Der Tod von Vater oder Mutter, die Trennung der Eltern sind für Kinder eine schwere Prüfung. Wir stellen zwei Jugendbücher vor, die vom Umgang mit Krisenzeiten in der Familie erzählen.
Stuttgart - Die Pandemie brachte bekanntlich viele Familien an den Rand. Eltern haben sich zwischen der Berufsarbeit am heimischen Küchentisch und dem Homeschooling der Kinder aufgerieben. Aber selbst wenn diese Zeit hinter uns liegt, werden weiterhin Familien aus unterschiedlichen Gründen zerbröseln. Zwei neue Bücher für junge Leser geben einen Eindruck davon, was das mit Kindern und Jugendlichen macht.
Um ein psychologisch herbes Beispiel handelt es sich bei „Alles, was passieren wird“, dem ersten Jugendbuch von Katharina Hacker, die 2006 den Deutschen Buchpreis für „Die Habenichtse“ erhielt. Denn darin trauert die circa 15-jährige Iris um ihre verstorbene Mutter. Da diese den Hauptteil des Lebensunterhalts bestritt, gesellen sich finanzielle Sorgen hinzu. Das Mädchen und der Vater ziehen in eine kleinere, günstigere Wohnung, und die fühlt sich ganz und gar nicht nach einem Zuhause an.
Tiere als Türöffner
Während die Mitschüler sich in der Fridays-for-Future-Bewegung engagieren, spürt Iris seit Monaten nur noch eine Art gläserne Wand um sich herum, ist völlig isoliert, kann sich nicht mitteilen. Als ihre ehemals beste Freundin Lisa verheult zur Schule kommt, beginnt das Glas zu splittern. Iris erfährt, dass die beiden Irish Terrier aus Lisas Familie, mit denen sie früher viel zugange waren, wegen einer bedrohlichen Allergie von Lisas Bruder ins Tierheim sollen. Die Hunde müssen gerettet werden! In diese Aktion sind plötzlich noch Lukas, der „erträglichste Junge“ ihrer Klasse, und die türkischstämmige Seteney verwickelt.
Ein Weg aus der Schockstarre
Die Sorge um Vierbeiner – es spielen auch noch Pferde auf einem Reiterhof eine wichtige Rolle – erzeugen ein Gemeinschafts- sowie ein Aufbruchsgefühl für Iris. Es entwickelt sich ein abenteuerlicher Trip mit hinreißenden Nebenfiguren wie einem Dorfpolizisten im Umland. Katharina Hacker skizziert ebenso sensibel wie schnoddrig, was Iris bewegt. Das macht den durch und durch gelungenen Roman handfest und hoffnungsfroh-tröstlich, zumal realistischerweise nicht jedes Detail zu Ende erzählt wird. Iris fängt aus der Schockstarre heraus wieder an zu leben mit Freunden an ihrer Seite. Der Rat von Seteneys Großmutter tut Wirkung: Iris’ Mutter möge im Licht ruhen. „Solange du nicht dein Leben anfängst, kann sie das nicht. Kein Licht, keine Ruhe.“
Vater mit neuer Familie
In „Warten auf Wind“ hingegen geht es um eine klassische Trennung der Eltern. Die zwölfjährige Vinga verbringt die Sommerferien bei ihrem Opa auf einer kleinen Insel. Hier, fern der Stadt, fühlt sich die Einzelgängerin wohl, verdrängt, was sie bedrückt, muss nicht groß reden und kann von Abenteuern auf hoher See fantasieren. Entfernt genug ist sie hier von ihrer Mutter, die versucht, tapfer zu sein, und sich dabei an Vinga klammert. Doch der Schmerz über die auseinandergebrochene Familie – der Vater ist mit einer anderen Frau zusammen, die ein Baby von ihm erwartet – quält Mutter und Tochter. Für Vinga fühlt sich das Inselleben nach Freiheit an. Dann taucht die gleichaltrige Rut auf – in allem das Gegenteil von Vinga – und empfindet die einsame Gegend als Verbannung. Und doch passiert etwas zwischen den beiden Mädchen, das sich für Vinga nicht so recht in Worte fassen lässt, aber viel mit Kribbeln im Bauch zu tun hat.
Ein neuer Blick auf die Welt
Lachen und Weinen liegen in diesem Buch dicht beisammen. Unaufgeregt und poetisch geschrieben, steckt es voller zutiefst berührender Momente. Mit feinem Humor und viel Sensibilität erzählt der schwedische Autor Oskar Kroon von Ängsten und Verlust, von Liebe und Hoffnung, von großen Veränderungen – nebenbei gar vom Klimawandel. Vor allem aber geht es darum, einen anderen Blick auf die Welt zu entwickeln und zu spüren, dass es immer weitergeht im Leben. Oder um es mit Vingas Großvater auszudrücken: „Man gewöhnt sich an alles, außer an Steine im Schuh.“
Infos zu den Büchern
Katharina Hacker: Alles, was passieren wird. Sauerländer-Verlag, 254 Seiten, 13 Euro. Ab 12
Oskar Kroon: Warten auf Wind. Aus dem Schwedischen von Stefan Pluschkat. Hummelburg-Verlag, 252 Seiten, 12,99 Euro. Ab 11