Im Kampf um eine autonome Betreuung von Arbeitslosen setzen die Kreise auf den Unionsfraktionschef im Bundestag
Bis Ende kommenden Jahres müssen die Zuständigkeiten für das Arbeitslosengeld II (Bund) und die Unterkunftszahlungen (Kommunen), für die Arbeitsvermittlung (Bund) und die Sozialbetreuung (Kommunen) also wieder entflochten werden. Begründung: Der Bürger muss klar erkennen, welche Ebene wofür verantwortlich ist.
Die Jobcenter, auch Arbeitsgemeinschaften (Argen) genannt, ließen sich allerdings flächendeckend erhalten, wenn man dies im Grundgesetz entsprechend regelte. Und eine solche Verfassungsänderung fordern denn auch eine ganze Reihe von Ländern. Zum Beispiel Rheinland-Pfalz. Dessen Regierungschef Kurt Beck (SPD) wirbt für das Modell des früheren Bundesarbeitsministers Olaf Scholz, das vorsah, die Dienstleitungen in einer Hand zu belassen.
Auch Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) hält dies für sinnvoll und warnt davor, Hartz-IV-Bezieher könnten ansonsten bei der Suche nach Hilfe zerrieben werden. "Dann beginnen zwei Behörden, so gut man sie auch koordiniert, miteinander in einen Wettbewerb zu treten", sagte er kürzlich, "einen Wettbewerb über die Frage, ist der eigentlich noch beschäftigungsfähig, dann zahlt die eine Behörde, oder ist er dauerhaft nicht mehr beschäftigungsfähig, dann zahlt die andere Instanz."
Doch die Union im Bundestag hat schon im Frühjahr ein "Weiter so" abgelehnt, weil nicht wenige Abgeordnete schlechte Erfahrungen mit der Kooperation gemacht haben. Folglich findet sich auch in der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung eine klare Absage an eine Verfassungsänderung. Dort heißt es: "Wir streben eine verfassungsfeste Lösung ohne Änderung des Grundgesetzes und ohne Änderung der Finanzbeziehungen an, die dazu beiträgt, dass Langzeitarbeitslosigkeit vermieden bzw. so schnell wie möglich überwunden wird."
Doch wie? Die neue Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat dazu nun Anfang Dezember ein Eckpunktepapier vorgelegt. Sein Tenor: Die Aufgaben der Bundesagentur und der Kommunen werden zwar klar getrennt, es soll auch zu keiner Finanzverschiebung zwischen den staatlichen Ebenen kommen. Gleichzeitig sollen beide Behörden jedoch im Sinn einer bürgerfreundlichen Hilfe aus einer Hand auf freiwilliger Ebene zusammenarbeiten - wenn möglich, sogar unter einem Dach.
Ob eine solch freiwillige Kooperation funktioniert, ist angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre allerdings fraglich. Denn häufig genug trauen sich Kommunen und Bundesagentur gegenseitig nicht über den Weg. Zwar hält Baden-Württembergs Amtskollegin Monika Stolz das Papier für eine "gute Diskussionsgrundlage", doch in der CDU-Landtagsfraktion sehen das keineswegs alle so. "Das kann nur funktionieren, wenn die handelnden Personen miteinander können", sagt etwa der Tuttlinger Landrat Guido Wolf. Ein ganzes System dürfe man auf diese Basis nicht bauen.
Am liebsten wäre den Landkreisen, wenn sie überhaupt keine Berührungspunkte mehr mit der Bundesagentur hätten und auch das Arbeitslosengeld II, das der Bund beisteuert, in eigener Regie auszahlen könnten. Doch dieses sogenannte Optionsmodell hat der Gesetzgeber auf gerade mal 69 Kreise beschränkt - fünf davon in Baden-Württemberg. "Wir halten das nach wie vor für die beste Lösung, alles andere wäre ein schlechter Kompromiss", sagt Eberhard Trumpp, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags.
Fünf der 35 Landkreise haben also die umfassende Kompetenz, und weitere 24 hätten sie gern, verweist Trumpp auf eine Umfrage seines Verbands. Lediglich drei Kreise sprächen sich ausdrücklich für eine Trennung von staatlichen und kommunalen Dienstleistungen aus. Doch Trumpp ist ebenso realistisch wie Wolf und bezweifelt, dass der Bundestag die Arbeitsagenturen entmachtet und die Landkreise aufwertet. Denn dies würde bedeuten, dass er Milliarden aus der Hand gibt - mit ungewissem Resultat. Über den Erfolg der Optionskreise bei der Betreuung von Arbeitslosen gibt es zwar wissenschaftliche Gutachten - doch die widersprechen sich ebenso wie ihre Auftraggeber.
"Immerhin hat die schwarz-gelbe Koalition zugesichert, die bisher 69 Optionskreise zeitlich zu entfristen", sagt Landrat Wolf. Das sei schon mal ein erster Erfolg. Ohnehin hat er die Hoffnung, dass einige weitere Kreise "optieren" dürfen, noch nicht ganz aufgegeben. Und diese Hoffnung heißt Volker Kauder. Denn der Unionsfraktionschef im Bundestag hat eine hohe Meinung von der Kompetenz der Landkreise: Schließlich war er selbst bis 1990 stellvertretender Landrat in Tuttlingen. Wolf: "Kauder weiß genau, was Option bedeutet, deshalb sehe ich noch eine gewisse Chance."
Auch der künftige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) befürwortet eine Stärkung der Kommunen. Selbst einige SPD-Bundestagsabgeordnete wie der Fraktionsvize Hubertus Heil haben sich in der Diskussion bereit gezeigt, die Zahl der Optionskommunen "moderat" zu erhöhen. Der Zug ist also noch nicht abgefahren. Allzu lange, so warnt allerdings Ministerin Stolz, darf sich dieses Kräftemessen nicht mehr hinziehen. Denn Ende 2010 ist Schluss.