Im Oktober 2021 verlegte der Künstler Gunther Demnig in Villingen die ersten Stolpersteine. Ein Erfolg für den Verein "Pro Stolpersteine VS", rechts dessen Vorsitzender Friedrich Engelke. Foto: Heinig

Es gab Zeiten, da sprach ganz Villingen-Schwenningen über ihn. Nun aber soll sich der Verein Stolpersteine auflösen.

Villingen-Schwenningen - Der Verein "Pro Stolpersteine VS" begibt sich auf die Zielgerade. Wenn im Herbst 2023 weitere 21 Steine verlegt wurden, könnte sich der Verein auflösen.

Ist die Stadt müde geworden?

"Unser Ziel haben wir dann erreicht", sagt der Vorsitzende Friedrich Engelke. Die Finanzierung steht indes noch nicht.

Ganz loslassen wollen er und seine Vorstandskollegen Heinz Lörcher und Wolfgang Heitner, bis Ende 2024 noch im Amt, aber auch dann nicht. Sie denken an eine "Initiative", die sich danach insbesondere um die Paten der Stolpersteine kümmern könnte, die mit der Übernahme der Patenschaft eigentlich auch deren Pflege übernommen haben. Doch bis es soweit ist, muss der Verein noch die Finanzierung der dritten und letzten Stolperstein-Verlegung auf die Beine stellen. Der Unterstützungswille der Stadt ist inzwischen nämlich erlahmt.

Absage an diese Erinnerungskultur

Friedrich Engelke erinnert an die Vereinsgründung 2014, die damals nach erneuter Absage dieser Art von Erinnerungskultur durch den Gemeinderat erfolgte. Schnell fanden sich etliche Mitstreiter, die über Jahre unermüdlich Mahnwachen hielten und ihr Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus bald auch auf weitere Opferkreise lenkten.

Damit nicht genug wurden regionale Biographien erforscht. Insbesondere Engelke selbst fand sie insbesondere unter den Opfern der sogenannten "Krankenmorde". Aus den ersten mit Hilfe von Paten schon früh angeschafften 19 Stolpersteinen wurden mittlerweile 60. Die stete Vereinsarbeit hatte Erfolg.

Späte Kehrtwende

Nach erneuter Abstimmung entschied sich der Gemeinderat im Januar 2020 schließlich doch noch für die Kunstobjekte des Künstlers Gunther Demnig. Im Oktober 2021 setzte er persönlich und zunächst in Villingen vor den einstigen Adressen der Opfer die ersten messingbeschlagenen und mit Namen und Lebensdaten versehenen Pflastersteine. Ein Jahr später folgten im März weitere Verlegungen auch in Schwenningen. In diesem Herbst nun war eigentlich die letzte Verlegeaktion in beiden Stadtteilen geplant. Zuvor waren immer Angehörige der Opfer geladen worden, die von der Stadt mit Zuschüssen für Reise- und Unterbringungskosten bedacht wurden.

Stadt enttäuscht den Verein

Auch diesmal habe der Verein damit gerechnet, gibt Engelke zu, wurde aber enttäuscht. Lediglich ein offizieller Empfang der Gäste aus Brasilien, Argentinien, Kalifornien und Israel sei angeboten worden. Auf Anfrage habe Oberbürgermeister Jürgen Roth betont, dass die Verlegung der Stolpersteine zwar gestattet wurde, die Stadt damit aber keinerlei Verpflichtung eingegangen sei. "Wir haben also keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung", räumt Engelke enttäuscht ein. Fairerweise erwähnt er aber die gute Zusammenarbeit mit der TDVS, die ihre Dienstleistungen rund um die Pflasterarbeiten auch weiterhin nicht in Rechnung stellen wollen.

Nun wird dringend Geld benötigt

Dennoch sah der Verein beim dritten Termin in diesem Oktober Kosten in Höhe von rund 15 000 Euro auf sich zukommen, ein Betrag, der nicht bezahlbar war. Der Termin wurde daraufhin abgesagt und auf den 22. Oktober 2023 verlegt, dem nächsten Gedenktag der Deportation jüdischer Mitbürger nach Gurs. Bis dahin hoffe man, so Engelke, genügend Spenden gesammelt zu haben, um die aus einfachen Verhältnissen stammenden Angehörigen der Opfer des Nationalsozialismus empfangen und angemessen bewirten zu können. "Das ist uns wichtig".

Dritte und letzte Broschüre kommt

Bis dahin wird es auch wieder eine dritte und vorerst letzte Vereinsbroschüre geben, in der die recherchierten Lebensläufe derjenigen festgehalten sein werden, denen ein Stolperstein gewidmet wird. Das sind in Villingen die Familie Bloch in der Rietstraße 15, Lothar Rothschild in der Waldstraße 27, Gertrud Fleck in der Kanzleigasse 34, Josef Münzer in der Marbacher Straße 15 und Michael Bloch sowie die Familie Gideon in der Niederen Straße 43, das erste Gebäude, bei dem dessen Besitzer strikt gegen die Stolpersteine sei, wie Engelke sagt. In Schwenningen erfolgt die Einbettung ins Straßenpflaster – die erstmals nicht selbst vom Künstler vorgenommen wird – am gleichen Tag für Richard und Else Schlesinger in der Schwabstraße1 und für den Politiker Karl Ruggaber in der Pfaustraße 29. Für sieben der je 120 Euro teuren Steine werden noch Paten gesucht.