Jochen Hägele bei der Filmpremiere in Berlin vergangenen Dienstag. Foto: IMAGO/Future Image/IMAGO/Christian Behring

Neu im Kino: Der Deutsch-Franzose Jochen Hägele spielt in der Komödie „Monsieur Claude und sein großes Fest“, der diesen Donnerstag startet, einen Kunstsammler auf Frauenfang. Im Interview spricht er über seine Rolle und seine eigene kulturelle Identität.

Schauspieler Jochen Hägele wurde 1975 in Stuttgart geboren und ist in Frankreich aufgewachsen. In „Monsieur Claude und sein großes Fest“, der an diesem Donnerstag in den Kinos startet, spielt der 47-Jährige den deutschen Kunstsammler Helmut Schäfer. Wir sprachen mit ihm über die Komödie, seine Karriere und seine deutsch-französische Identität.

Herr Hägele, Ihr Bekanntheitsgrad steht nicht im Verhältnis zu den über 60 deutschen, französischen und internationalen Produktionen, die Sie mitgeprägt haben. Sind Sie publicityscheu?

„Scheu“, weiß ich nicht. Ich bin nicht unbedingt begabt dafür. Ich habe ein paar Sachen in Deutschland gemacht, unter anderem habe ich vor ein paar Jahren eine große Rolle in einem sehr gelungenen „Tatort“ (Anm. d. Red.: „Borowski und das dunkle Netz“) mit Axel Milberg gespielt. Den haben natürlich auch ein paar Leute gesehen, wie das beim „Tatort“ üblich ist. Danach habe ich noch ein paar andere Sachen in Deutschland gemacht, aber dann coronabedingt lange nichts. Es ist mein großer Wunsch, dass sich da jetzt wieder ein bisschen mehr tut. Ich drehe internationale Produktionen in Italien und Spanien und auch viel auf Englisch, aber ab und zu wieder in Deutschland zu drehen wäre echt schön.

In „Monsieur Claude und sein großes Fest“ spielen Sie einen renommierten deutschen Kunstsammler, der es auf ein Familienmitglied abgesehen hat. Wie haben Sie sich als der Neue im eingespielten Ensemble gefühlt?

Sehr gut, weil ich unheimlich gut aufgenommen wurde. Es ist natürlich schon ein eingeschworenes Team. Regisseur Philippe de Chauveron sagte zu mir: „Pass mal auf, der Christian Clavier kann schwierig sein. Wenn er dich nicht mag oder dich nicht gut findet, wirst du das relativ schnell merken.“ Ich bin in Frankreich aufgewachsen, und Christian Clavier ist für mich als Schauspieler in Komödien, die ich als Kind gesehen habe, eine Kultfigur. Jetzt hat man diesen tollen Spielpartner, und wenn es nicht hinhaut, dann ist das Scheiße. Es hat aber auf Anhieb zwischen uns gefunkt. Wir haben unheimlich viel Spaß miteinander gehabt. Es lief ganz toll, und das Team war supernett.

Ist die Komödie für Sie neues Terrain?

Komödien sind bis jetzt eher selten gewesen, ja. Da gibt es den Vulkanfilm „Eyjafjallajökull“ und einen französischen Film namens „Der Aufstieg“, da war ich ein deutscher Bergsteiger im Himalaja. Letztes Jahr habe ich allerdings nur Komödie gemacht, Monsieur Claude und die dritte Staffel von „Family Business“ (Anm.: dt.: „Joint Venture“) für das französische Netflix. Ich habe aber früher am Theater Komödien gespielt. Gerade, wenn man im Theater französische Komödien spielt wie Molière und Vaudeville-Sachen, hat man diesen bestimmten Rhythmus, den man dafür braucht, schon irgendwie drin. Den beherrscht Christian Clavier natürlich auch sehr gut. Deshalb hat das mit ihm ganz toll geklappt.

Sie sind schon als Kleinkind nach Frankreich gekommen. Hatte es mit einem Jobwechsel der Eltern zu tun?

Ja, das hatte es. Mein Vater hat bei der Porsche AG in Stuttgart gearbeitet. Meine Filmfigur Helmut Schäfer fährt ja auch sehr gern Porsche, da gibt es so eine kleine Verbindung. Mein Vater wurde dann nach Frankreich versetzt, anfangs nur für ein paar Jahre. Und na ja, jetzt bin ich immer noch hier.

Sie leben in Frankreich. Haben Sie auch noch einen Koffer in Berlin?

Ja, habe ich. Ich versuche schon, des Öfteren nach Deutschland zu kommen. Meine Mutter ist nach Deutschland zurückgekehrt, die wohnt in Baden-Baden. Und Familie in München habe ich auch noch. In Stuttgart aber nicht, Stuttgart ist vorbei. (Lacht)

Kämpfen zwei Herzen in Ihrer Brust, ein deutsches und ein französisches?

Nein. Ich würde mich als Europäer definieren. In einem klassischen Sinn, ich meine nicht unbedingt das Europa, das in Brüssel gemacht wird, sondern das Europa der Kulturen. Ich bin als Deutscher in Frankreich aufgewachsen und fühle mich in beiden Ländern wohl, aber trotzdem nie ganz zu Hause. Das ist ein bisschen merkwürdig. Viele Leute sagen: „Hey, du bist seit deinem zweiten Lebensjahr in Frankreich. Du bist mit einer Französin verheiratet. Du bist Franzose!“ Das stimmt leider so nicht. Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem man meinen Namen nicht aussprechen kann. Das macht einen Unterschied. Es gibt viele Sachen an Frankreich, die ich sehr liebe. Ich fühle mich dort auch unheimlich wohl. Aber ich denke schon, dass ich ein Ausländer geblieben bin.

Haben Sie manchmal Zweifel, ob man mit dem Beruf des Schauspielers etwas Signifikantes zur Gesellschaft beiträgt?

Nein, Zweifel würde ich nicht sagen. Ich glaube, man tut das, aber nicht unbedingt jedes Mal. Es gibt auch Sachen, die nur Entertainment sind. Das ist auch schön, der Mensch braucht das. Es ist nicht schlecht, wenn man Leute „nur“ zum Lachen oder Weinen bringen kann. Das ist sehr wichtig. Wenn der Zuschauer hinterher ins Überlegen kommt, hat man etwas bewirkt. Monsieur Claude ist ein interessantes Beispiel dafür. Das ist nicht der Film, bei dem man denken würde: „Das ist Kunst, die die Welt verändert!“ Man kann danach aber schon nachdenken und sagen: „Dieser Monsieur Claude, über den ich so gelacht habe, ist das nicht jemand, den ich sehr gut kenne? Trage ich nicht auch irgendwo in mir einen Monsieur Claude? Wie stehe ich denn zu diesen Leuten mit Migrationshintergrund?“ Deshalb denke ich auch, dass Komödien diese Rolle spielen können und wichtig sind.

Infos und weitere Filmstarts

Jochen Hägele
Geboren 1975 in Stuttgart zog er zur darstellerischen Ausbildung nach Paris, wo er bis heute lebt. Nach einem Karrierestart am Theater entdeckten TV- und Kinoregisseure die Qualitäten des dreisprachigen Künstlers.

Monsieur Claude und sein großes Fest

Die Komödie um den multikulturellen Vater-Schwiegersöhne-Konflikt geht in die dritte Runde.  Frankreich, Regie: Philippe de Chauveron. Mit Christian Vlavier, Chantal, Lauby, Élodie Fontan.

Men – Was dich sucht, wird dich finden
Nach dem Tod ihres Mannes zieht Harper aufs Land. Doch zu ihrer Trauer kommen Übergriffe hinzu. Psycho-Horror. Großbritannien. Regie: Alex Garland. Mit Jessie Buckley, Rory Kinear, Paapa Essiedu.