Eine maritim operierende Einheit der Revolutionsgarde patrouilliert vor der iranischen Küste in der Straße von Hormus. Foto: AFP

Ihre Krieger seilen sich in der Straße von Hormus auf Tanker ab, um sie zu kapern: Die iranische Revolutionsgarde kämpft für das Regime in Teheran rund um den Erdball an vorderster Front. Unter ihnen: 15 000 Terroristen der Quds-Brigaden.

Teheran - Zu dieser Beerdigung kamen sie alle: Abgesandte des Staatsoberhauptes, der Präsident, Minister, die militärische Spitze des Iran. Revolutionsgardisten hatten den Stadtteil Hasan Abad im Nordosten Teherans hermetisch abgeriegelt. Auf dem Platz vor der Amir al-Mu’minin-Moschee spiegelten sich am Mittag des 14. Februar 2013 Sonne und Schäfchen-Wolken im Lack der dicht an dicht geparkten Luxuskarossen. Gekommen waren sie, um einem gefallenen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen. Ali Khamenei, der Oberste Führer des Landes, hatte persönlich eine Lobeshymne formuliert: „Am Ende trank er den süßen Nektar des Märtyrertums.“

Er: Hassan Shateri, Veteran der verdeckten Kriege des Iran rund um den Erdball, General der Revolutionsgarden und Oberbefehlshaber der Quds-Brigaden. Dem schärfsten und gefährlichsten Schwert iranischer Außenpolitik. Ein elitärer Klub von Fanatikern, die im Auftrag des Regimes den Erdball mit Terror überziehen – oder wie in diesen Tagen an der Ölschlagader der Welt, der Straße von Hormus, Öltanker kapern.

Quds-Brigaden, der Name leitet sich vom persischen Wort für Jerusalem ab, das ihre Kämpfer zu befreien versprochen haben. Seit 1979 ist es ihr Ziel, die Feinde des Iran zu vernichten und den Einfluss des Landes auszuweiten. Shateri kämpfte dort, wo ihn der politische und religiöse Führer des Iran hinbeorderte: Afghanistan, Irak, Libanon, Syrien. In seinem Visier: Israelis, Amerikaner, sunnitische Muslime, Andersdenkende.

Weltweiter Einsatz – auch in Berlin

Shateri war zwei Tage vor seinem Begräbnis auf der Autobahn zwischen Damaskus und Beirut getötet worden. Zusammen mit tausenden Kämpfern der Quds-Brigaden war er nach Syrien gereist, um den belagerten Präsidenten des Landes, Bashar al-Assad, zu retten. Die Umstände seines Todes sind bis heute unklar: Die iranische Propaganda behauptet, Shateri sei „direkt vom zionistischen Regime“ ermordet worden.

Fest steht: Feinde hatte Shateri viele. In Berlin hatten seine Terroristen 1992 in einem Restaurant vier iranisch-kurdische Oppositionspolitiker ermordet. Immer wieder hatte er US-Soldaten ins Visier genommen. Im Libanon wie in den USA hält sich das Gerücht, Shateri sei an dem Bombenanschlag am 23. Oktober 1983 beteiligt gewesen, bei dem in Beirut 262 US- und 58 französische Soldaten starben.

Rivalen ermorden, Verbündete bewaffnen, Terroristen trainieren, konspirative Netzwerke aufbauen, die Welt terrorisieren – das ist das Geschäft der iranischen Revolutionsgarden. Der Armee der Wächter der Islamischen Revolution. Einer paramilitärischen Organisation, 1979 von Staats- und Religionsführer Ruhollah Chomeini gegründet, weil er nach seiner Machtübernahme den iranischen Streitkräfte nicht traute und deshalb auf ihm treu ergebenes Fußvolk setzte.

Drecksarbeit für die Ayatollahs

Die Gardisten machten in den vergangenen 40 Jahren die Drecksarbeit für die Ayatollahs: Erst schlugen sie im irakisch-iranischen Krieg Gassen durch feindliche Minenfelder. Kämpften verbissen gegen die Divisionen des einstigen irakischen Machthabers Saddam Hussein. Bekämpfen politische Gegner des iranischen Regimes. Wer Karriere machen will, heuert als Gardist an.

120 000 Kämpfer zur Erde, im Wasser und in der Luft, die auch „Sepah“, dem alt-persischen Wort für ein 100 000-Mann starkes Heer, und „Pasdaran“, der persische Plural von Wächter, genannt werden. Eine Armee neben der Armee. Der eigene Geheimdienst liefert Informationen bis in die Staatsspitze. Eigene Computerspezialisten hacken sich weltweit in Rechnersysteme. Gardeeigene Konzerne und Firmenimperien sorgen für Reichtum von Offizieren und Feldwebeln, beste Ausrüstung in der Garde und vor allem Geld im Überfluss für verdeckte Operationen.

Für Geheimoperationen sind die etwa 15 000 Mann der Quds-Brigaden zuständig. Terroristen, die Anschläge rund um den Globus wie in den USA, Venezuela, Syrien, Indien und Deutschland verübten. Im Januar vergangenen Jahres durchsuchten Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin und Baden-Württemberg Wohnungen von zehn Männern, die im Verdacht stehen, Quds-Kämpfer zu sein. Ihr mutmaßliches Mordziel: der frühere Wehrbeauftragte und Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Reinhold Robbe (SPD).

Unfreiwilliger Einblick in das Innenleben der Quds-Brigaden

Einen unfreiwilligen Einblick ins Innenleben der Quds-Terroristen lieferte einer ihrer Agenten selbst: Hamid, Muhammad, Jabur, Majid – Ali Mussa Daqduq al-Musawi hat mindestens acht verschiedene Identitäten. Nur wenige Menschen wissen, wann er überhaupt geboren wurde. Vom März 1969 bis zum Mai 1972 reichen die Spekulationen westlicher Geheimdienste. Nur das er in der libanesischen Hauptstadt Beirut zur Welt kam, gilt unter Agenten als sicher.

Ausgebildet von den Quds-Brigaden setzte deren Führung den Libanesen und Hisbollah-Terroristen 2006 in Marsch, um im Irak Anschläge gegen die Streitkräfte der Koalition unter US-Führung zu verüben. Am 20. Januar 2007 entführten und ermordeten er und seine Kumpane in Kerbela fünf US-Soldaten. Zwei Monate später nahmen ihn Soldaten der britischen Spezialeinheit SAS in der Hafenstadt Basra fest. Bei ihm und seinen beiden Begleitern fanden sich umfangreiche Dokumente, die die Planung eines neuen Terroranschlages belegten. Trainingshandbücher der Quds-Brigaden stellten die Elitekämpfer sicher, gefälschte Pässe, eine Dokumentation verübter Anschläge, Anleitungen für den Bombenbau, Telefonnummern und ein Tagebuch.

Daqduq wurde den US-Truppen übergeben, von denen er ohne Gerichtsverfahren gefangen gehalten wurde – und verhört. Der Libanese berichtete über Trainings, Agenten und geplante Operationen der Quds-Gardisten. „Der Iran finanziert Terrorgruppen im Irak und anderswo mit Summen zwischen 750 000 und drei Millionen Dollar monatlich“, fasste Brigadegeneral Kevin Bergner bei einer Pressekonferenz im Irak eine der gewonnenen Erkenntnisse zusammen.

Nur wenig ist darüber bekannt, wie Daqduq denkt und fühlt. „Wir sollen die zionistische Schmeißfliege endgültig vernichten. Das ist unser Auftrag, das muss unser Leben sein“, soll er einmal Kumpane motiviert haben. US-Präsident Barack Obama versicherte sich 2011 bei den Irakern, diese bekämen Daqbuq nur übergeben, wenn er vor Gericht gestellt und verurteilt würde. Wenige Wochen später war Daqbuq frei. Offiziell, weil der irakische Justizminister keine Rechtsgrundlage für einen Prozess sah. Inoffiziell, weil der Iran massiv Druck auf die benachbarte irakische Regierung ausübte.

Seit kurzem ist Daqduq wieder aktiv. Als Abu Hussein Sajed haben ihn israelische Sicherheitsbehörden auf der syrische Seite des Golan aufgespürt. Hier soll er ein Netzwerk aus Agenten und Terroristen aufbauen, das er von Damaskus aus leitet – 61 Kilometer entfernt von der Grenze zu Israel.

Berlin, Baden-Württemberg, Straße von Hormus, der Golan – die Revolutionsgarde platziert ihre Speerspitzen.