Wenn ein geliebter Mensch fehlt, kann Weihnachten für die Angehörigen besonders belastend sein. Warum die Arbeit mit Trauernden nicht nur schwer, sondern auch bereichernd ist, erzählen die Verantwortlichen des Lahrer Hospizvereins im Gespräch mit unserer Redaktion.
An Weihnachten will man seine Lieblingsmenschen, Familie und Freunde um sich haben. Wenn zum Fest aber ein Platz unter dem Baum leer bleibt, weil man einen geliebten Menschen verloren hat, ist das für viele Trauernde besonders belastend. Unsere Redaktion hat die beiden Verantwortlichen des Lahrer Hospizvereins gefragt, wie ihre Arbeit in der Adventszeit aussieht und warum sie ihren Job – Menschen zu helfen – so gerne machen.
Frau Hillig, Herr Wenzel-Teuber, trauern Menschen in der Weihnachtszeit mehr als sonst?
Wenzel-Teuber: An Feiertagen oder Gedenktagen merken Betroffene natürlich mehr, dass andere gemeinsam unterwegs und sie alleine sind. An solchen Tagen kommt die Trauer dann mehr durch. Auch die dunkle Jahreszeit spielt eine Rolle. Im Sommer, wenn die Sonne scheint, kann man sich eher ablenken. Mehr Anfragen haben wir in der Weihnachtszeit aber nicht.
Hillig: Generell ist das erste Trauerjahr immer schwierig, wenn die Trauernden alles das erste Mal ohne den verlorenen Menschen erleben – auch Weihnachten. Was wir an Weihnachten im Hospizverein deshalb immer haben, ist eine Person auf Abruf – für den Fall. Das wurde in den vergangenen Jahren aber nicht in Anspruch genommen.
Wie hilft der Hospizverein Lahr Trauernden?
Wenzel-Teuber: Wir bieten ein Mal im Monat ein Trauercafé in Kooperation mit der Stadt Lahr und dem Pflegestützpunkt an. Das Café im Treffpunkt Stadtmühle, das wir seit September 2022 haben, hat sich gut etabliert. Es wird von den Ehrenamtlichen geleitet. Wir koordinieren, vermitteln und leiten die Einsätze. Auch Trauerspaziergänge bieten wir an.
Haben Sie das Gefühl, dass Trauer von der Gesellschaft akzeptiert wird?
Wenzel-Teuber: Viele sind der Ansicht „Trauer muss irgendwann abgeschlossen sein, jetzt ist mal gut“. Aber das ist nicht so, Trauer bleibt. Wir hatten schon Menschen, die nach 20 Jahren immer noch um verlorene Angehörige trauern.
Hillig: Besonders lang geht die Trauer oft, wenn die Person nicht richtig Abschied nehmen konnte – bei einem Unfall oder Suizid. Dann ist es sehr schwierig, es zu akzeptieren. Und Suizid ist generell ein Tabu-Thema in der Gesellschaft. Da wird oft ein Bogen um Leute gemacht, die jemanden verloren haben.
Wie schaffen Sie es, Ihre emotionale Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen?
Wenzel-Teuber: Wir haben sehr viel Kontakt zu Menschen, zu Sterbenden und Trauernden, die sich uns sehr öffnen. Da hilft es dann tatsächlich, die Tür nach der Arbeit wirklich zuzumachen. Mir gibt außerdem Kraft, dass wir zu zweit sind und uns austauschen können. Auch meine Spiritualität und meine Familie geben mir Halt.
Hillig: Unsere Professionalität und Erfahrung schützen uns. Eine gewisse gesunde Distanz braucht es einfach. Was mir außerdem hilft, ist Urlaub. Wenn ich etwas anderes mache, bin ich auch wirklich raus. Aber klar – es gibt auch immer wieder Begleitungen, die einen besonders beschäftigen. Da muss man dann einen Weg finden, wie man damit umgeht.
Warum machen Sie Ihren Job so gerne?
Wenzel-Teuber: Weil mir Menschen wichtig sind, deshalb habe ich auch soziale Arbeit studiert. Außerdem bekommen wir unglaublich viel positive Rückmeldung und Dank, dass wir da sind. Der Umgang mit Sterbenden und Trauernden ist nicht nur schwer, es ist auch viel Humor und Lachen im Spiel.
Hillig: Ich mache meine Arbeit gerne, weil es etwas mit Menschenliebe zu tun hat. Ich war schon in verschiedenen Bereichen der sozialen Arbeit tätig und immer geht es darum, die Menschen einfach so zu akzeptieren, wie sie sind.
Hilft Ihnen Ihre professionelle Sicht auf Trauer auch privat?
Wenzel-Teuber: Ja. Im Freundes- und Familienkreis werde ich angerufen, wenn es um solche Themen geht. Jeder weiß, dass ich beistehen und es aushalten kann. Wenn es um die eigene Trauer geht, kommen natürlich Emotionen dazu.
Hillig: Ich habe vor einiger Zeit meine Eltern verloren. Dass sie nicht so gehen konnten, wie ich es ihnen gewünscht hätte, damit habe ich lange Zeit gehadert. Also es ist auf jeden Fall anders, wenn es die eigenen Leute sind.
Wer engagiert sich im Verein?
Wenzel-Teuber: Unsere Sterbebegleiter sind im Schnitt etwa 63 Jahre alt, die Trauerbegleiter etwas jünger.
Hillig: Generell kann man sagen 50 plus. Ganz junge Menschen sind die absolute Ausnahme. Aber das wollen wir auf jeden Fall ändern. Wir würden uns wünschen, dass sich auch junge Menschen engagieren.
Und wie kann man sich einsetzen?
Hillig: Die Begleiter absolvieren einen Kurs, in dem sie viele Dinge lernen über Kommunikation, Trauer und Beschäftigung mit Grenzen. Wir freuen uns über jeden, der Interesse an dem Ehrenamt hat.
Wenzel-Teuber: Der Kurs für die Sterbebegleitung geht 80 Stunden, der für die Trauerbegleitung 32 Stunden. Eingesetzt werden die Trauerbegleiter dann im Trauercafé, bei den Spaziergängen und für Einzelgespräche. Wie viel Zeit in das Amt fließt, richten wir an den Kapazitäten der Ehrenamtlichen aus.
Das Gespräch führte Olga Merz.