Am 8. November 1998 – 60 Jahre nach der Reichspogromnacht - wurde die Gedenkstätte Synagoge Baisingen eröffnet. Sie ist ein Ort des Erinnerns – und zugleich Museum. Das Gebäude zählt zu den am besten erhaltenen Landsynagogen Deutschlands.
Einst blühte jüdisches Leben in der kleinen Gemeinde Baisingen. Im 19. Jahrhundert lebten hier 235 Juden – das waren immerhin rund ein Drittel der Einwohner. Noch 1933 – zur Machtergreifung Hitlers – waren es 90 Jüdinnen und Juden. Danach wanderten viele Juden aus, wurden deportiert, starben in KZs und Vernichtungslagern. „Nach dem Krieg kehrten fünf Juden zurück“, sagt Karlheinz Geppert vom Förderverein der Gedenkstätte. Der letzte jüdische Bürger starb 1980. „Heute lebt in Baisingen kein einziger Jude mehr.“
„Unsere Aufgabe ist es, immer wieder daran zu erinnern“, meint Manuela Beck, Leiterin des Amtes für Bildung, Kultur und Sport der Stadt Rottenburg bei einem Rundgang in dem ehemaligen Gotteshaus. Das im November bevorstehende Jubiläum sei zugleich eine Chance „Werbung zu betreiben, dass auch jüngere Menschen sich an diesen Ort des Erinnerns begeben“.
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge liegt mitten im Herzen Baisingens – ein eher unauffälliges zweistöckiges Gebäude, das auf den ersten Blick nicht als Gotteshaus ins Auge fällt. Noch heute ist zu sehen, dass es für Männer und Frauen getrennte Eingänge gab, die Männer durften unten vor dem Thoraschrein Platz nehmen, die Frauen mussten auf die Empore. Erbaut wurde die Synagoge 1784, 1837 wurde sie umgebaut.
25 Jahre Gedenkstätte
Die Eröffnung der Gedenkstätte vor 25 Jahren orientierte sich nicht zufällig an das Datum der Pogromnacht 1938, als in der Nacht des 9. November aufgebrachte Nazis in ganz Deutschland jüdische Gebäude schändeten und niederbrannten. „Die Baisinger Synagoge entging dem Feuer“, schreibt Geppert in einer Broschüre „Das jüdische Baisingen“, die derzeit neu erscheint. Die Nazis legten in Baisingen nämlich kein Feuer, weil sie fürchteten, die Flammen könnten auf Nachbargebäude überspringen. Stattdessen schlugen SA-Leute Fenster und Türen ein, zerstörten den Thoraschrein und das Mobiliar. „Noch heute sind die Spuren an den Wänden zu sehen, dort haben die SA-Leute die Bänke herausgerissen.“
Später sei die geschändete Synagoge an einen Bauern verkauft worden – der das Gebäude viele Jahre als Scheune nutzte.
Als Scheune genutzt
Ironie der Geschichte: Die Nutzung als Scheune bewahrte das Gebäude vermutlich davor, abgerissen zu werden. „Erst gegen Ende der 1970er-Jahre“, schreibt Geppert in seiner Broschüre, „interessierte sich die Öffentlichkeit wieder für die ehemalige Synagoge.“ Sie wurde unter Denkmalschutz gestellt, die Stadt Rottenburg erwarb das Gebäude, die Sanierungen und Restaurierungen begannen – vorangetrieben nicht zuletzt durch den 1989 gegründeten Förderverein Synagoge Baisingen.
Behutsame Restaurierung
Die Restaurierung wurde, so Geppert, bewusst behutsam vorangetrieben. Ziel sei es gewesen, „die Spuren der Geschichte nicht auszulöschen“. So wurde etwa das Scheunentor, das aus der Zeit der landwirtschaftlichen Nutzung stammt, hinter dem einstigen Thoraschrein erhalten. Auch die „Wundmale“ an den Wänden, die von den herausgerissenen Bänken zeugen, wurden nicht überdeckt. Es galt „die Narben zu bewahren und künftigen Generationen zu erhalten“. Die Kuppel der Synagoge wurde erneut als ein wunderschöner blauer Sternenhimmel bemalt.
Ein Highlight des Museums ist die extrem gut erhaltene „Baisinger Laubhütte“, die alljährlich im Spätsommer in der Synagoge ausgestellt wird. Die Laubhütte, in der gläubige Juden während des Laubhüttenfestes zur Erntezeit feiern, gehörte ursprünglich einer jüdischen Familie aus Baisingen – später wurde sie lange Jahre als Hühnerstall und Werkzeugschuppen missbraucht. Im oberen Stockwerk der Gedenkstätte sind zudem Zeugnisse des religiösen Lebens zu sehen sowie Dokumentationen über die einstigen jüdischen Familien der Stadt.
Öffnungszeiten der Gedenkstätte
Die Gedenkstätte ist sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet.