Trotz positiven Corona-Tests ganz normal am Leben teilnehmen? Das ist in Baden-Württemberg bald möglich. Ab Mitte kommender Woche soll es "angepasste Empfehlungen" für Infizierte geben. Foto: Bein

Corona-Infizierte müssen sich künftig nicht mehr selbst isolieren. Damit prescht Baden-Württemberg gemeinsam mit drei weiteren Ländern vor – und zieht sich den Unmut Berlins zu. Die Reaktionen in der Ortenau fallen derweil gemischt aus.

Ortenau - Die vier Länder – darunter auch Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein – begründeten ihr Vorgehen am Freitag damit, dass man sich am Übergang zu einer Endemie befinde. Sie berufen sich zudem auf positive Erfahrungen aus Nachbarländern wie Österreich. Sie verständigten sich auf gemeinsame Empfehlungen, die "zeitnah" in Kraft treten sollen. In Baden-Württemberg soll das Mitte kommender Woche der Fall sein.

Anstelle einer Absonderungspflicht steht für Infizierte eine Maskenpflicht in Innenräumen und ein Betretungsverbot für Kliniken und Heime im Raum. Schulen, Verwaltungen und Unternehmen stellt der Wegfall der Isolationspflicht derweil vor Herausforderungen – wie geht man künftig mit Infizierten um?

Kreisverwaltung sieht Aufhebung der Regelung positiv: "Wir begrüßen die Überlegungen der vier Bundesländer", teilt Kreissprecher Kai Hockenjos unserer Redaktion am Freitag mit. Der Ortenaukreis habe dazu bereits vor einiger Zeit angeregt. "Wir müssen natürlich abwarten, wie die neuen Regelungen dann im Detail aussehen, um sie bewerten zu können."

Europa-Park bittet Gäste und Mitarbeiter um Rücksicht: Die Aufhebung der Isolationspflicht zum jetzigen Zeitpunkt möchte der Europa-Park gegenüber unserer Redaktion nicht beurteilen. Der Freizeitpark habe sich jedoch während der gesamten Pandemie stets an die aktuell geltende Verordnung des Landes gehalten. "Dieses Vorgehen verfolgen wir auch in der aktuellen Phase weiter", erklärt eine Sprecherin des Parks gegenüber unserer Redaktion. "Wir bitten auch unsere Gäste und Mitarbeiter weiterhin um Rücksicht und ein umsichtiges Miteinander." Denn der Schutz der Gesundheit von Gästen und Mitarbeitern habe seit jeher höchste Priorität für den Park.

Stadt Lahr zeigt sich von der Entscheidung überrascht: "Aus Sicht der Stadt Lahr haben sich die bisher gültigen Regeln zum Umgang mit der Pandemie in den vergangenen Wochen gut eingespielt. Die Ankündigung, dass die Corona-Isolationspflicht bereits kurzfristig abgeschafft werden soll, kommt vor diesem Hintergrund überraschend", erläutert Pressesprecher Nicolas Scherger gegenüber unserer Redaktion. Sobald die konkreten Verordnungstexte vorliegen, werde die Stadtverwaltung prüfen, welche Vorgaben und Spielräume für die Umsetzung bestehen – zum einen für die Stadt als Arbeitgeber, zum anderen für den Betrieb der Schulen, Kitas und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. "Es wäre daher wünschenswert, dass das Land die Verordnungen möglichst bald veröffentlicht und anschließend genügend Zeit dafür einräumt, dass sich alle Bereiche der Gesellschaft auf die neuen Regeln einstellen können, bevor diese in Kraft treten", so Scherger.

Lehrer-Vertreter sieht Änderung eher gelassen: "Der Wegfall der Isolationspflicht wird in der Realität wenig ändern", ist sich Matthias Biegert, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW Ortenau, sicher. Er sehe darin eine reine Formalie. Denn bisher sei bei einer Corona-Infektion eine Absonderung von fünf Tagen für Schüler und Lehrer Pflicht gewesen, danach habe aber niemand einen negativen Test nachweisen brauchen. Außer an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren werde auch seit Wochen nicht mehr routinemäßig getestet. Die aus der Isolation Zurückgekehrten hätten also ohnehin weiterhin ansteckend sein können. "Wir sind nach wie vor darauf angewiesen, dass die Menschen ihren Verstand nutzen, sich gesellschaftlich fair verhalten und sich im Falle einer Infektion selbst absondern", so Biegert.

Herrenknecht AG wartet zunächst Konkreteres ab: "Wir warten die konkreten Regelungen ab und werden dann über das weitere Vorgehen entscheiden", erklärte ein Unternehmenssprecher der Herrenknecht AG auf Anfrage unserer Redaktion. Weltweit beschäftigt der Tunnelbauspezialist mehr als 5000 Mitarbeiter, am Hauptsitz im Schwanauer Teilort Allmannsweier gut 2200.