Mit Grafik - Die halbe Republik feiert Karneval, in der Hauptstadt haben die Narren dagegen einen schweren Stand. Es fehlt an Geld – und offenbar auch an der Wertschätzung der Politik.
Berlin - Von Köln bis Mainz regiert in diesen Wochen der Frohsinn, in Berlin herrscht dagegen die Tristesse. Zumindest unter den Jecken und Narren. Es ist Schluss mit Lustig! Der Karnevalszug über den Kurfürstendamm fällt zum zweiten Mal in Folge aus. Dem Festkomitee Berliner Karneval fehlt das Geld – und auch die Wertschätzung der Politik. „Wir wollen ernst genommen werden“, sagt Klaus-Peter Heimann, Präsident des Festkomitees. Seit dem ersten Umzug nach der Wiedervereinigung 2001 lockte die Veranstaltung jährlich zwar Zehntausende Zuschauer an. Richtig warm geworden sind die nüchtern-kühlen Berliner aber nie mit dem närrischen Treiben über den Ku’damm.
Vor allem junge Erwachsene erreichten die Karnevalisten mit ihren Tanzgarden und Motivwagen kaum. An der Spree sind Kölsch und Kamelle alles andere als angesagt bei der Generation zwischen 20 und 40 Jahren. Es ist ja nicht so, dass es in Berlin sonst keine Partys gäbe. Als 2012 dann auch noch der Fernsehsender Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) seine Live-Übertragung des Umzugs einstellte, sprangen etliche Sponsoren ab.
Hinzu kam, dass der Berliner Senat zur Spaß- und Schunkelbremse wurde. Er beschränkte die Schallobergrenze der Musik auf 75 Dezibel – was ungefähr dem Geräusch eines handelsüblichen Staubsaugers aus einem Meter Entfernung entspricht. Nach Meinung von Heimann ist das deutlich zu leise. Das habe der bis dato letzte Umzug 2013 gezeigt. „Mit dieser Reglementierung ergibt ein Karnevalszug keinen Sinn, so kommt einfach keine Stimmung auf“, sagt der Festkomitee-Chef. Beim Kreuzberger Karneval der Kulturen an Pfingsten und bei der Christopher-Street-Day-Parade am Ku’damm gibt es indes kein Lautstärke-Limit. Kein Wunder, dass sich die 21 Berliner Karnevalsvereine benachteiligt fühlen. Ist Berlin etwa narrenfeindlich? „Wir werden vom Senat ein bisschen diskriminiert“, kritisiert Heimann.
Und das liegt nicht nur an der Diskussion um den Lärm: Die Abgeordneten im Stiftungsrat der Berliner Lottogesellschaft – mit dem ehemaligen Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an der Spitze – lehnten die Anträge der Karnevalisten auf finanzielle Unterstützung in den vergangenen Jahren stets ab. Zwar soll die Lotto-Stiftung gemeinnützige Vorhaben fördern, zum Beispiel soziale und kulturelle Veranstaltungen. Doch in Berlin hat der rheinische Brauch keine Lobby. „Dabei leisten wir ehrenamtlich viel Jugendarbeit mit unseren Garde- und Showtanzgruppen“, sagt Heimann. Der gebürtige Rheinländer sieht im Karneval zudem „ein kulturelles Allgemeingut“, das immaterielles Weltkulturerbe der Unesco werden soll. Deshalb müsse doch eine Möglichkeit bestehen, dass auch in Berlin Geld dafür da sei.
Zwischen 50 000 und 70 000 Euro kostet der Karnevalszug über den Ku’damm. Die Vereine können diese Summe alleine nicht stemmen. Deshalb gibt es in diesem Jahr erneut nur kleinere Kneipen- und Hallenveranstaltungen, vor allem in der Zeit von Weiberfasnacht bis Aschermittwoch. In der danach beginnenden Fastenzeit will das Festkomitee das Gespräch mit dem neuen Bürgermeister Michael Müller (SPD) suchen. 2016 wollen die Karnevalisten wieder über den Ku’damm ziehen. „So schnell werden wir nicht aufgeben. Wir hoffen, dass Müller offener und fairer mit uns umgeht als Wowereit“, sagt Heimann. Tut Müller das nicht, wollen die Jecken und Narren überlegen, ob sie gegen den Senat klagen – allen Ernstes.