Joseph Schmidt wurde nur 38 Jahre alt. Foto: Schülke

Der jüdische Tenor Joseph Schmidt war in den 30er-Jahren ein Weltstar. Dann verboten ihm die Nazis das Singen. Jetzt erinnert eine Ausstellung in Horb an den großen Künstler.

Horb - Die Veranstaltung in der ehemaligen Synagoge in Rexingen war voll besetzt. Auch 80 Jahre nach seinem tragischen Tod in einem Internierungslager in der Schweiz hat der Kantor, Opernsänger und Filmschauspieler Joseph Schmidt ganz offenbar noch sein Publikum.

"Pavarotti der 30er-Jahre"

"Er war der Pavarotti der 30er-Jahre", formuliert es Alfred Fassbind, Leiter des Joseph-Schmidt-Archivs in der Schweiz, etwas salopp – aber durchaus nicht zu Unrecht. Sein Welthit "Ein Lied geht um die Welt", erschienen im Mai 1933, ist noch heute einem Millionenpublikum bekannt. Sein Todestag war der 16. November 1942 – vor 80 Jahren.

Wer war Joseph Schmidt, dieser kleinwüchsige Mann, der aus einfachen jüdischen Verhältnissen im damaligen Österreich-Ungarn stammte und innerhalb weniger Jahre geradezu kometenhaft zum Opernstar aufstieg – ohne dabei vor Publikum auf der Bühne gestanden zu haben? "Sein Lied ging um die Welt. Auf den Spuren des Tenors Joseph Schmidt", heißt denn eine Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal Horb, in der bis zum 28. Mai 2023 umfangreiche Zeugnisse des Künstlers zu sehen sind.

Teure Autogramme

Leicht zu erklären ist das "Phänomen Joseph Schmidt" nicht. "Irgendwie ist er immer unvergessen geblieben", sagt Fassbind, Biograf des Sängers. "Seine Autogramme sind heute noch teurer als die von Caruso." 1904 in der Nähe von Czernowitz in der Bukowina im damaligen Österreich-Ungarn (heute Ukraine) geboren, wuchs er in eher bescheidenen Verhältnissen auf. "Sein Vater war ein Gutsverwalter und ein streng gläubiger Jude, seine Mutter war der Musik zugewandt", so Fassbind. Das Singen habe er früh begonnen. "Ich war nie ohne Musik", soll Schmidt einmal über sich selbst gesagt haben. Für erste Aufmerksamkeit haben seine Auftritte in der Synagoge von Czernowitz gesorgt, 1925 zog er nach Berlin, um seine Stimme an der dortigen Musikhochschule weiterzubilden.

Er war nur 1,54 Meter

"Aber Schmidt hatte ein Problem", so Fassbind, "er war nur 1,54 Meter groß". Opernauftritte auf der Bühne seien daher schlichtweg aussichtslos gewesen, seine Partnerinnen waren einen Kopf größer als er. "Da war nichts zu machen." Doch zugleich vollzog sich zu dieser Zeit der Aufstieg des Rundfunks zum "Massenmedien Nummer Eins" – ein Geschenk des Himmels für den kleinwüchsigen Sänger. 1929 sang er beim Berliner Rundfunk vor – und wurde sogleich engagiert. Erste Live-Funkauftritte waren ein Riesenerfolg. Über 40 Opernpartien sang Schmidt in den folgenden Jahren bis 1933. Hinzu kamen erste Schallplattenaufnahmen. "Die Machtergreifung der Nazis war eine Katastrophe für Schmidt, er wurde von heute auf morgen gekündigt."

Wendepunkt der Karriere

Dann kam der Film "Ein Lied geht um die Welt" – und darin das Lied, das ihn bis heute berühmt macht. Am 9. Mai 1933, also rund drei Monate nach der Machtergreifung der Nazis, erlebte der Film im Berliner Ufo-Palast eine grandiose Uraufführung, auch Reichspropagandaminister Goebbels soll anwesend gewesen sein. "Schmidt war erklärter Liebling Goebbels", sagt Fassbind. "Er wollte ihn sogar zum Ehrenarier erklären." Der Film wurde zum Höhepunkt, zugleich aber auch zum Wendepunkt der Karriere des Tenors. Seine Auftritte wurden verboten, seine Schallplatten durften nicht mehr verkauft werden.

Seine Flucht

Schmidt emigrierte nach Wien, unternahm noch eine Konzerttournee in die USA, wurde in New York stürmisch gefeiert. Als die Nazis sich 1938 Österreich einverleibten, floh Schmidt zunächst nach Belgien, dann nach Frankreich, 1942 versuchte er, in die Schweiz einzureisen, doch die Grenzen waren bereits geschlossen. Schließlich gelang ihm ein illegaler Grenzübertritt. Die Behörden wiesen ihn in ein Internierungslager, wo er schwer erkrankte. Bei der Behandlung wurde seine Herzkrankheit übersehen – eine folgenreiche Fehldiagnose. "Man hielt ihn für einen Simulanten", so Fassbind. Zwei Tage nach seiner Entlassung aus dem Lager starb Joseph Schmidt am 16. November 1942 – er wurde nur 38 Jahre.

Die Ausstellung

Die Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal Horb zeigt rund 100 Briefe, Fotos, Konzertprogramme sowie Filmplakate. Zu sehen und zu hören sind Filmausschnitte, seltene Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen sowie Exponate aus dem persönlichen Besitz Schmidts. Die Ausstellung wurde vom Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg und vom Joseph Schmidt-Archiv in Dürnten in der Schweiz erarbeitet. Kurator ist Carsten Eichenberger vom Haus der Heimat.