Stuttgarts Regierungspräsident Johannes Schmalzl Foto:  

Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP) im Interview über Perspektiven und Vertrauen.

Stuttgart - Seit  Wochen diskutiert Grün-Rot darüber,  ob und wann die Regierungspräsidenten von Gnaden der alten Regierung abgelöst werden sollen. Der Stuttgarter Johannes Schmalzl (FDP) spürt trotzdem genug Vertrauen und sucht  keine neue Berufung.

Herr Schmalzl, ich bin froh, dass ich Sie antreffe, schließlich haben wir uns schon vor zwei Tagen verabredet, und es gibt täglich neue Schlagzeilen über den Verbleib der Regierungspräsidenten im Amt oder deren Absetzung. Haben Sie die heutigen gelesen?
Ja, natürlich. Ich freue mich, wenn ich die Vorgaben der Landesregierung weiterhin umsetzen kann. Es ist eine Tätigkeit, die mir viel Freude macht.

Ministerpräsident Kretschmann hat sinngemäß gesagt, er hätte Sie gleich nach der Landtagswahl in den einstweiligen Ruhestand versetzen sollen. Wie fühlt sich das an?
Ich habe das sportlich genommen. Jeder von uns ist politischer Beamter und wusste, auf was er sich einlässt. Die Amtschefs der Ministerien sind quasi die Denkfabriken eines Ministers. Dort wird Politik gemacht. Wir unterscheiden uns davon, wir sind Verwaltungschefs und vollziehen die Vorgaben der Landesregierung. Aber nach dem Beamtenstatusgesetz sind wir politische Beamte. Von daher hätte ich das zu akzeptieren, wenn der Ministerpräsident die Regierungspräsidenten austauschen möchte.

Ist dieses Gesetz sinnvoll?
Das habe ich nicht zu hinterfragen. Wenn ich sage, dass ich keine Politik mache, bezieht sich das auch auf die Gesetzesgrundlage.

Vergangenen Freitag hieß es, Sie dürften bleiben. Dann gelten Sie wieder als unerwünscht. Was halten Sie von diesem Hin und Her?
Ich habe ein Ergebnis zu akzeptieren, dass der Ministerpräsident entscheidet. Der Ministerpräsident hat nichts anderes getan, als auf die Rechtslage hinzuweisen. Seine Entscheidung war dann das Ergebnis seiner Politik des Gehörtwerdens. Das habe ich als sehr wohltuend empfunden.

Wie gehen ihre Mitarbeiter mit der Debatte um?
Sie freuen sich, dass ich bleibe. Bei diesem Riesenladen mit bis zu 5000 Aufgaben in 67 Fachreferaten und Sonderbehörden unter einem Dach, die zum Teil landesweit zuständig sind, habe ich drei Jahre gebraucht, bis ich alle Aufgaben halbwegs erschnuppert und zum Teil selbst praktiziert habe. Von daher ist Kontinuität an der Spitze etwas sehr Wichtiges.

Ist die Debatte nicht trotzdem ein Wechselbad der Gefühle für Sie?
Über meine Gefühle rede ich nicht, dafür werde ich auch nicht bezahlt.

Kretschmann hat nicht gesagt, bis wann Sie bleiben können. Wissen Sie mehr?
Die Regierungspräsidenten können nur erfolgreich arbeiten, wenn sie dauerhaft das Vertrauen des Ministerpräsidenten haben. Ich freue mich, dass ich dieses habe.

Fühlen Sie sich in Ihrem Ansehen beschädigt?
Nein. Ich fühle mich eher berührt, wenn fast jeder Bürgermeister aus dem Regierungsbezirk Stuttgart dem Ministerpräsidenten nur Lob schreibt, obwohl man als Regierungspräsident doch auch unangenehme Entscheidungen vertritt. Es gab übrigens auch keine Dienstbesprechungen mit der Landesregierung im letzten Jahr, bei denen wir Kritik erfahren haben.

Haben Sie diesen starken Rückhalt erwartet?
Ich bin viel unterwegs, mehr draußen als im Büro. Da investiert man viel Zeit, oft auch an den Wochenenden, um Probleme zu lösen, die die Menschen im Regierungsbezirk umtreiben. Das ist auch der Erfolg meiner Mitarbeiter und letztlich auch der Landesregierung. Diese Bürgernähe ist mir zentral wichtig, auch wenn es mitunter sehr aufwendig ist.

Können Sie den Bürgermeistern künftig überhaupt noch etwas abschlagen, wenn die etwa Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt wollen?
Das hat keinerlei Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wir werden weiterhin nach strengen Kriterien die kommunalen Haushalte genehmigen – damit Gemeinderäte auch künftig Gestaltungsmöglichkeiten haben und konsequent Recht und Gesetz anwenden.

Geht es zumindest bei den Landkreisen nicht auch um eine Allianz gegen die Gelüste in Teilen der Landesregierung, sowohl Regierungspräsidien als auch Landkreise zugunsten von zwölf neuen Regionalkreisen aufzulösen?
Das sind Spekulationen, da müssen Sie die Landräte fragen. Über Verwaltungsstrukturen kann man immer nachdenken, man würde eher einen Fehler machen, sie nicht immer wieder mal auf den Prüfstand zu stellen. Der Regierungsbezirk Stuttgart ist aber von der Einwohnerzahl her größer als neun von 16 Bundesländern. Wenn man jetzt rangeht und die Regierungspräsidien abschaffen möchte, muss man eigentlich auch sagen, warum man neun Bundesländer, die kleiner sind als bei uns im Land ein Regierungsbezirk, bestehen lässt. Die Verantwortung ist hier riesengroß, wir bekommen jeden Tag neue Aufgaben vorwiegend aus Berlin und Brüssel, die irgendwo erledigt werden müssen. Die Verwaltung wurde ja 2005 verändert, seitdem sind wir so etwas wie das Bürgerbüro der Landesregierung. Wenn Sie ein altes Bauernhaus sanieren, hatten Sie es früher mit vier, fünf Ämtern zu tun. Heute haben Sie nur noch einen Ansprechpartner.

"Ich bin nicht als Politiker in dieses Amt gekommen"

Grün-Rot geht – Zitat Kretschmann aus seiner Pressemitteilung – davon aus, dass Sie loyal und konstruktiv eine qualitativ gute Arbeit leisten und die Ziele und Vorhaben der Landesregierung nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen und umsetzen. Klingt das nicht wie Misstrauen in Ihren Ohren?
Wenn Sie genau hinschauen, steht dort das Wort weiterhin. Daraus sehen Sie, dass gar kein Misstrauen vorliegt. Der Geist der Koalitionsvereinbarung hat bei mir im Regierungspräsidium schon am 27. März 2011 Einzug gehalten. Wir haben diese Vorgaben über die Gesetzeslage hinaus bei Zigtausend Einzelentscheidungen längst berücksichtigt. Letztendlich darf man das aber nicht überbewerten, wir machen zum größten Teil Sacharbeit nach Recht und Gesetz.

Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sagt, Loyalität reiche nicht, Sie müssten das Gesicht der Landesregierung im Regierungsbezirk sein. Wird der liberale Schmalzl ein Grüner?
Ich bin nicht als Politiker in dieses Amt gekommen, sondern als sogenannter Laufbahnbeamter. Natürlich bringen wir die politischen Ziele dieser Regierung in die Fläche. Das wollen wir aber in professionellen Verfahren bewerkstelligen. Wenn man das ehrgeizige Ziel hat, 1000 neue Windräder zu schaffen, dann müssen diese Verfahren in jedem Einzelfall Bestand haben. Wir müssen für unsere Entscheidungen vor dem Verwaltungsgericht hinstehen. Dass wir so gut wie keine Niederlagen einstecken, ist ein Gütesiegel. Ich werde deswegen aber nicht zu den Grünen übertreten, das erwartet von einem Beamten auch keiner.

Zu Ihrem Amtsantritt haben Sie uns am Beispiel der Neckarbrücke gesagt, dass Sie Infrastruktur nicht nur planen, sondern auch bauen wollen. Müssen Sie sich im Sinne der Grünen um 180 Grad wenden?
Ich will vorrangig Straßen sanieren und ausbauen. Das Kernproblem hier ist die chronische Unterfinanzierung. Ob und welche Straßen gebaut werden, entscheidet in Baden-Württemberg nicht die Verwaltung, sondern die Politik. Als die alte Landesre-gierung noch eine Vorplanung für eine Verbindung zwischen Ludwigsburg und Waiblingen und eine neue Neckarbrücke wollte, habe ich mich frühzeitig dafür ausgesprochen, dass es keinen Nordostring gibt, also keine autobahnähnliche Verbindung, sondern dass man allenfalls eine zweispurige Straße baut. Unsere meisten Projekte sind im Bereich Ausbau und Sanierung und nicht im Bereich des Neubaus. Da bräuchte ich in der Tat mehr Geld. Deshalb bin ich glücklich darüber, dass der Schwerpunkt künftig im Bereich des Erhalts liegt. Denn hier verfällt Landesvermögen.

Auf welchen Feldern konnten Sie die Ziele der Landesregierung schon unterstützen?
Die Schwerpunkte sind klar benannt: Bildungspolitik und Energiewende. Und das Thema Bürgerbeteiligung wird bei uns gelebt: Wir stellen jedem die Pläne persönlich zur Verfügung. Wir machen immer Erörterungstermine vor Ort.Wir hätten viele Dinge nach der Gesetzeslage gar nicht machen müssen, sondern machen es, weil wir es für sinnvoll halten und die Menschen mit ihren Sorgen ernst nehmen. Der Vorsitzende der Nordostring-Gegner hat von mir persönlich die Pläne zur Neckarbrücke gemailt bekommen. Wir wollen niemand über den Tisch ziehen, sondern in guter, transparenter Weise Planungsvorhaben voranbringen. Wir sind zuständig für bis zu 50 000 Lehrer. Die Schulstruktur verändert sich schnell: Das galt bei der alten Regierung mit der Werkrealschule, das gilt jetzt mit der Gemeinschaftsschule. Wir müssen die Vorgaben mit dem notwendigen Vorlauf umsetzen, müssen genügend Lehrer vorhalten, den Schulbau über die Schulbauförderung anpassen.

Im September haben Sie sich mit einer E-Mail die Ernennung zum Generalbundesanwalt verbaut. Sie stellten Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg in den Senkel, weil er Ihnen die Qualifikation absprach. Bedauern Sie dies heute?
Ich bedauere diese E-Mail zutiefst. Sie war ein Fehler. Aber im Horoskop des Stiers steht, dass er irgendwann mal aufschreit, wenn man ihn zu sehr reizt. Ich habe mich dort nicht beworben, ich wurde gefragt, ob ich dieses Amt übernehmen möchte. Ich war zehn Jahre in verschiedenen Funktionen beim Justizministerium. Ich hätte diese Aufgabe gerne übernommen und meine Erfahrungen im Bereich des Extremismus und Terrorismus eingebracht. Im Übrigen habe ich mich gegen den Rat meiner Frau bereiterklärt, die im Hinblick auf die Sicherheit der Familie enorme Bedenken hatte. Im Nachhinein bin ich glücklich, wie es gekommen ist.

Statt eines stattlichen Karrieresprungs drohen Sie nun bald mit dem goldenen Spazierstock, wie die Ruhestandsbezüge auch genannt werden, durch die Berge zu wandern. Ist das eine Perspektive mit 46 Jahren?
Einen Karrieresprung kann ich nicht erkennen. Ich hätte ein Amt übernommen, dasnahezu genauso bezahlt wird. Aber es wäre auch ein Verlust an Lebensqualität gewesen, nach Karlsruhe umziehen und die Sicherheitsanforderungen in Kauf nehmen zu müssen.

Aber Spazieren gehört doch zu Ihren Hobbys?
Aber nicht mit einem goldenen Spazierstock.

Haben Sie sich dieser Tage schon mit einer anderen Berufung befasst?
An keinem Tag.

Oder warten Sie ab und hoffen auf die nächste Landtagswahl und eine mögliche Rückkehr der Wähler zu Schwarz-Gelb?
Ich möchte gerne dieses Land in meinem Zuständigkeitsbereich weiterentwickeln – entsprechend den jeweiligen politischen Vorgaben. Ich habe überhaupt kein Problem mit den Vorgaben der jetzigen Landesregierung, in keinem Bereich.