Links die neue Ausgabe, rechts die aus dem Jahr 2015: Die von F. J. Tripp überspitzte Zeichnung Jim Knopfs lächelt heute ohne Pfeife und rote Lippen von Michael Endes Kinderbuch. Foto: Thienemann/Tripp

Nicht nur auf den Illustrationen tritt Jim Knopf verändert auf. Auch sonst hat sich einiges geändert in der Neuausgabe von Michael Endes Kinderbuchklassiker. Heute als diskriminierend empfundene Begriffe sind verschwunden.

Es gab viel Protest, als der Thienemann-Verlag 2013 Änderungen in den Kinderbüchern von Otfried Preußler ankündigte; diskriminierende Begriffe, wie sie zum Beispiel in der Faschingsszene der „Kleinen Hexe“ auftauchten, wollte der damalige Verleger Klaus Willberg aus den Büchern seines Verlags heraushalten. Politisch unkorrekte Begriffe wie das N-Wort wurden dem aktuellen Sprachgebrauch angepasst.

 

Auf die Höhe des Beschwerdestapels angesprochen, antwortet Willberg damals: „Ja, enorm. Ich habe sehr viele E-Mails bekommen, 99 Prozent davon sind Beschimpfungen und Beleidigungen. Das Idealbild vom freien künstlerischen Individuum ist in Deutschland dominant. Jeder Eingriff wird als Zensur empfunden.“

Stehen dem Verlag neue Proteste ins Haus?

Auch wenn der Sprachgebrauch ein Jahrzehnt später viel achtsamer ist, stehen dem Thienemann-Verlag und seiner Chefin Bärbel Dorweiler nun möglicherweise die nächsten Proteste ins Haus. Wie der Stuttgarter Verlag ankündigte, erscheinen an diesem Samstag Michael Endes Kinderbuch-Abenteuer um Jim Knopf in einer überarbeiteten Fassung. „Damit Kinder, die die Bücher jetzt lesen, diese sprachlichen Elemente nicht in ihren Alltagswortschatz übernehmen, haben Nachlass und Verlag nach reiflicher Überlegung entschieden, das N-Wort zu streichen und die stereotypen Beschreibungen zu reduzieren. Wir sind sicher, damit ganz im Sinne von Michael Ende, der bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war, zu handeln“, teilt der Verlag mit.

Ganz offensichtlich ist die Änderung auf dem Cover, denn auch die Zeichnung von Jim Knopf, so der Verlag, sei in Absprache mit dem Erben von Illustrator F. J. Tripp angepasst worden. Mit den roten Lippen Jim Knopfs, die ein kolonial geprägtes, rassistisches Stereotyp sehr überspitzt wiedergaben, wurde auch gleich die Tabakspfeife aus dem Mundwinkel des Jungen getilgt. Schmallippig, aber auch fröhlicher strahlt Jim Knopfs neues Lachen nun unter der blauen Lokführermütze.

Rassistische Stereotype verschwinden

Die textlichen Änderungen, die der Verlag in Abstimmung mit Michael Endes Erben auf insgesamt knapp hundert Seiten der beiden Bände „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ sowie „Jim Knopf und die Wilde 13“ vorgenommen hat, umfassen neben dem Begriff „Neger“, den Ende nur einer seiner Figuren in den Mund legte, auch heute als diskriminierend empfundene ethnische Zuschreibungen, „Eskimo“ oder „Indianer“ zum Beispiel. „Inuitkind“ und „Häuptlingssohn“ liest man nun. Auch werden Hautfarbe und Hygiene nicht mehr in Beziehung gesetzt. In der überarbeiteten Fassung findet es Jim Knopf ohne Angabe von Gründen überflüssig, sich zu waschen.

Überhaupt verzichtet die Neuausgabe prinzipiell auf die genaue Bezeichnung von Hautfarben, wenn sie nicht für die Handlung relevant sind. Auch klischeehafte Beschreibungen anderer Kulturen wurden überarbeitet. In Kauf genommen wurde dafür an einigen Stellen, dass die von Michael Ende evozierte Stimmung leidet. Dass sich Jim Knopf etwa in einem fremden Land in einer Menge ähnlich aussehender Menschen verloren fühlte, geht verloren, wenn es nun heißt: „Natürlich war es schön in Mandala. Aber er wollte doch lieber dahin, wo etwas weniger Leute waren.“

Werden die Werke verfälscht?

2015 hatte der damalige Thienemann-Verleger Klaus Willberg noch dafür plädiert, das N-Wort in Michael Endes Roman „Jim Knopf“ zu belassen und zitierte die entsprechende Textstelle zur Begründung: „Als die Bewohner Lummerlands rufen: ,Ein schwarzes Baby!‘, bemerkt Herr Ärmel: ,Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein.‘ Würde man das Wort Neger hier ersetzen, wäre der ganze Witz weg. Es gibt auch bei Michael Ende ideelle Erben, die darauf achten, dass seine Werke nicht verfälscht werden. Ganz abgesehen davon, dass wir daran auch gar kein Interesse haben.“

Zehn Jahre später ist die Aufmerksamkeit eine andere, und der Verlag wollte handeln, um Endes Klassiker von einer Generation zur nächsten zu befördern. Mit Herrn Ärmels neuer Antwort können Endes Fans sicherlich leben: „Das ist aber eine ganz ungewöhnliche Postsendung“, lautet nun seine Replik. Andere Änderungen sind dagegen schwerer in den von Michael Ende umrissenen Kosmos zu integrieren. Der Verzicht auf den Begriff „reinrassig“ etwa. Schließlich hinterfragt der Autor mit der Figur von Jim Knopf gerade eine vom NS-Regime beförderte Ideologie vom Recht des Stärkeren, die ja auch Ausgangspunkt für Rassismus war. So droht die Drachenstadt Kummerland, aus der Jim und Lukas Kinder befreien, nicht reinrassigen Besuchern mit der Todesstrafe.

1960, als „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erstmals erschien, war der NS-Terror noch nicht so weit weg. Michael Endes Botschaft bleibt auch in der neuen Fassung von 2024 klar lesbar: Am Ende sind Feindschaften überwunden und ist das kleine Lummerland so groß, dass es allen Menschen Platz bietet, um in Frieden zusammenzuleben.

Info

Buch
Michael Endes Kinderbücher „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ sowie „Jim Knopf und die Wilde 13“ erscheinen am 24. Februar 2024 im Stuttgarter Thienemann-Verlag in textlich überarbeiteten und kolorierten Neuausgaben. Die Ausgaben mit den ursprünglichen schwarz-weißen Original-Illustrationen von F.  J. Tripp sind unverändert lieferbar. Ihnen soll fortan ein einordnendes Nachwort folgen.

Autor
Michael Ende, 1929 in Garmisch geboren, schloss seine Schulausbildung 1948 an der Waldorfschule in Stuttgart ab, nachdem er kurz vor Kriegsende als 15-Jähriger desertiert war und sich zur Widerstandsorganisation Freiheitsaktion Bayern geschlagen hatte. Der Autor, der viele Jahre in Italien lebte, wurde durch Bücher wie „Momo“ (1973) und die „Unendliche Geschichte“ (1979) bekannt. Sie sind alle wie sein Debüt „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ (1960) im Stuttgarter Thienemann-Verlag erschienen. Ende starb 1995 in der Filderklinik.