Amy Gutmann, hier bei einem Empfang in der New Yorker Oper Met. Foto: AFP/Dia Diaspul

Trumps deutscher Botschafter Richard Grenell war mehr Lautsprecher aus Diplomat. Joe Biden schickt erstmals eine Frau nach Berlin: Amy Gutmann, Präsidentin einer Elitehochschule in Pennsylvania.

Washington/Berlin - Hätte ihr Vater 1934 nicht zur Flucht aus Deutschland gedrängt, hätte wahrscheinlich keiner aus seiner Familie den Holocaust überlebt. „Die ganze Familie wäre von dieser Erde verschwunden, hätte er nicht getan, was er tat“, wird Amy Gutmann vom „Daily Pennsylvanian“ zitiert, dem Studentenmagazin der University of Pennsylvania.

Dessen Redakteuren hat sie vor acht Jahren erzählt, worauf der Entschluss ihres Vaters beruhte. Kurt Gutmann studierte an einer Hochschule in Nürnberg und wohnte bei Gasteltern, mit denen er sich recht gut verstand. Eines Tages sah er, wie auch die vermeintlichen Freunde bei einem Aufmarsch der Hitlerjugend am Straßenrand standen und salutierten. „Wenn selbst ihr so etwas tut, worauf steuert dieses Land dann zu?“, gab seine Tochter wieder, was ihm schwante.

Die Familie floh vor dem Holocaust

Damals Anfang zwanzig, der Jüngste in seiner Familie, machte er seinen Eltern und den vier Geschwistern klar, dass man Deutschland schnellstens verlassen müsse. Die Odyssee führte zunächst nach Indien, bevor man, Jahre später, in die USA übersiedelte.

Nun kehrt Amy Gutmann, 1949 in New York geboren, aller Voraussicht nach zurück in das Land, aus dem ihr Vater fliehen musste. Joe Biden will sie als Botschafterin nominieren und damit einen Posten besetzen, der seit über zwölf Monaten vakant ist. Wird sie vom Senat bestätigt, folgt sie auf Richard Grenell, einen Diplomaten, der in erster Linie durch undiplomatische Belehrungen auffiel und sich gerade deshalb bei Donald Trump höchster Wertschätzung erfreute.

Biden setzt wieder auf die transatlantische Allianz

Hatte Trump mit dem umstrittenen Botschafter Richard Grenellin Deutschland eher einen Konkurrenten gesehen als einen Verbündeten, so stellt Biden den Wert der transatlantischen Allianz heraus und betont die Rolle der Bundesrepublik, in seinen Augen der europäische Schlüsselpartner. Zum inhaltlichen Kontrast passt die Berufung Gutmanns, die im Übrigen die erste Frau an der Spitze der US-Vertretung am Brandenburger Tor wäre.

Die 71-Jährige kann als eine Symbolfigur jener weltoffenen, politisch zu den Demokraten tendierenden Ostküstenelite gelten, deren Überzeugungen Trump sein populistisches „America First“ entgegensetzte. Nach dem Studium, erst Radcliffe College in Massachusetts, dann London School of Economics, schrieb sie in Harvard ihre Doktorarbeit.

1976 fing die Politikwissenschaftlerin in Princeton an, wo sie 2001 zur Vize-Rektorin befördert wurde. 2004 übernahm sie die Leitung der University of Pennsylvania, wie Harvard und Princeton Teil der illustren Ivy League. Zu den Absolventen gehören der Milliarden-Investor Warren Buffett, Unternehmer wie Elon Musk und Steve Wynn, die Spitzenanwältin Gloria Allred, der Sänger John Legend – und Donald Trump.