Juso-Landeschef Frederick Brütting über die Qualität von Grün-Rot und die Volksabstimmung.

Stuttgart - Das SPD-Image hat sich seit der Landtagswahl nicht wesentlich verbessert, beklagt der Chef der Jungsozialisten, Frederick Brütting. Er hofft auf Besserung, sobald mehr Geld zur Verfügung steht.

Herr Brütting, Sie arbeiten als Beamter in der Ministerialverwaltung. Trauen Sie sich da überhaupt, die Regierung zu kritisieren?

Wir Jusos kritisieren die Regierung ja nicht einfach so, sondern nur, wenn es konkreten Anlass zur Unzufriedenheit gibt. Das habe auch ich schon mehrfach getan, auch nachdem ich Beamter wurde.

Gibt es aktuell Anlass zur Kritik?

Das Werben für die Vorratsdatenspeicherung und den Einsatz des Trojaners, also eines Spähprogramms durch SPD-Innenminister Gall sehen wir kritisch. Aber wir wollen erstmal abwarten, was die Überprüfung im Fall des Trojaners ergibt. In der letzten Zeit sind wir mit der Regierung im Großen und Ganzen zufrieden.

Stört es Sie nicht, dass Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann der SPD gänzlich die Schau stiehlt?

Kretschmann steht als Ministerpräsident natürlich im Vordergrund, das ist ganz normal. Die Minister bekommen nie so viel mediale Aufmerksamkeit, das war auch bei der alten Landesregierung so. Ich glaube, dass die Verteilung der Ressorts positiv für die SPD ist und dass sich im Lauf der Regierungszeit noch stärker zeigen wird, wo unsere Akzente sind.

In Umfragen konnte die SPD bisher noch nicht mit der Regierungsbeteiligung punkten.

Das stimmt. Seit der Landtagswahl hat sich an der Außendarstellung noch nicht viel verändert. Aber seither war auch noch nicht viel Raum für konkrete Politik. Erst der nächste Haushalt wird auch die Möglichkeit geben, eigene Akzente zu setzen. Wenn man etwas verändern will, kostet das Geld.

Sie setzen auf Nils Schmid?

Ja, und ich hoffe, dass er sich als Wirtschaftsminister noch stärker profilieren wird. Im Moment nimmt man ihn noch sehr als Finanzminister wahr. Man muss die SPD im Land auch mit dem Wirtschafts- und Industriestandort in Verbindung bringen, das fehlt im Moment noch. Aber auch mit Bildungspolitik.

Hören Sie nicht die Klagen der Gemeinden über fehlende Informationen zu den geplanten Schulreformen?

Als Stadtrat kenne ich die kommunale Seite und muss sagen: Es ist noch nicht ganz klar, wo für die Kommunen die Reise hingeht. Da muss jetzt schnell geliefert werden. 

"Wir Jusos sind gegen Stuttgart 21"

Beim Streit um Stuttgart 21 schränken die Grünen die SPD in ihrer Entfaltungmöglichkeit erheblich ein - zumindest die Befürworter. Nehmen Sie das hin?

Wir Jusos sind ja gegen Stuttgart 21. Von daher hätte ich es sehr kritisch gesehen, wenn sich die SPD vehement für das Projekt ausgesprochen hätte. Ich glaube, das Beste ist eine vermittelnde Position, die beide Meinungen in der Partei zulässt. Mittlerweile ist Nils Schmid da auf einem guten Weg.

Warum dürfen die Grünen eine Kampagne zusammen mit der Linken machen, die Sozialdemokraten aber nicht mit der CDU?

Das ist keine Frage des Dürfens, sondern der politischen Klugheit. Man muss ja auch die Situation innerhalb der SPD und ihrem Umfeld beachten. Da gibt es eben unterschiedliche Meinungen. Wir sind auch mit vielen gesellschaftlichen Gruppen vernetzt, die Stuttgart 21 sehr kritisch sehen.

Aber es gibt klare SPD-Beschlüsse pro S 21.

Ja. Aber es gibt auch Gliederungen wie die Jusos, die eine andere Auffassung haben. Und das sollte respektiert werden.

Und das verhindert, dass die SPD mit Parteigeld Werbung für das Bahnprojekt macht.

Ich würde das nicht für sinnvoll halten.

Falls Stuttgart 21 gebaut wird - profitiert dann die SPD davon?

Nein. Stuttgart 21 ist kein Thema mehr, von dem irgendeine Partei profitiert. Man verscherzt es sich immer mit einer Seite, entweder mit den Gegnern oder mit den Befürwortern. Stuttgart 21 ist kein Gewinnerthema.

Wenn die Volksabstimmung das notwendige Quorum verfehlt - akzeptieren die Jusos dann, dass Stuttgart 21 gebaut wird?

Ja.

Ebbt dann auch der Streit ab?

Das weiß ich nicht. Ich glaube, die Volksabstimmung ist ein Experiment und für alle eine neue Erfahrung. 

"Wir sind der modernste politische Jugendverband im Land"

Bei den Wahlen zum Berliner Senat waren alle über den Erfolg der Piratenpartei überrascht. Welche Konsequenzen ziehen Sie als Juso-Chef daraus?

Wir haben die Konsequenzen schon lange gezogen. Wir waren der erste SPD-Landesverband, der einen Parteitag zum Thema Gesellschaft 2.0 gemacht hat, und zwar letztes Jahr auf Antrag der Jusos. Zwischen unserer Beschlusslage in Fragen der Bürgerrechte und jener der Piratenpartei gibt es keinen so großen Unterschied. Die Frage ist aber, wie man das in konkretes Regierungshandeln umsetzt, und da hat die SPD noch Nachholbedarf.

Ist Ihnen der SPD-Innenminister zu repressiv - mit Blick auf den Trojanereinsatz?

So pauschal kann man das nicht sagen. Es gibt auch Bereiche, wo er sich sehr positiv verhält. So liegt etwa das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen auf Eis, obwohl er selbst eine andere Auffassung dazu hat.

Macht sich Ihre Nähe zu sozialen Netzwerken bei der Mitgliederentwicklung bemerkbar?

Wir haben von 2006 bis 2010 knapp 50 Prozent Zuwachs. Dafür gibt es viele Faktoren. Zum einen haben in dieser Zeit viele Wahlkämpfe stattgefunden, das ist für einen Jugendverband immer positiv. Zum anderen macht sich aber auch unsere Arbeit bemerkbar. Wir sind der modernste politische Jugendverband im Land, wenn nicht sogar bundesweit. Das fängt bei der Homepage an, setzt sich in Facebook und Twitter fort, und geht bis hin zu neuen Veranstaltungsformen. Außerdem suchen wir die Verbindung zur Kommunalpolitik, machen also nicht nur theoretische Politik.

Gibt es eine Koalition der Jugendverbände?

Wir haben uns mit der Grünen-Jugend vor einigen Wochen getroffen, um einen Fahrplan für gemeinsame Projekte festzulegen. Projekte, die wir von der Landesregierung erwarten. Da wurden Themen diskutiert wie Vorratsdatenspeicherung, Alkoholverbot oder Wahlrecht ab 16. Wir arbeiten aber auch mit den Jungen Liberalen und der Jungen Union zusammen.

Gibt es auch Meinungsverschiedenheiten mit der Grünen-Jugend?

Bei den Drogen zum Beispiel. Wir sind im Gegensatz zu jenen nicht für eine Legalisierung weicher Drogen. Aber zwischen Jusos und Grünen-Jugend gibt es mehr Übereinstimmung als zwischen SPD und Grünen.