Hedwig Stier aus Hechingen feiert an diesem Freitag ihren 100. Geburtstag. Die Jubilarin, die in der Senioren-Wohnanlage im Stadtgarten lebt, hält sich mit Spaziergängen und Rummikub-Spielen fit.
An ihrem zwanzigsten Geburtstag, am 11. April 1945, bestieg Hedwig Stier den portugiesischen Kohlefrachter Santander mit Fahrtziel Kopenhagen – nach tagelanger Flucht zu Fuß aus dem Heimatort Basien in Ostpreußen. Heute, 80 Jahre später, ist diese dramatische Erfahrung bei Hedwig Stier immer noch präsent, gleichzeitig kann die Jubilarin an ihrem 100. Geburtstag auf ein arbeitsreiches und erfülltes Leben im Kreise der Familie zurückblicken.
Dabei war es keineswegs selbstverständlich, dass Hedwig Stier und ihre Familie den sicheren Hafen in Kopenhagen lebend erreichten. Die „Santander” hatte noch die „Karlsruhe” im Schlepptau, die während der Überfahrt durch einen Luftangriff versenkt wurde, es gab nur wenige Überlebende.
Auf den Harthöfen bei Nusplingen gearbeitet
Nach zwei Jahren in dänischen Lagern, gelangte die Familie über Biberach nach Hechingen. Dort wurde im Klostergebäude St. Luzen die Verteilung der Flüchtlinge vorgenommen. „Wer kann melken?” hieß es da. Hedwig konnte, ihre Eltern hatten daheim eine Landwirtschaft mit stolzen 15 Hektar Land. So kam Hedwig, damals hieß sie noch Kluth, auf den Weiler Harthöfe bei Nusplingen und arbeitete dort in der Landwirtschaft.
Auf den Harthöfen lernte sie Albert Stier kennen, 1951 wurde in Beuron geheiratet, 1952 kam der Sohn Hubert auf die Welt, 1958 Tochter Maritta. Mittlerweile, Albert war im fürstlichen Forst beschäftigt, wohnten die Stiers im Forsthaus Karlswahl im Bärenthal – damals ohne fließend Wasser und Strom. 1964 schließlich zog die Familie ins neuerbaute Eigenheim in Obernheim. Hedwig arbeitete bis 1985 in der Textilindustrie, danach folgte der wohlverdiente Ruhestand. 2000 starb Ehemann Albert und 2013 zog Hedwig Stier nach Hechingen, wo auch ihre Tochter Maritta lebt.
Die Wohnung in der Senioren-Wohnanlage im Stadtgarten sei ein Glücksfall, betont die Familie. Es gibt viele gemeinsame Aktionen der Bewohner, und Hedwig Stier kann in der hauseigenen Spielgruppe ihrer Leidenschaft nachgehen, dem Rummikub-Spielen. Auch sonst hält sich die Jubilarin fit, sei es durch Zeitungslektüre oder Spaziergänge
Winfried Kretschmann gratuliert per Urkunde
Bürgermeister Philipp Hahn, der im Namen der Stadt und ganz persönlich gratulierte, war beeindruckt von der Biografie Hedwig Stiers. Er hatte einen Geschenkkorb der Stadt und eine von Ministerpräsident Winfried Kretschmann höchstpersönlich unterzeichnete Gratulationsurkunde im Gepäck. Hedwig Stier war darüber sehr erfreut. Überhaupt ist sie eine lebensfrohe Seniorin, allerdings hat sie einen kleinen Schmerz: Dass Pfarrer Michael Knaus schon bald Hechingen verlassen wird, das gefällt ihr gar nicht. Nicht nur, weil sie eine treue Kirchgängerin ist, sondern weil sie den Pfarrer quasi seit seiner Geburt kennt. Denn die Familie Knaus stammt von den Harthöfen.
Dafür freute sich Hedwig Stier auf den Nachmittag: Dann gibt es eine Geburtstagsparty mit der Familie – drei Enkel und vier Urenkel gehören inzwischen dazu – sowie den Mitbewohnern der Stadtgarten-Anlage und Pfarrer Knaus.