Fällt: der Standort Jungingen von Welch Allyn mit 80 Mitarbeitern. Foto: Hanauer

Standort mit 80 Mitarbeitern soll 2013 geschlossen werden. Produktion wandert nach Mexiko ab. Mit Kommentar.

Jungingen - Schlechte Nachricht kurz vor Weihnachten: Die Medizintechnik-Firma Welch Allyn macht den Standort Jungingen zu. Von der Schließung betroffen sind rund 80 Mitarbeiter.

Die Produktion soll in ein anderes Werk des amerikanischen Unternehmens verlagert werden, nach Tijuana in Mexiko, direkt an der Grenze zu den USA. Die Verwaltung soll nach Amsterdam abwandern. Viele US-Unternehmen würden ihre Europa-Hauptquartiere mittlerweile in die Niederlanden ansiedeln, teilt das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit. Die Niederlande gelten als Land mit "geschäftsfreundlichem Klima" und guter Infrastruktur sowie mit guten Verkehrsanbindungen über Flughäfen, Straßen und Eisenbahn.

IG Metall: Schlechte Karten für Leiharbeiter und angelernte Kräfte

Über das geplante Aus des Standorts Jungingen informierte Jon Sonderbergh aus der amerikanischen Konzernzentrale die Mitarbeiter im Killertal am Montag. Die Verlagerung der Produktion von Blutdruck-Messgeräten soll im Oktober nächsten Jahres beginnen und innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Als Gründe führt der Konzern an, dass in Mexiko günstiger produziert werden könne. Die Standort-Schließung in Deutschland sei Teil eines "weltweiten Restrukturierungsprogramms". Der Markt der Gesundheitsindustrie verändere sich schnell.

Die ersten Kündigungen sollen im Lauf des nächsten Jahres ausgesprochen werden. Der Konzern kündigt einen Sozialplan für die betroffenen Mitarbeiter an. Wieviele Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, stehe noch nicht fest. Mitarbeiter in Verkauf und Marketing könnten auf Weiterbeschäftigung hoffen, heißt es. Im Gegenzug erhofft sich Welch Allyn, dass der Betrieb in Jungingen in der Übergangszeit so weitergeführt wird, dass die Kunden möglichst wenig davon zu spüren bekommen.

Für die Belegschaft kam die Nachricht aus heiterem Himmel. "Die Stimmung ist jetzt ziemlich mies", so ein Sprecher des Betriebsrats gestern. Vor zwei Monaten sei die Belegschaft informiert worden, dass der Standort Jungingen "einer Überprüfung" unterzogen werde. "Von Schließung war aber nicht die Rede", so der Arbeitnehmer-Vertreter. Von den 80 Mitarbeitern im Killertal sei etwa die Hälfte in der Produktion beschäftigt, der größte Teil davon Frauen.

"Für die Leiharbeiter und angelernten Kräfte in der Produktion wird’s happig", sagt Walter Wadehn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt. Facharbeiter und Angestellte hätten derzeit sicher "gute Chancen", einen neuen Job zu finden. Dass bei Welch Allyn eines Tages etwas in dieser Richtung kommen könnte, habe er geahnt. "Amerikanern ist sowas relativ scheißegal", so Wadehn. Dabei sei die Medizintechnik "keine Krisenbranche", im Gegenteil. "Aber manche kriegen den Hals nicht voll", so Wadehn. Dabei gebe es Unternehmen, die ihre Produktion mittlerweile von Mexiko wieder zurückholen. "Der Lohnfaktor ist eben nicht alles. Die Arbeitskultur ist eine ganz andere." Auch der Fall Abbott habe gezeigt, dass Werksverlagerungen "nicht ganz so einfach" über die Bühne gingen.

Für die Gemeinde Jungingen ist die Standort-Schließung ein Schlag. Die Welch Allyn GmbH und Co. KG zählt zu den fünf großen Arbeitgebern in der Gemeinde mit 1400 Einwohnern.

Kommentar: Der Nächste

Von Volker Rath

Abzug von Novalung, Kahlschlag bei Maquet, Abbott ganz dicht, Gambro zum zweiten Mal verkauft – und jetzt gehen auch bei Welch Allyn die Lichter aus.

Es rumpelt gewaltig im Medical Valley. Der Ruf der Medizintechnik-Industrie als neuer Hoffnungsträger in der Region ist in der öffentlichen Wahrnehmung längst ramponiert. Saubere, gutbezahlte, zukunftsfähige Arbeitsplätze für gut ausgebildete junge Leute? Hunderte von Arbeitsplätzen sind so schnell abgewandert, wie sie entstanden sind. Gestern noch vermeldeten die Unternehmen zweistellige Zuwachsraten, schon morgen kann der ganze Laden zu sein. Die Produktionsstätten sind so flüchtig wie das Kapital, das dahintersteckt. Der Fall Welch Allyn zeigt: Wenn Konzernentscheidungen in Übersee fallen und die lokale Verwurzelung fehlt, wird kein langes Federlesen um einen Standort gemacht. Wer kommt als nächstes dran?