Im Bewerbungsgespräch will jeder im besten Licht erscheinen. Dick aufzutragen ist deshalb durchaus legitim. Doch die Grenzen zum Betrug sind mitunter fließend.
Nürnberg - „Ihre Unterlagen haben unser Interesse geweckt. Wir möchten Sie gerne kennenlernen.“ Mit der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sind Bewerber dem neuen Job ein Stück nähergekommen. Doch nun gilt es, bei dem Termin den guten Eindruck zu bestätigen. „Eine gründliche Vorbereitung ist das A und O“, betont Frauke Wille von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Zunächst sollte man sich über seinen potenziellen künftigen Arbeitgeber genau informieren: Produktionsspektrum, Branche, Mitarbeiterzahl, die wichtigsten Fakten zur Unternehmensgeschichte – diese Aspekte sollten Bewerber parat haben, rät Wille. Natürlich sollte man auch seinen eigenen Lebenslauf flüssig referieren können. Und passende Antworten auf Standardfragen nach dem Grund der Bewerbung und den persönlichen Stärken und Schwächen sollte man sich ebenfalls überlegt haben.
Doch wie dick kann und sollte man auftragen, um den Job auch wirklich zu bekommen? Verschiedenen Studien zufolge nehmen es 90 Prozent der Bewerber im Vorstellungsgespräch mit der Wahrheit nicht allzu genau und versuchen, vermeintlich erwünschte Antworten zu geben und dabei vielleicht sogar die eigenen Qualifikationen zu erhöhen. Für Interviewer ist dieses als „Faking“ bezeichnete Verhalten nur schwer zu erkennen. Und die Methode ist durchaus erfolgreich, zeigt eine aktuelle Studie von Psychologen der Universität Ulm, die im „Journal of Business and Psychology“ erschienen ist. „Tatsächlich sind Bewerber besser beurteilt worden, wenn sie Faking einsetzten“, sagt Wirtschaftspsychologin Anne-Kathrin Bühl, unter deren Federführung die Studie entstanden ist.
Wer gut tricksen kann, ist meist auch intelligent
Was den Bewerbern Vorteile gegenüber vollständig ehrlichen Mitbewerbern verschafft, muss jedoch nicht unbedingt zum Nachteil des Unternehmens sein, das den Bewerber auf Grundlage zu dicken Auftragens im Bewerbungsgespräch einstellt. Denn solche Bewerber sind meistens auch ziemlich intelligent und leistungsfähig, so Bühl: „Faking erfordert ein hohes Ausmaß an kognitiven Fähigkeiten: Bewerber müssen blitzschnell die Ziele des Interviewers erkennen und eine Antwort formulieren, die zum bisherigen Wissen des Gesprächspartners über ihre Person passt.“ Bewerber, die Faking einsetzen, sind also grundsätzlich nicht unbedingt die schlechteste Wahl.
Die Grenzen zwischen bloßer Aufschneiderei und bewusstem Betrug sind jedoch fließend. Experten zufolge ist es allgemein üblich, die eigenen Erfolge um etwa zehn Prozent besser darzustellen, als sie wirklich waren, und auch beim letzten Gehalt ein wenig zu übertreiben. Doch nicht vorhandene Fähigkeiten einfach zu erfinden, weil sie in der Stellenbeschreibung gefordert waren, oder gar Zeugnisse und andere Dokumente zu manipulieren, kann juristisch geahndet werden. „Lügen fallen einem früher oder später auf die Füße“, sagt Thomas Hoffmann, Director North bei der Personalberatung Robert Half, „spätestens, wenn die vorgegaukelte Erfahrung und das Fachwissen im neuen Job benötigt werden.“
Falsche Angaben können sich rächen
Wird der Arbeitgeber durch Unwahrheiten derart getäuscht, dass er beim Unterschreiben des Arbeitsvertrags von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, kann er selbigen auch Jahre später noch anfechten, eventuell fristlos kündigen und sogar die gezahlten Gehälter zurückfordern. Zeugnisse zu manipulieren ist sogar ein Straftatbestand: Es handelt sich nämlich um Urkundenfälschung. Und wenn man sich beispielsweise auf diese Weise in eine höhere Gehaltsgruppe geschummelt hat, droht sogar eine Anzeige wegen Betrugs. Auf lange Sicht würden sich Arbeitnehmer mit falschen Angaben im Lebenslauf ohnehin selbst schaden, sagt Personalexperte Hoffmann. „Wer eine Stelle nur bekommt, weil bei den eigenen Kompetenzen übertrieben wurde, wird dort nur schwerlich glücklich werden.“
Als Beleg der Angaben im Lebenslauf sollten der Bewerbung alle Arbeitszeugnisse beiliegen – auch jene, die vielleicht nicht so toll sind. Eine Auswahl zu treffen, ist nicht wirklich ratsam – die Lücken fallen nämlich ohnehin auf und sorgen nur für kritische Nachfragen und unangenehme Situationen im Bewerbungsgespräch. Neben den Arbeitszeugnissen gehören auch das Zeugnis über den höchsten Bildungsabschluss sowie Zertifikate über relevante Fortbildungen und andere Arbeitsbelege mit in die Bewerbungsmappe.
Lieber ein paar Minuten zu früh
Wichtig bei einem Bewerbungsgespräch ist es natürlich auch, pünktlich und angemessen gekleidet zum Termin zu erscheinen – denn wer zu spät kommt, hat gleich einen Maluspunkt gesammelt. Ideal sei, ein paar Minuten zu früh zu kommen, rät Steffen Kirchner, Motivationstrainer aus München. Wer sehr aufgeregt ist, kann dann eine Entspannungsübung machen. „Drei Sekunden einatmen, drei Sekunden halten und sechs Sekunden ausatmen“, erklärt der Coach. Das beruhige den Körper. Geht das Gespräch dem Ende entgegen, dürfen und sollten Bewerber nachfragen, bis wann sie mit einer Entscheidung rechnen können. Anschließend sollten sie sich für die Einladung bedanken. Das ist nicht nur höflich – es hinterlässt auch einen positiven Eindruck. Und beim Bewerbungsgespräch ist es nicht nur der erste Eindruck, der zählt – es ist das Gesamtbild, das den Ausschlag gibt.
Vorstellungsgepräch per Video
Dresscode Vorstellungsgespräche per Online-Videochat sparen Arbeitgebern und Bewerbern Zeit und Geld – Dienste wie Skype oder Google Hangouts machen es möglich. Große Unternehmen machen verstärkt davon Gebrauch. Dabei gilt es einiges zu beachten. So gilt online der gleiche Dresscode wie bei jedem Vorstellungsgespräch – im Jogginganzug sollte man sich also nicht vor den Monitor setzen.
Technik Ein besonderes Augenmerk sollten die Kandidaten zudem auf die richtige Kameraeinstellung legen: Licht von hinten macht den Bewerber zur Silhouette, von oben erzeugt es dunkle Augenringe, und von der Seite kann es theatralisch wirken. Am besten ist warmes Licht von vorne, das das Gesicht gleichmäßig ausleuchtet, ohne zu blenden oder Schatten zu werfen. Zudem sollte die Kamera möglichst auf Augenhöhe platziert werden. Der Blick leicht von unten wirkt unterwürfig, der Blick von oben eher arrogant. Daher sollten Bewerber die Kamera so einstellen, dass sie sich bei aufrechter Haltung in Augenhöhe befindet.