Ein Tüftler auch im hohen Alter: Ernst Zacharias (rechts) im Alter von 87 Jahren in der Werkstatt des Orgelbauers Thomas Sauerzapf. Foto: Alfred Thiele/Privat

Der Ingenieur und Entwickler Ernst Zacharias wäre an diesem Freitag 100 Jahre alt geworden. Er war Jahrzehnte lang für die Firma Hohner tätig und weit über die Grenzen Trossingens hinaus bekannt.

In der Entwicklung von elektronischen und elektromechanischen Musikinstrumenten – einst eine Stärke der Hohner AG – spielte Zacharias eine herausragende Rolle. Seine wichtigste und kommerziell erfolgreichste Erfindung war in den 1960er Jahren das Clavinet D 6, mit seinem unverwechselbaren Sound von vielen Weltstars gespielt; heute noch zum Beispiel von Stevie Wonder. Der von Technik und Musik begeisterte Zacharias wurde von manchen der „Daniel Düsentrieb“ der Firma Hohner genannt, was durchaus respektvoll gemeint war.

 

Ein kreativer Kopf

Im Trossinger Jahrbuch 2009 würdigte Journalist Alfred Thiele das Schaffen von Ernst Zacharias unter der Überschrift „Einer der kreativsten Köpfe bei Hohner“. Damals bekannte der 35 Jahre in der „Firma“ tätige Ingenieur: „Die Arbeit hat mich vollkommen erfüllt und hat mir große Freude bereitet. Schon am Sonntag habe ich mich darauf gefreut, am Montag wieder in die Fabrik zu gehen, um weiter forschen und tüfteln zu können.“

Aubildung als Akustiker

Der Weg zum genialen Erfinder war für Ernst Zacharias jedoch nicht einfach. Nach Volks- und Mittelschulzeit in seiner Heimat Neumünster (Schleswig-Holstein) wurde der junge Mann, geboren am 21. Juni 1924, noch zum Kriegsdienst einberufen. Diesen überstand er als Flak-Helfer bei der Luftwaffe unbeschadet. Von 1947 bis 1951konnte er seine Ausbildung zum Akustiker fortsetzen und besuchte die staatliche Ingenieurschule in Kiel.

Bei der Deutschen Bundespost, wo er in den frühen 1950ern beschäftigt war, legte er die Technische Prüfung als Fernmelde-Ingenieur ab. Damals, 1953/54, gab es schon erste Kontakte mit und freies Mitarbeiten in der Matth. Hohner AG. Sein endgültiges Überwechseln nach Trossingen ist mit einer Anekdote verknüpft, wie sein Sohn Volker Zacharias erzählt: Nach einer Phase freier Mitarbeit bei Hohner habe sich der Vater beim damaligen Chefentwickler, Ingenieur Dr. Paul Dorner, verabschiedet. Er fahre jetzt zurück zu Frau und Kind nach Schleswig-Holstein. Um wieder zu kommen, fehle ihm das Geld.

Mit 100 Euro geködert

Darauf habe Dr. Dorner 100 D-Mark aus der Tasche gezogen und ihm mit den Worten gegeben: „Sie kommen aber auch wirklich wieder.“ So geschah es. Die junge Familie Zacharias zog ihm Herbst 1954 nach Trossingen. Ehefrau Ruth und Töchterchen Karen hatten den Wechsel vom hohen Norden auf die Baar zu vollziehen. Die weiteren Kinder Martina, Volker und Anja wurden dann in Trossingen geboren. Den größten kommerziellen Erfolg, den modernen Sound im Bereich des Pop und Soul mitprägend, erzielte das Hohner Clavinet, ein Keyboard mit Saiten und elektroakustischer Tonerzeugung. Sein charakteristischer Klang ist beispielsweise in Stevie Wonders Welthit „Superstition“ gut herauszuhören. Selbstverständlich freute sich Zacharias über diesen Erfolg ungemein, auch wenn seine musikalischen Präferenzen eher bei Klassik und E-Musik lagen.

Beruflich erfolgreich und etabliert

„Er war immer mit seinen Ideen beschäftigt“ meint Sohn Volker. Über seine Festanstellung von 1954 bis 1989 hinaus, arbeitete Zacharias als rüstiger Rentner, als „Freier“, Anfang / Mitte der 1990er Jahre nochmals für Hohner. Damals erregte er mit der Erfindung der Hohner-Claviola noch einmal Aufsehen. Ausgestattet mit Harmonika-Stimmzungen, handelte es sich um ein besonderes Instrument: eine Tastenflöte mit „Panflöten-Effekt“ durch röhrenförmige Luftsäulen. Die Claviola fand nach der Markteinführung zunächst besten Anklang, konnte sich in der Praxis wegen großer Temperaturanfälligkeit aber nicht bewähren.

Kontakt mit Weltstars

Seine Arbeit brachte Ernst Zacharias in Kontakt mit Weltstars wie dem Pianisten Friedrich Gulda, der partout das Clavinet-Exemplar aus Zacharias‘ Labor wollte und natürlich auch erhielt. Bekannt und beliebt war der umgängliche Mensch auch im Privatleben. Zusammen mit seiner Ehefrau sang er lange Jahre in der Kantorei.

Sein gutes Klavierspiel hatte er sich selbst beigebracht. Er liebte die Musik, insbesondere das Werk Johann-Sebastian Bachs, konnte sich aber auch für Jazz und Swing begeistern. Ernst Zacharias ist kurz nach seinem 96. Lebensjahr im Sommer 2020 friedlich eingeschlafen. Sein guter Ruf und sein Werk leben weiter.

Gedenkfeier am 7. Juli

Zu Ehren des Konstrukteurs Ernst Zacharias präsentiert das Deutsche Harmonikamuseum am Sonntag, den 7. Juli eine klangvolle Mischung: Einer kleinen Gedenkfeier mit geladenen Gästen schließt sich ab 13.30 Uhr, also zur regulären Öffnungszeit, ein Vorführbetrieb mit musikelektronischen Instrumenten an, in erster Linie Erfindungen des Tüftlers Ernst Zacharias. Fachpersonal sorgt an diesem Tag für einige akustische Überraschungen, etwa mit den Klängen der Electra-Melodica.

Abschließender Höhepunkt dieses „Musiktages“ im Museum wird ein schwungvolles Live-Konzert im Foyer sein, das vom bekannten Pianisten Michael Te Kaeth und einigen Mitstreitern präsentiert – und von den Ehrenamtlichen des Museums durch Getränkebewirtung begleitet werden wird.