Kurz nach der Verkündigung des Wahlergebnisses war Jens Keucher die Freude ins Gesicht geschrieben. Getrübt wurde diese durch die folgende Wahlanfechtung. Foto: Störzer

Die Verwunderung war am 17. November nicht nur beim designierten Sulzer Bürgermeister Jens Keucher groß. Das Wahlergebnis wurde angefochten – trotz über 60 Prozentpunkten Vorsprung. Droht nun gar eine Neuwahl?

Sulz - "Ich war schon sehr überrascht", erklärt Jens Keucher, Sieger mit über 72 Prozent der Stimmen bei der Bürgermeisterwahl am 6. November, als er von unserer Redaktion auf die Anfechtung des Wahlergebnisses angesprochen wird. Erfahren davon hat er erstmals in einer Gemeinderatssitzung.

"Hauptamtsleiter Hartmut Walter ist vor der Sitzung auf mich zugekommen und hat mir den Sachverhalt geschildert." Wenig später erfuhr die Öffentlichkeit davon.

Keine Angaben zu Person und Inhalt der Anfechtung

Der 42-Jährige hängt nun in der Luft – die Wahlprüfung ruht, wie Andrea Schmider, Pressereferentin beim Landratsamt, auf Anfrage mitteilt. Wie geht es weiter? "Das Verfahren sieht so aus, dass die Stadt Sulz um Stellungnahme zu den vorgetragenen Punkten gebeten wird. Danach wird über den Einspruch entschieden und ein Einspruchsbescheid ergehen." Zur Person und zum Inhalt der Anfechtung könnten keine Angaben gemacht werden, heißt es weiter.

Klar ist: Für eine Wahlanfechtung kommt nur ein begrenzter Personenkreis in Verdacht. Im Kommunalwahlgesetz von Baden-Württemberg ist nämlich geregelt, dass lediglich von jedem Wahlberechtigten und von jedem Bewerber Einspruch erhoben werden kann – und das binnen einer Woche nach der öffentlichen Bekanntmachung des Ergebnisses. Die Anfechtung erfolgte fristgerecht.

War der Neid zu groß?

War der Neid über den deutlichen Erfolg Keuchers bei den fünf Mitbewerbern Rene Hund, Dirk Konrad, Martin Sessler, Samuel Speitelsbach oder Frank Tschany zu groß? "Ich nehme den Wahleinspruch sportlich. Ich wehre mich nicht gegen die Rechtsmittel", erklärt Keucher. Natürlich sei er nicht begeistert, schließlich verzögere das Verfahren womöglich die Amtseinsetzung.

Eine Vakanz droht indessen nicht, wenn Gerd Hieber zum 1. Februar 2023 aus dem Amt des Sulzer Bürgermeisters ausscheidet. Die Antwort aus dem Landratsamt: "Stellvertretender Bürgermeister, Beigeordneter oder der neuer Bürgermeister können die Aufgaben übernehmen. Sollte eine Klage erhoben werden, kann ein Amtsverweser eingesetzt werden." Dieser würde die Aufgaben des Bürgermeisters übernehmen, ohne in den kommunalen Gremien stimmberechtigt zu sein.

Klage würde für weitere Verzögerung sorgen

Eine Klage? Genau, denn steht das Ergebnis der Anfechtungsprüfung der Stadt Sulz fest, kann gegen den Einspruchsbescheid binnen einen Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben werden. Für Keucher wäre das natürlich das Worst-Case-Szenario.

Bis wann die Prüfung der Anfechtung abgeschlossen ist, kann nicht terminlich eindeutig festgelegt werden. Keucher rechnet gar noch diese Woche damit, ist aber optimistisch: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich am Wahlergebnis nichts ändert." Inzwischen lerne er Sulz und sein Aufgabengebiet als Bürgermeister weiter kennen. "Ich bin so oft wie möglich bei Terminen mit Gerd Hieber und dem Ersten Beigeordneten dabei." Er befinde sich im Spagat zwischen Sulz und seinen Job als Ordnungsamtsleiter bei der Stadt Balingen.

Sulzer Bürger wundern sich

Auch die Sulzer Bürger wundern sich: "Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen. Viele können den Einspruch nicht verstehen." Der 42-Jährige vermutet: "Ich denke, dass man von Inhalt des Einspruchs auf die Person schließen kann."

Der Fall bleibt also weiter spannend. Sollte – wider erwarten – der Einspruch erfolgreich sein und die Bürgermeisterwahl für ungültig erklärt werden, hat laut Kommunalwahlgesetz der Gemeinderat die Aufgabe, "unverzüglich eine Wiederholungswahl anzuordnen". Das kann auch nur einzelne Wahlbezirke betreffen. Soweit will Jens Keucher aber gar nicht denken: "Ich wüsste nicht, wie ich Mitbewerber in ihren Rechten verletzt hätte." Und auch Andrea Schmider bekräftigt: "Eine Wahlanfechtung kommt sehr selten vor."

Bis zur Ergebnis-Verkündung sitzt Keucher also weiterhin auf heißen Kohlen. Aber wer weiß: Vielleicht legt ihm das Kommunalamt ja schon zu Weihnachten die Anerkennung des Wahlergebnisses unter den Christbaum.