Was erwarten die Jusos Stuttgart von der SPD in der neuen Regierung? Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dpa

Wir haben uns bei den Jusos erkundigt, was sie von der neuen Landesregierung erwarten.

Stuttgart – Am 12. Mai wählt der Landtag den neuen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs. Eine neue poltische Epoche bricht an. Wir haben uns bei den Stuttgarter Jugendverbänden der Parteien umgehört, was sie von ihren Mutterparteien im neuen Landtag erwarten. Diesmal haben wir die Jungsozialisten (Jusos) Stuttgart besucht, bei ihrem Stammtisch im Kulturzentrum "Forum 3" in der Stuttgarter Innenstadt.

Erinnerungen an jenen Abend, als sich die politische Landschaft in Baden-Württemberg grün-rot färbte: SPD-Landeschef Nils Schmid trat auf der Wahlparty der Genossen freudestrahlend und mit Siegerpose ans Mikrofon und präsentierte das schlechteste Ergebnis, das seine Partei je im Land erzielt hatte.

"Wir kritisieren die SPD-Position zu Stuttgart 21"

Nicolas Schäfstoß denkt mit gemischten Gefühlen an den 27. März zurück. Natürlich sei es ein Grund zur Freude, dass die CDU nach 57 Jahren nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen wird. "Aber das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die SPD in Baden-Württemberg das schlechtestes Wahlergebnis in ihrer Geschichte eingefahren hat“, sagt der Sprecher der Jusos Stuttgart. Der 28-Jährige verlangt von der Parteispitze eine klare Analyse, wie es dazu kommen konnte.

Am Wahlkampf hat es seiner Ansicht nach nicht gelegen. Das schwache Abschneiden sieht er viel mehr in der allgemeinen Befindlichkeit der deutschen Sozialdemokratie begründet. "Ich glaube die SPD steckt in einer Identitätskrise und ist auf der Suche nach sich selbst.“ Seine Partei habe mit Schröders Agenda in den sozialdemokratischen Kernthemen Arbeit und Soziales Vertrauen verspielt und seither bei der Aufarbeitung in wichtigen Fragen wie der Rente mit 67 keine klare Position bezogen.

Das gilt wohl auch für die Landes-SPD bei einem ganz anderen Thema – Stuttgart 21. Wie sich die Parteispitze beim Bahnprojekt positioniert hat, stößt bei den Jusos auf Unverständnis. "Wir kritisieren die SPD-Position zu Stuttgart 21“, sagt Josefine Geib, ebenfalls im Vorstand der Jusos Stuttgart. Man habe die Stimmung in der Bevölkerung lange nicht ernst genommen. Auch die Partei-Basis habe nicht einheitlich hinter dem Projekt gestanden. Deshalb hätte sich die SPD viel früher für einen Volksentscheid aussprechen müssen, meint die 17-Jährige.

Zurück zu den sozialdemokratischen Wurzeln

Nun soll der Volksentscheid im Oktober kommen und zwar auf Basis der Landesverfassung, also mit einem Quorum von 33 Prozent der Wahlberechtigten. In diesem Punkt hat sich die SPD bei den Koalitionsverhandlungen gegenüber dem grünen Partner durchgesetzt.

Doch was ist, wenn sich die Mehrheit bei der Volksabstimmung für einen Ausstieg aus dem Projekt ausspricht, der Entscheid jedoch am hohen Quorum scheitert? Müsste sich die SPD dann nicht doch bewegen, um weitere Eskalationen zu verhindern? "Den Schuh ziehen wir uns nicht an“, sagt Nicolas Schäfstoß. Die Grünen hätten mit dem SPD-Vorschlag eines Volksentscheids Wahlkampf gemacht und die Forderung sogar plakatiert. Nun hieße es von Seiten der Grünen plötzlich: Oh, das Quorum ist uns zu hoch. "Entweder wollte Kretschmann seinen Wählern bewusst Sand in die Augen streuen, oder er kennt die Verfassung nicht. Das Zweite kann ich mir nicht vorstellen.“ Wenn nun der Volksentscheid an der Wahlbeteiligung scheitert, müssten die Grünen das akzeptieren.

Zurück zu den sozialdemokratischen Wurzeln

Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen nicht nur beim Volksentscheid ihre Forderungen durchgesetzt. Auch bei der Besetzung der Ministerien haben die Genossen den Grünen sechs vonelf Ministerposten abgerungen. Hat sich die SPD womöglich mit ihrer Rolle als Juniorpartner in der Koalition noch nicht abgefunden? "Wir sind kein Juniorpartner, sondern haben nur einen Sitz weniger im Landtag“, stellt Josefine Geib klar. Das viel zitierte Regieren auf Augenhöhe.

Traditionell profitiert allerdings der Größere von zwei großen Koalitionspartnern beim Wähler mehr von der gemeinsamen Regierungsarbeit. So war es bei der letzten Großen Koalition im Bund und auch nach der ersten und bisher letzten CDU-SPD-Regierung im Land (1992 bis 1996) verloren die Sozialdemokraten an Wählergunst. Für die SPD besteht also die Gefahr, auf längere Sicht nur die dritte Geige im Land zu spielen. Aus Sicht der Jusos hat es die SPD selbst in der Hand, eine solche Entwicklung zu verhindern. "Wir dürfen in der Regierung keinen Kuschelkurs fahren“, sagt  Nicolas Schäfstoß. "Die Grünen stehen uns zwar nahe, aber wir sind politische Konkurrenten.“ Drum sei es an der SPD, die eigenen Themen und Ideen in der Regierungspolitik deutlich zu machen. Wie zum Beispiel bei der geplanten Abschaffung der Studiengebühren. "Das ist unser Thema.“ Die Grünen seien die Partei der "Bestverdiener“. "Wir müssen zeigen, dass wir für eine andere Klientel da sind“, fordert Schäfstoß. Und wie? "Die SPD muss Arbeit und Soziales wieder groß schreiben“, sagt Josefine Geib.

Also zurück zu den sozialdemokratischen Wurzeln. Die Jusos wollen dafür sorgen, dass ihre Mutterpartei diese Marschrichtung nicht aus den Augen verliert. Als Jugendorganisation einer Regierungspartei habe man nun die Möglichkeit, eigene Inhalte in Regierungshandeln umzusetzen. "Wir werden jetzt nicht zahm, nur weil die SPD in der Regierung ist“, sagt Nicolas Schäfstoß. Am Selbstverständnis der Jusos hat sich also nichts geändert. Das betont auch Josefine Geib: "Wir definieren uns nach wie vor als kritischer Motor der Partei.“