Interview: Sie kommt das erste Mal nach Lörrach: Die deutsch-algerische Comedienne Anissa Loucif gastiert mit „Mach nicht so auf teuer“ im Burghof.
Es ist ihr erster Auftritt im Burghof: Am Freitag steht eine ungewöhnliche Frau auf der Bühne – mit Kopftuch. Die Deutsch-Algerierin Anissa Loucif ist Anästhesistin. Und Mutter, sie steht quasi zwischen Narkosespritze und Babyfläschchen. Jetzt will sie mit ihrem ersten Kabarett-Programm die Menschen zum Lachen und Nachdenken bringen. Wir fragten, warum.
Wieso wechselt man von der Anästhesistin auf die Bühne?
Es war die Suche nach einem kreativen Ausgleich zur Arbeit im Krankenhaus, die mich auf die Bühne gebracht hat. Ich habe zunächst ganz unterschiedliche Dinge ausprobiert. Tatsächlich ist es dann Comedy geworden, wohl auch, weil es in Berlin eine große Stand Up Comedy-Szene gibt, ein bisschen untergrundmäßig. Der Einstieg war also ziemlich leicht. Und es hat mir Spaß gemacht. Relativ schnell bin ich zu „Night Wash“ (eine Plattform für junge Nachwuchs-Comedians, Anm. d. Red.) gekommen. Und so ist daraus ein echter Beruf entstanden.
Mit Kopftuch als Comedienne. Wie sind da die Reaktionen – auf der Bühne und im Alltag? Und was bedeutet es für Sie?
Wie für viele Kopftuch tragende Frauen hängen die Reaktionen davon ab, wo man gerade ist, wie urban die Umgebung ist. In vielen Ecken in Düsseldorf oder auch in kleineren Städten bin ich ja kein Einzelfall. Als Studentin habe ich das Thema aber oft gespiegelt bekommen. Ich bin immer wieder auf Verwunderung gestoßen: „Oh, warum sprechen Sie so gut Deutsch?“ Da wird einem bewusst, dass das Kopftuch doch auf viele fremd wirkt. Ärgerlich fand ich als Jugendliche, wenn die Reaktionen voller Unverständnis waren und automatisch feststand, dass ich das Kopftuch nur aus Zwang trage. Da bin ich oft ziemlich unsensibel angesprochen worden. Für mich war das Kopftuch nie ein Zwang. Seit ich 13 Jahre alt bin, trage ich es – freiwillig. Für mich ist das Ganze ein sehr persönliches und intimes Thema. Auf „social media“ dient es leider oft als eine Art Projektionsfläche für viele unglückliche Menschen. Deshalb bekomme ich da zum Teil sehr heftige, abwertende Kommentare: aus rechten Ecken sowie aus muslimisch fundamentalen Kreise. Auf der Bühne ist das Feedback hingegen meistens sehr positiv. Auch von den männlichen Kollegen, die sind da sehr unterstützend.
Sie wirken sehr authentisch. Vielleicht macht sich das Publikum tatsächlich Sorgen über die Zukunft Ihrer offenbar halb kriminellen Cousins?
Ja! Es gab mal eine Show, da saß mein Mann im Publikum. Und der musste sich tatsächlich empört anhören, warum ich meine Cousins so darstelle und ausliefere. Natürlich wissen die Zuschauer ja nicht, was stimmt und was nicht, wenn ich solche Geschichten erzähle. Aber ich spiele auch gerne damit, das Publikum ein bisschen in die Irre zu führen, in die falsche Richtung zu lenken.
Wie sah Ihre Kindheit aus? Fühlten Sie sich als Deutsch-Algerierin zuweilen zerrissen zwischen den Kulturen, zwischen Zuckerfest und Weihnachten?
Tatsächlich war ich sehr hin- und hergerissen. Zerrissen wäre ein zu starkes Wort. Denn ich fühle mich vollständig in meiner Gänze. Gut getan hat es mir, aus meinem Geburtsort herauszukommen und in eine Großstadt wie Berlin zu ziehen, wo es nicht so eine große Rolle spielt, ob man halb dieses oder halb jenes ist. Aber auch in meiner Heimat Düsseldorf fühle ich mich sehr wohl. Ich empfinde es inzwischen als bereichernd, dass ich zwei Kulturen in mir trage. In der Kindheit habe ich mich eher gefühlt, als wäre ich nichts Halbes und nichts Ganzes. Irgendwie Deutschplus.
Sie spielen mit den Klischees und Vorurteilen über Muslime, Frauen, Deutsche. Gibt es da bei Ihnen etwas aufzuarbeiten? Oder macht das einfach Spaß?
Die meisten Comedians befassen sich automatisch mit den Struggles, die sie haben. Sie sprechen diese Schmerzpunkte bewusst an. Und das tue ich auch. Ich erinnere mich daran, dass ich als junge Mutter in der Anfangszeit, als ich noch gearbeitet hatte und verzweifelte Stillversuche hinter mich brachte, sehr frustriert war. Da habe ich lange mit mir gehadert, bis mir meine Freunde empfahlen, das doch auf die Bühne zu bringen. Dann habe ich das getan, und es war sehr heilsam. Ich freue mich, wenn auch Leute mit mir lachen können, die nicht in meiner Peergroup sind, Probleme zu zeigen, sie dann aber wieder durch Lachen aufzulösen.
Wie viel verarbeiten Sie von Ihrem Beruf als Ärztin auf der Bühne?
Das ist nur ein kleiner Teil. Das Ärztin-Sein hat seinen Anteil, kratzt aber eher an der Oberfläche meiner Schmerzpunkte. An das Thema muss ich mich vielleicht noch mehr herantasten, denn es ist ein schmaler Grat, weil es doch auch sehr traurig und belastend sein kann. Ich denke, da wird noch was kommen.
Sie sind Mutter. Was hat das verändert? Vielleicht auch an Ihrem Blick auf die Gesellschaft?
Zu Beginn war ich doch sehr frustriert. Ich empfinde die Rolle einer Mutter oft als sehr unfair. Die Strukturen sind nicht gut. Oft geht der Partner recht schnell wieder arbeiten, und man sitzt da und ist viel allein mit dem Kind. Wenn dann auch noch das Stillen nicht klappt, fühlt man sich doppelt einsam. Eigentlich ist man oft selbst noch so eine Art Patient, hat Schmerzen, ist belastet. Muttersein hat gesellschaftlich auch kein so hohes Standing. Ich erwarte da jetzt keine Anerkennung dafür, aber ich habe mit mehr Rücksichtnahme gerechnet. Wenn ich mit dem Kinderwagen vermeintlich den Weg blockiert habe oder mein Sohn geweint hat, wurde ich beispielsweise angesprochen, wann denn die Lärmbelästigung endlich aufhören würde.
Wo liegen die Schwerpunkte Ihres Auftritts in Lörrach?
Ich freue mich sehr auf den Auftritt. Ich habe übrigens Familie in der Nähe, in Bad Krozingen. Von daher kenne ich die Ecke hier also ein bisschen. Mein Solo wird eine Mischung sein: zu meiner Identität, zum Arztleben, zum Migrationshintergrund, zur Mutterrolle. Mit viel Selbstironie und Sarkasmus. Ich freue mich auf einen unterhaltsamen Abend. Es wird für das Publikum auch eine Fragerunde geben.
Anissa Loucif tritt am Freitag, 10. Oktober, 20 Uhr, im Burghof Lörrach, Herrenstraße 5, auf.