Reinhard Gaus erklärt, um was es beim Täter-Opfer-Ausgleich geht. Foto: Schneider

Miteinander reden statt gegeneinander zu prozessieren. Professionelle Gespräche helfen oft mehr als ein richterliches Urteil. Ziel ist das gegenseitige Verständnis.

Horb - Reinhard Gaus sitzt in einem Dachgeschoßzimmer des Horber Fruchtkastens. "Bewährungshilfe" steht an seinem Klingelschild. "Am besten geben sich beide Parteien hier die Hand und gehen dann gemeinsam die Treppe hinunter", skizziert er seinen Wunschalltag.

Dabei spricht der Sozialarbeiter vom Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), der von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angeregt wird. Doch was ist das? "Der TOA ist viel zu wenig verbreitet, obwohl er sehr nachhaltig ist", erklärt Gaus. Denn die Bandbreite an Delikten, die bei ihm landen, ist groß.

Gemeinsame Konfliktlösung wichtig

Von gestohlenem Fallobst über Sachbeschädigung, Beleidigung oder Körperverletzung ist vieles dabei. "Oft geht es um situative Konflikte, in denen der eine überreagiert und dann ein Wort das andere gibt", sagt er. Täter und Opfer sollen in einem moderierten Gespräch über die Hintergründe und Folgen der Tat reden. Optimalerweise werde der Konflikt dadurch beilegen und beide Parteien söhnen sich aus.

"Sowohl der Beschuldigte als auch der Geschädigte versuchen selbst, eine Lösung für ihren Konflikt zu finden", erläutert Gaus. Wichtig sei dabei vor allem gegenseitiges Verständnis und Empathie. Als Beispiel nennt er einen Hundehalter, der seinen Rottweiler auf einer Wiese frei laufen lässt. Ein Spaziergänger wird von dem Hund angesprungen und geht dadurch zu Boden. Das herbeieilende Herrchen zieht das Tier sofort weg, der Fußgänger erstattet aber trotzdem eine Anzeige.

Persönliche Gefühle schildern

"Der Hundebesitzer reagiert mit Unverständnis, da ja ›nichts passiert‹ sei, für das Opfer ist es aber trotzdem ein schwierige Situation", fasst er die gegensätzlichen Sichtweisen zusammen. Seine Aufgabe sei es nun, in einem Vorgespräch beide Personen anzuhören und die jeweilige Perspektive darzustellen.

"Erzählt der Spaziergänger von seiner Angst, als er am Boden lag und den Hund über sich stehen sah, kann sich auch dessen Besitzer in die Lage hineinversetzen", schildert Gaus die Bedeutung der persönlichen Aussprache.

Reue und Wiedergutmachung sind zentral

Aufseiten des Täters brauche es eine echte Reue und die Bereitschaft nach Wiedergutmachung. Wie diese aussehen könne, bestimme das Opfer. "Das kann von einer persönlichen Entschuldigung über finanziellen Schadensersatz bis zu Arbeitsstunden in einer sozialen Einrichtung gehen", zählt er die unterschiedlichen Möglichkeiten auf.

Am Ende stünde eine schriftliche Ausgleichsvereinbarung, in welcher der Beschuldigte die Verantwortung für seine Tat übernimmt und den Forderungen des Geschädigten nachkommt. Dieser wiederum akzeptiert die Entschuldigung des Täters. "Wenn sich beide später auf der Straße sehen, sollen sie nicht die Straßenseite wechseln", weist er auf langfristigen Folgen hin. Denn ein gegenseitiges Verständnis führe eher zu einem dauerhaften Rechtsfrieden als ein gerichtliches Urteil.

"Die Leute sagen mir danach oft, dass es eine ganz tolle Sache gewesen ist", zieht Gaus aus den vergangenen Fällen Bilanz. Denn es gäbe weder Sieger noch Besiegten, sondern wechselseitige Empathie und einen persönlichen Aussöhnungsprozess.

Hintergrund

Gaus arbeitet bei der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg. Neben der eigentlichen Bewährungs- und Gerichtshilfe ist er auch für TOA zuständig. Letzteres macht mit nur 20 Prozent allerdings einen geringen Anteil aus. Beim TOA soll der Konflikt außergerichtlich beigelegt werden. Dazu arbeiten alle Beteiligten an einer fairen und tragfähigen Lösung. Die Teilnahme ist freiwillig, kann jedoch zu Strafmilderung führen.