Einer der letzten seiner Gilde – Jürgen Scheff, Ebinger Denkmalpfleger und Polyhistor – wird am Pfingstmontag 70 Jahre alt. Im Ruhestand hat er noch mehr Zeit zum Forschen – und niemand in der Region hat ein vergleichbares Profil vorzuweisen.
Die Zeiten, da schwäbische Klein- oder Mittelstädte sich darauf verlassen konnten, dass ihnen ein, wenn nicht mehrere sattelfeste Heimatgeschichtler als kollektives Gedächtnis zu Verfügung standen, nähern sich dem Ende – auch in Ebingen, das in dieser Hinsicht jahrzehntelang bemerkenswert gut ausgestattet war. Mit Jürgen Scheff feiert am Pfingstmontag einer aus ihrer Gilde den 70. Geburtstag – und zählt damit fast noch zu den Nachwuchsleuten. Eine ganze Spezies stirbt aus.
Forscht und publiziert nach wie vor
Aber noch nicht sofort: Jürgen Scheff, seit einigen Jahren Ruheständler, hat, wie man hoffen darf, noch etliche Jahre als Ebinger Statthalter und ehrenamtlicher Beauftragter des Landesamts für Denkmalpflege vor sich; er forscht und publiziert nach wie vor intensiv, und natürlich kuratiert er wie gehabt die vor- und frühgeschichtlichen und naturkundlichen Sammlungen im Kräuterkasten, die ihre Existenz nicht zuletzt ihm verdanken.
Niemand wäre berufener – wer könnte ein vergleichbares wissenschaftliches Profil vorweisen, genau an den Schnittstellen zwischen Zoologie, Geologie, Paläontologie, Archäologie und Geschichte?
In den Albverein wurde er eingetreten
Ein Glücksfall für Ebingen und Albstadt – wie kam es dazu? Wie so oft über die Schullaufbahn. Jürgen Scheff, gebürtiger Reutlinger und in Pfullingen aufgewachsen, hatte nach dem Abitur die Pädagogische Hochschule Reutlingen besucht und dann das Referendariat absolviert.
Im Dezember 1976 legte er die Zweite Dienstprüfung ab; im Januar 1977 trat er seine Stelle an der Realschule Ebingen an. Dort ereilte ihn dasselbe Schicksal wie vor ihm zahllose württembergische Junglehrer: Er wurde in den Schwäbischen Albverein „eingetreten“, genauer: von einem väterlichen älteren Kollegen, in seinem Fall Karl-Heinz Döbereiner, für dessen Ebinger Ortsgruppe „gekeilt“. Ein Entrinnen gab es nicht.
Eine zweite Bärenhöhle – er hat sie mitentdeckt
Allerdings wollte Jürgen Scheff gar nicht entrinnen – bereits als Student hatte er Kontakte zu Geologen und Paläontologen an der Universität Tübingen geknüpft und sich der Zunft der Höhlenforscher angeschlossen. Er kartierte Höhlen und zählte zu den Entdeckern einer Fortsetzung des Dobelhaldeschachts in der Nähe von Schloss Lichtenstein.
Die Höhle erwies sich als paläontologische Fundgrube; unter anderem wurden die Überreste zweier Mammuts gefunden. „Eine zweite Bärenhöhle“, sagt Jürgen Scheff. Der Schacht ist aus gutem Grund unzugänglich für die Öffentlichkeit – er bleibt für die Forschung reserviert. Die ohnehin kaum mit der Arbeit hinterherkommt.
In keltischen Gräbern hat er Schätze gefunden
In seinen frühen Ebinger Jahren unterstützte Scheff Tübinger Doktoranden bei der Feldforschung zum Bohnerzabbaus auf der Reutlinger und Ebinger Alb; später wirkte er an Ausgrabungen in keltischen Grabhügeln auf dem Degerfeld mit – das bedeutsamste archäologische Projekt seiner Karriere.
Der Kräuterkasten hat ihm viel zu verdanken
Parallel verfasste er einschlägige Arbeiten: Die Kapitel zur Ebinger Prähistorie in Walter Stettners Standardwerk zur Stadtgeschichte stammen aus seiner Feder, ebenso wie der Museumsführer zum Kräuterkasten, an dessen musealer Einrichtung Mitte der 1980er-Jahre er maßgeblichen Anteil hatte.
Übrigens nicht nur in seiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Beauftragter für Denkmalpflege, der er seit 1983 ist, sondern auch als Naturkundler: Seit 1981 ist Scheff Naturschutzwart des Albvereins und ausgewiesener Fachmann für Fledermäuse. Seit einigen Jahren widmet sich Scheff verstärkt der eigentlichen, sprich: der durch schriftliche Belege dokumentierten Historie. Er hat über das mittelalterliche Dorf Ebingen geschrieben, die genealogischen Ursprünge der Hohenzollern beleuchtet und sich intensiv mit Leben und Wirken eines Vorgängers, des Apothekers und Archäologiepioniers Hieronymus Edelmann befasst. Damit ist er noch lange nicht fertig – das Leben hält für Jürgen Scheff auch nach dem 70. Geburtstag noch viel reizvolles wissenschaftliches Neuland bereit.