Er soll seinen Stiefsohn mit einer Fleischgabel angegriffen und verletzt haben. Am Ende der Eskalation stürzte der Jugendliche aus dem Fenster. Nun wird der Fall vor dem Schöffengericht Hechingen verhandelt.
Der Angeklagte wird in Fußfesseln in den Saal 168 geführt. Seit dem Vorfall am 2. März diesen Jahres sitzt der 40-jährige Familienvater in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Man mag es dem klein gewachsenen Mann nicht zutrauen – zumal er beim Hereinkommen linkisch, fast schüchtern in den Zuschauerraum winkt.
Gleich zu Beginn wird die Verhandlung unterbrochen – der Angeklagte hat neben seinem Pflicht- auch einen Wahlverteidiger bestellt. „Die Strafprozessordnung ist kein Wunschkonzert“, sagt der Vorsitzende Richter; eine doppelte Verteidigung ist im Gesetzbuch nicht vorgesehen. Der Pflichtverteidiger muss gehen.
„Ich mach dich kalt“
Das war laut Anklage in dem Balinger Mehrfamilienhaus passiert: Der Beschuldigte soll mit seiner Frau und deren Freundin, die im selben Haus lebte, in Streit geraten sein. Der 17-jährige Sohn habe den Betrunkenen beschwichtigen und seiner Mutter helfen wollen. Daraufhin habe sich die Aggression des Beschuldigten gegen den Jugendlichen gerichtet. Fäuste sollen geflogen und die Worte „Ich mach dich kalt“ gefallen sein.
Der Angeklagte habe dem Stiefsohn mit einer Fleischgabel in Kopf und Hals gestochen. „Das hätte tödlich sein können“, so der Staatsanwalt. Aus Angst sei der Junge in sein Zimmer geflüchtet und auf den Sims des offenen Fensters geklettert. Der Stiefvater soll ihm einen Schubs verpasst haben, der junge Mann sei mehr als sechs Meter tief aus dem zweiten Stock auf den Asphalt gestürzt. Dabei zog er sich Verletzungen an den Beinen zu und war sechs Wochen lang auf Krücken angewiesen.
Es war wohl Alkohol im Spiel
„Sie benutzen viele blumige Worte“, kommentierte der Richter die Schilderung des Abends, wie er sich aus Sicht des Mannes zugetragen hatte. Dabei stand dem Ukrainer eine Dolmetscherin zur Seite. Er sei mit der Nachbarin einkaufen gewesen, dabei sei er schon ein bisschen betrunken gewesen. Auch habe man im Supermarkt getrunken. Nach dem gemeinsamen Kochen sei noch mehr Wein und Bier geflossen.
Als die Kinder im Bett waren, habe seine Frau ihm verbieten wollen, ein Bankkonto zu eröffnen. Statt dessen habe sie dem Vorbild der benachbarten Freundin folgen und ihren Ehemann ebenfalls zurück in die Ukraine und dort in die Psychiatrie schicken wollen. Dieses Komplott hätten die beiden Frauen beim Genuss von zu viel Alkohol geschmiedet, vermutet der Angeklagte.
Mit der Bratpfanne traktiert?
Der Beschuldigte habe die Nachbarin aus der Wohnung komplimentieren wollen. „Sie hat schon ihre eigene Familie zerstört und nun auch meine?“ Der Streit sei zunächst verbal eskaliert, dann habe er einen Schlag ins Gesicht gespürt und der Sohn habe ihn getreten, geschlagen, von hinten gepackt und heftig gewürgt. Er habe nach einer kleinen, weichen Kindergabel gegriffen, um sich zu wehren. Die beiden Frauen hätten im selben Moment damit begonnen, ihn mit einer Bratpfanne und einem schweren Glasdeckel gegen den Kopf zu schlagen.
Vom Sturz des Sohnes will er nichts mitbekommen haben. Dieser sei im übrigen Boxer und in der Zeit, als die Familie in Polen Asyl suchte, in Schlägereien verwickelt gewesen. Der junge Mann sagte als Zeuge aus und gab an, eigentlich ein gutes Verhältnis zum Stiefvater gehabt zu haben – außer, wenn dieser betrunken war.
Der Prozess wird fortgesetzt
Der Angeklagte habe im Verlauf des Streits die Frauen angegriffen, beschimpft und beleidigt. Er sei nur dazwischen gegangen. Von einer Bratpfanne habe er nichts mitbekommen. Er habe aus dem Fenster flüchten wollen. Ob er geschubst wurde? „Ich kann nicht behaupten, dass es ein Stoß war.“
Die Verhandlung wird am Donnerstag, 29. August, fortgesetzt. Dann werden weitere Zeugen vernommen.