Gut durch die Pandemie gekommen: Torsten Hub (von links), Vize-Präsident des Landgerichtes, Dietmar Foth, Präsident am Landgericht und Thomas Geiger, Vorsitzender Richter. Foto: Kupferschmidt

Diesel-Verfahren, Corona-Pandemie und Untreue von einem eigenen Gerichtsmitarbeiter – mit diesen Themenschwerpunkten hatte das Landgericht Rottweil im vergangenen Jahr zu kämpfen.

Kreis Rottweil - "Das konnten wir uns nicht vorstellen und wollten es auch nicht", sagt Dietmar Foth, Präsident am Landgericht Rottweil, beim Pressegespräch zum Rückblick auf das Jahr 2021 und das begonnene Jahr. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Landgerichtes hatte über mehrere Jahre hinweg Gelder in Höhe von rund 330 000 Euro veruntreut.

Torsten Hub ist seit dem 1. April Vize-Präsident des Landgerichtes, er kann bei den Mitarbeitern immer noch die "Fassungslosigkeit" aufgrund des "Vertrauensbruchs" spüren. Seitdem hat sich am Landgericht auch so manches verändert: "Wir haben die Kontrollen intern verstärkt und sind vorsichtiger geworden", so Foth. Trotzdem bemühe man sich, sich vertrauensvoll zu begegnen. Ebenfalls am Pressegespräch teilgenommen hat Thomas Geiger, Vorsitzender Richter.

Tragische Prozesse am Landgericht

Bewegt hat auch der Wellendinger Mordprozess. Ein 36-Jähriger wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er seine Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung mit einem Küchenmesser erstochen hatte. Diese hatte sich wenige Tage zuvor dazu entschieden, ihn endgültig zu verlassen.

In Trossingen hatte ein 50-Jähriger versucht, seine Mutter zu töten. Die Schwurgerichtskammer verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Diesel-Skandal macht 25 Prozent der Verfahren aus

Und was waren herausragende Fälle am Landgericht Rottweil? Mit Unmengen an Akten musste sich das Gericht in den sogenannten Diesel-Verfahren herumschlagen. Oftmals lägen 1500 Blättern vor, von denen lediglich eines für den Fall relevant ist, was es auszufiltern gilt, so Hub. Der Großteil der Klagen sei gegen die Hersteller der Fahrzeuge gerichtet. Es werde kritisiert, dass in die Motoren unzulässige Abschalteinrichtungen der Abgasanlage eingebaut worden sind. Derzeit machen diese Verfahren 25 Prozent der erstinstanzlichen Zivilverfahren am Landgericht Rottweil aus, erzählt Hub. Diese seien "etwas komplett anderes" als die sonstigen zivilrechtlichen Verfahren. Das Landgericht Rottweil sei allerdings optimistisch, dass diese bis Ende 2022 abgebaut seien.

Verfahren mussten wegen Corona verzögert werden

Durch die Pandemie sei das Landgericht Rottweil gut gekommen, so Foth. Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass sich jemand im Gericht angesteckt habe. Wenn allerdings Zeugen oder Angeklagte Symptome oder einen positiven Schnelltest hatten, kam es zu Verfahrensverzögerungen, so Geiger.

Im Landgericht spielen Corona-Verfahren keine große Rolle. Womit sich das Landgericht in diesem Zusammenhang auseinandersetzen muss, ist die Frage, ob ein Pflichtverteidiger in einem Prozess bestellt werden soll oder nicht. Vergangene Woche seien mit dieser Frage zehn Beschwerden von Montagsspaziergängern eingegangen. Außerdem eine Herausforderung für Gerichte: "Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, ob ein Sachverhalt verfassungswidrig ist, müssen wir uns mit den unterschiedlichen Corona-Regelungen auseinandersetzen." Das heißt, die Gerichte müssen prüfen, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Gegend welche Corona-Regeln veranlasst wurden.

Mehr Angeklagte leiden unter psychischer Erkrankung

Was außerdem in der vergangenen Zeit auffällig ist: In Prozessen kommt es immer wieder zu "schrägen Situationen", berichtet Hub. Sein subjektiver Eindruck sei es, dass mehr Angeklagte psychisch erkrankt seien. Thomas Geiger, Vorsitzender Richter kann dies bestätigen. Und das stellt das Gericht vor ein moralisches Dilemma. Wenn eine Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet wird, berichtet Geiger, dann sei das ein "massiverer Eingriff als im Gefängnis". Im Durchschnitt verbringen Patienten dort acht bis zehn Jahre. Der Vorteil einer Klinik sei, dass die Patienten in der Psychiatrie resozialisiert werden. "Wo sich das Gericht besonders schwertut ist, wenn ein Angeklagter keine große Straftat begangen hat, aber psychisch belastet ist", sagt der Vorsitzende Richter. Das Gericht müsse dann im Einzelfall abwägen, ob es eine Unterbringung veranlasst. Seit 2021 wurden sechs Angeklagte in einem psychiatrischen Krankenhaus eingewiesen.

Personelle Veränderungen am Landgericht

Es stehen am Landgericht Rottweil weitere personelle Veränderungen an. Nächste Woche wird Vorsitzender Richter Dirk Hornickel, der unter anderem die Kammer für Handelssachen führt, an das Landgericht Tübingen wechseln. Zum 1. Juli wird der langjährige Ausbildungsleiter für Rechtsreferendare, Vorsitzender Richter am Landgericht, Armin Zirn, in den Ruhestand treten. "Das Bewerbungsverfahren läuft", sagt Foth. Es besteht "die konkrete Chance", dass die Stellen schnell wieder besetzt werden können. Die Situation an Personalbedarf hat sich im Jahr 2021 geringfügig verbessert. Zuletzt waren 92 Prozent im richterlichen Bereich gedeckt.

Info: das Landgericht Rottweil

Zum Landesgerichtsbezirk Rottweil gehören neben dem Landgericht die Amtsgerichte Freudenstadt, Horb, Oberndorf, Rottweil, Spaichingen und Tuttlingen. Das Landgericht ist örtlich zuständig für die Landkreise Freudenstadt, Rottweil und Tuttlingen mit insgesamt circa 400 000 Einwohnern. Im Bezirk sind am Landgericht und den Amtsgerichten derzeit 45 Richter mit 40 Arbeitskraftanteilen (AKA) tätig. Auf das Landgericht Rottweil entfallen derzeit 17,3 AKA.