sagte Lapp: „Von Anfang an waren wir während der Pandemie systemrelevant. Und ob Indien, Brasilien oder Italien – wir konnten immer produzieren und ausliefern.“

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Im Gegensatz zu manch anderen Firmen der Region, etwa Autozulieferern, die mit Sorge auf den Strukturwandel blicken, gehört der traditionsreiche Kabelhersteller aus Stuttgart zu den Profiteuren gleich mehrerer Megatrends. Der erste ist die Tatsache, dass Elektrizität als Antriebsmittel im Schatten des Klimawandels in vielen Bereichen eine zunehmende Rolle spielt, nicht zuletzt etwa bei E-Autos. Der zweite große Trend, der dem Kabelhersteller entgegenkommt, sind die wachsende Vernetzung und Digitalisierung, die vor allem im industriellen Bereich eine immer leistungsfähigere Verkabelung brauchen. „Der Markt wächst sehr breit“, sagt der Innovationschef Georg Stawowy. „Es gibt beispielsweise in der Produktion keine zentrale Steuerung mehr, sondern stattdessen immer mehr verteilte Intelligenz.“ Und die muss vernetzt werden – auch über Kabel. Auch die sich verbreitende Gleichstromtechnik, die den Vorteil hat, dass sich Strom dort umweltfreundlich zurückspeisen lässt, sorgt für neue Anforderungen.

Auch mit Hardware im Trend

Lapp ist damit ein Beispiel dafür, dass ein traditioneller südwestdeutscher Produktionsbetrieb und Hardware-Lieferant hier vorne mit dabei sein kann. Lapp verkauft beispielsweise Adapter, die in der wachsenden Zahl von Elektroautos dafür sorgen, dass man das Fahrzeug im Notfall auch an einer Haushaltssteckdose laden kann. Mit dem koreanischen Autohersteller Hyundai hat das Unternehmen einen Vertrag abgeschlossen und versorgt dessen E-Autos mit dem notwendigen Kabelzubehör.

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Auch bei Kabeln gibt es zunehmende Innovationen, etwa die Fähigkeit, im Sinne vorausschauender Wartung Alterungsprozesse vorauszuberechnen und permanent zu überwachen. Die Kabelbranche arbeitet gerade an der Normierung noch leistungsfähigerer sogenannter Ethernet-Datenkabel. Aber auch der Verzicht auf Blei in Messingkabelsteckern ist ein solcher Baustein, bei dem das Unternehmen vorangegangen ist, bevor dies gesetzliche Vorschrift wurde.

Hohe Investitionen

Ein Investitionsprogramm in dreistelliger Millionenhöhe soll Lapp für weitere Entwicklungen wappnen. Andreas Lapp rechnet deshalb 2022 mit weiterem Wachstum und steigender Profitabilität. Es seien weniger technologische als politische Entwicklungen, die ihm Sorgen machten: Die harte Anti-Corona-Politik von China, einem Land, dessen selbst entwickelte Impfstoffe einen relativ geringen Infektionsschutz haben, nannte er als die größte Unbekannte in diesem Jahr. Das gelte nicht nur für den dortigen Absatzmarkt, sondern auch für die Weltwirtschaft insgesamt. Wenn dort etwa wichtige Häfen wieder für lange Zeit geschlossen würden, könne das die Lage drastisch verändern.

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Weniger besorgt zeigte sich Lapp über die Folgen des Ukraine-Konflikts. Bisher spüre man auch bei grenzüberschreitender Logistik und Auslieferungen keine negativen Folgen. Die Dimension für Lapp ist überschaubar: In der Ukraine und in Russland macht man einen Umsatz von etwa 50 Millionen Euro, und Mitarbeiter gibt es 40 in der Ukraine und 70 in Russland.

Die Geschäftszahlen bei Lapp

Wachstum
 Der Stuttgarter Kabelspezialist Lapp hat das Geschäftsjahr 2020/21 (1. Oktober bis 30. September) mit starkem Wachstum abgeschlossen. Der Umsatz des Unternehmens, das sich als Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie bezeichnet, stieg um 26,1 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Mitarbeitenden erhöhte sich weltweit um 7,2 Prozent auf 4586 Beschäftigte. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) lag mit 82 Millionen Euro um 177 Prozent höher als im vorigen Geschäftsjahr.

Aussichten
 Lapp blickt auf ein großes Auftragspolster. Der Auftragseingang stieg im vergangenen Geschäftsjahr um 39,8 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro. Aktuell hat das Unternehmen einen Auftragsbestand von 232 Millionen Euro. Preissteigerungen auf den Rohstoffmärkten, vor allem bei dem für Kabel unverzichtbaren Kupfer, konnte das Unternehmen bisher abfedern und die Kosten an die Kunden weiterreichen.