Ob das Päckchen letztlich über diese Mauer der JVA Hechingen flog konnte am Donnerstag bei der Verhandlung nicht geklärt werden. Foto: Stopper

Seit seiner Jugend haben sich Hischam S. Drogen und Alkohol immer wieder in den Weg gestellt. Weil er sich wegen ihnen manchmal nicht mehr im Griff hatte, sitzt er im Gefängnis. Und weil er auch dort nicht die Finger von ihnen ließ, muss er nun noch länger einsitzen.

Hechingen/Balingen - Der Auszug aus dem Bundeszentralregister brachte es an den Tag: Wenn S. mit der Polizei in Konflikt geriet, waren immer wieder Drogen und große Mengen Alkohol mit im Spiel. Sein Mandant sei stark Betäubungsmittelabhängig, stellte dessen Verteidiger bei seinem Plädoyer fest.

Der Verurteilte sitzt wegen mehrmaliger Körperverletzung hinter Gittern

Insgesamt sieben mal war S. in den vergangenen sechs Jahren wegen vorsätzlicher und schwerer Körperverletzung auch gegen Vollzugsbeamten mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wurde mehrfach dafür auch verurteilt. Bei Kontrollen war er so aggressiv geworden, dass die Polizisten ihn "Schließen" mussten – wie es im Fachjargon heißt, wenn einem Menschen Handschellen angelegt werden müssen.

Was Richterin Apeltauer erzählte lässt darauf schließen, dass der Angeklagte stets auch wegen seines immensen Alkohol- und Drogenkonsums ausfällig wurde und schließlich sogar die Beamten verletzte. Auf der Wache, zitierte sie aus der Gerichtsakte, habe er sich dann wieder beruhigt.

S. besuchte in seiner Jugend die Schulen in Bisingen und Rosenfeld, wo er als guter Schüler galt. Er legte nach dem Hauptschulabschluss auch die Mittlere Reife ab. Ein einschneidendes Erlebnis für den Zwölfjährigen war der Tod seines älteren Bruders, der bei einem Motorradunfall im Libanon ums Leben kam, woraufhin die Familie dort ein Jahr lang wohnte und danach wieder nach Balingen zog.

22-Jähriger hat seit seiner Jugend Probleme mit Drogen und Alkohol

Zurück in Deutschland hatte der heute 22-Jährige zunehmend Probleme mit Alkohol und konsumierte ab seinem 15. Lebensjahr auch Cannabis, später auch Amphetamine, darunter auch Kokain.

Immer wieder versuchte er im gesellschaftliche Leben Fuß zu fassen. S. begann eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, dann wollte er Krankenpfleger werden – ein Beruf, in dem er sich sehr wohlfühlte. Wegen seiner bereits bestehenden Jugendstrafen wurde er aber nicht zur Prüfung zugelassen. Die anschließende Ausbildung zum Stuckateur brach er ab und lebte danach von Hartz 4.

Von der JVA Rottweil nach Hechingen und dann nach Ravensburg verlegt

Seine Haftstrafe trat S. in der JVA Rottweil an, wo er vom Gericht nach seiner letzten Straftat zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Weil er dort aus seiner Zelle heraus versuchte, über das Fenster zur Straße Kontakt mit Passanten aufzunehmen, wurde er erst innerhalb der JVA, dann in deren Hechinger Außenstelle verlegt. Hier wurden bei ihm schließlich "Kleinmengen" an Kokain und Marihuana gefunden, die Anlass für die Verhandlung am Donnerstag vor dem Amtsgericht Hechingen waren.

Nach dem Fund wurde S. in die JVA Ravensburg verlegt, wo es bisher "ganz gut" laufe, wie der Verurteilte erzählte. Es gebe dort jede Menge Beschäftigung - "trainieren und Sport". Das Strafende ist 2024. Ab Februar 2023 wird S. eine mehrmonatige Entzugstherapie in einer geschlossenen Klinik am Bodensee antreten, wie sein Verteidiger mitteilte. "Er ist sehr motiviert auf die Therapie."

Der Verurteilte gibt den Drogenbesitz in einem Geständnis zu

Den Drogenbesitz im Hechinger Gefängnis gab S. vollumfänglich zu. Konsumiert habe er nichts davon. Seit er in Haft sei, sei er clean. Die Richterin verhängte für den Drogenbesitz zwei Monate und blieb damit einen Monat unter der Forderung des Staatsanwalts.

Gefunden worden war das Rauschgift bei einer Wäschekontrolle in der Unterhose des Verurteilten. Diese war nach einer Vermutung, dass "Drogen im Haus" seien, angeordnet, wie ein Mitarbeiter der JVA als Zeuge aussagte. Die Zellenkontrolle mithilfe eines Drogenhundes ergab dann weitere Funde. Insgesamt wurden 2,04 Gramm Marihuana und 1,71 Gramm Kokain sichergestellt.

Wie die Drogen in den Besitz des Verurteilten kamen blieb ungeklärt

Wie S. an die Drogen kam – oder wie diese zu ihm kamen, blieb allerdings ungeklärt. Der Verurteilte selbst beschrieb, er habe beim Freigang im Hof auf dem Boden ein Päckchen gefunden – "fest mit Klebeband zugeschnürt". Erst in der Zelle habe er bemerkt, dass es Drogen enthielt. Gemeldet hatte er den Fund nicht. Als Disziplinarmaßnahmen wurde ihm ein Freigang- und Sportverbot verhängt. Außerdem wurde er in die JVA Ravensburg verlegt.

Wie ein Päckchen in den Hof der Hechinger JVA "fliegen" könne, ohne dass dies von der Aufsicht bemerkt werde, wollte die Richterin vom Justizvollzugsbeamten wissen. Dass es solche Fälle immer wieder gebe sei nicht zu verhindern, erklärte dieser. Meist passiere es, während die Hofaufsicht von weiteren Insassen in ein Gespräch verwickelt oder anders abgelenkt würden.

Dass Luftpost in den Hof der JVA kommt wird oft nur durch Zufall bemerkt

Dass solche Luftpost bemerkt würde, sei nicht selten auch Zufall, erzählte der Mitarbeiter weiter. Manchmal lande sie einfach im falschen Hof oder das Personal werde durch entsprechende Hinweise von Außen und Innen auf eine Spur gebracht. "Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht." In Hechingen allerdings könne man wegen des Einsatzes des Drogenhundes eine ganz "gute Quote" beim Auffinden der Rauschmittel vorweisen.

Wie genau die Vorgeschichte des von S. gefundenen Päckchens war, blieb unbeantwortet, wobei die Geschichte drumherum in diesem Fall auch keine Rolle spiele, wie Richterin Apeltauer bei der Urteilsbegründung feststellte. "Mehr als den Besitz der Drogen können wir ihnen nicht nachweisen."