Schimmelpilze können gigantische Ausmaße annehmen und sich per Sporenflug verteilen. Foto: Stengel

In den Wintermonaten halten sich die Menschen mehr im Haus auf - und entdecken dort gelegentlich seltsame dunkle Flecken. Die können nicht nur unschön sein und sich ausbreiten, sie sind auch gesundheitsschädlich und sollten nicht ignoriert werden. Ihre Entstehung kann man aber verhindern. Alles rund um den Schimmelpilz.

Oberndorf/Balingen - Volker Stengel aus Balingen ist Experte, was Schimmel betrifft. Die Pilzbekämpfung ist das Schwerpunktthema in seinem Sanierungsbetrieb. Im Interview erklärt Sachverständige für Schimmelpilzbewertung, wie sich der Entstehung des ungeliebten Mitbewohners vorbeugen lässt und was zu tun ist, wenn er sich schon im Haus breit gemacht hat.

Herr Stengel, wann und wo bildet sich Schimmel? Sind alte Häuser anfälliger als neue?

Zunächst zur zweiten Frage, ob alte Häuser anfälliger sind: Das kann man meiner Beobachtung nach generell nicht bejahen. Auch in nagelneuen Häusern kann man in kürzester Zeit Schimmel kriegen. Verantwortlich dafür sind zum Beispiel mangelnde Trocknungszeiten und verfrühter Bezug. Zum anderen werden heute oft Trockenbauwände, zum Beispiel Holzständerkonstruktionen, verbaut. Oft findet man auch Räume mit Gipskartonplatten und Steinwolle verkleidet, schimmelanfällige Spachtelmassen und Putze, und eben auch die heute oft drei- und sogar vierfach verglasten Fenster. Das sorgt zwar für eine gute Isolierung und somit sind die neueren Häuser also super-dicht, haben aber auch eine größere Schimmelanfälligkeit, wenn ein paar grundlegende "Wohnungsregeln" missachtet werden.

Das Problem sind immer wieder Feuchtigkeit und Staunässe. Deswegen bildet sich in Räumen, die grundsätzlich feuchter sind, wie Bädern oder Küchen - aber auch Schlafzimmer - schneller Schimmel. Dort liegt die Luftfeuchtigkeit während des Kochens, Duschens und Schlafens häufig über 60 Prozent. Aber egal, wie der Raum beschaffen ist, es kann überall Schimmel entstehen, wenn man dem nicht vorbeugt. Auch in alten Häusern.

Gibt es abgesehen von der Isolierung noch andere Faktoren, die die Schimmelbildung begünstigen?

Neue Häuser haben oft das Problem, dass die Oberflächen der Möbel, Vorhänge, kunstlederbezogene Sofas, Bettzeug, Läufer und so weiter aus Kunststoff, beziehungsweise -fasern, und nicht mehr aus Naturfaser oder Echtholz sind. Kunststoff kann keine Feuchtigkeit aufnehmen oder an die Luft abgeben. Echtholzmöbel sind also besser für das Raumklima. Beim Boden ist es das gleiche. Laminat- und Vinylböden lassen sich zwar prima abwischen, sind aber kunststoffverkleidet und weniger geeignet, als ein Parkett-, Korkboden oder vergleichbares. Und wenn man dann auch noch viele Pflanzen im Haus hat, die bekanntlich auch für eine höhere Luftfeuchtigkeit sorgen, fühlt sich der Pilz wohl. 

Welche Rolle spielt das Lüften?

Eine sehr große. Wer richtig lüftet, kann trotz ungünstiger Raumbeschaffenheit verhindern, dass Schimmel entsteht. Die Fenster sollten nicht gekippt werden. So findet erst keine richtige Luftzirkulation statt. Mindestens ein Fenster im Raum sollte ganz geöffnet werden. Zehn bis 15 Minuten reichen. Wenn man länger lüftet, kühlt zur kalten Jahreszeit der Raum aus und das ist nicht gut, weil kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme. Alle Räume im Haus müssen mehrmals am Tag gelüftet werden. Wie oft, hängt davon ab, wie groß der Feuchtigkeitsgrad im Raum ist. Wer zum Beispiel Homeoffice macht, sich also viel in einem Zimmer aufhält, zehn Pflanzen dort drin hat, ein Aquarium und noch dazu die Wäsche im Wohnzimmer trocknet und in der offenen Küche nebenan Nudel-Wasser kocht (Sie sehen, ich neige zur Übertreibung), der sollte am besten jede Stunde lüften. Wenn man sich aber nicht viel in einem Raum aufhält, reichen auch zwei bis drei Mal lüften am Tag. 

Was auch unterschätzt wird: der Einfluss der Menschen und Tiere, die sich in einem Raum aufhalten. Beim Schwitzen und Atmen steigt die Luftfeuchtigkeit. Sogar wenn wir nur schlafen, gibt ein erwachsener Mensch pro Nacht zirka einen halben bis einen Liter Flüssigkeit an die Umgebungsluft ab. Deswegen ist morgens Lüften so wichtig.

Wir wissen jetzt also, wie man richtig lüftet. Und wie heizt man danach richtig?

Die Heizungen auf zweiter Stufe zu haben, sollte reichen, wenn es nicht gerade klirrend kalt ist. Beim Lüften macht man die Heizungen natürlich kurzzeitig aus. Im Badezimmer sind 22 bis 23 Grad Celsius ideal, in Wohnräumen 19 bis 20 Grad und im Schlafzimmer 16 bis 17 Grad. Was nicht gegen den Schimmel hilft, ist heizen bis es 30 Grad im Haus hat und dabei nicht lüften. Schimmel fühlt sich bei Temperaturen von etwa fünf bis etwa 60 Grad Celsius wohl. Deswegen findet man ihn zum Teil auch in Kühlschränken, jedoch nicht in der Sauna bei 90 Grad. 

Und wenn man falsch heizt und lüftet? Wie lange dauert es, bis die ersten Schimmelspuren da sind?

Das geht sehr schnell. Schimmel bildet sich innerhalb von drei Tagen bis zu einer Woche und hängt, wie wir gesehen haben, nicht nur von der Temperatur, sondern von der Feuchtigkeit und auch von biologischen Wachstumsherden ab. Wer sich mit dem Lüften und Heizen nicht sicher ist, kann ein sogenanntes Hygrometer aufstellen. Die gibt es in jedem Baumarkt. Das Gerät zeigt die relative Luftfeuchtigkeit (rh) an. Die sollte zwischen 50 und 55 Prozent liegen. In Bad und Küche während des Duschens und Kochens, auch kurzfristig höher.

Hat der Schimmel Lieblingsplätze? Auf welche Stellen muss man bei der Suche nach dem Pilz besonders achten?

In erster Linie braucht er neben der Feuchtigkeit auch einen Nährboden aus biologischer Masse. Die Raufasertapete mit ihren eingearbeiteten Holzstückchen und dem auf Wasserbasis hergestellten Klebstoff - alsoTapetenkleister - hat er besonders gern. Wenn sich Kondenswasser bildet oder es sogar einen Wasserschaden im Haus gibt, ist Raufasertapete sehr anfällig. Holz, Leder, Gipskartonplatten, Dämm-Materialien und Unterspannbahnen ebenso. Wenn die Feuchtigkeit im Raum nicht gut abtransportiert wird, sind die Sporen, die sogenannten "Kolonie Bildenden Einheiten" irgendwann in einer übergroßen Anzahl da. Und das ist besonders dort der Fall, wo die Sonne nicht, oder nur selten hinkommt.

Wenn die Möbel dann noch zu nah an den Wänden - vor allem Außenwänden - stehen und keine richtige Luftzirkulation dahinter stattfinden kann, geht es schnell. Da kommt die Feuchtigkeit rein, aber nicht mehr raus. Möbel sollten mindestens fünf bis acht Zentimeter von den Wänden entfernt stehen und im besten Fall, wie bei Omas antikem Holzschrank, auf "Bollenfüßen" stehen. Das macht kaum jemand, weil alle möglichst viel Platz sparen wollen. Der Schimmelpilz freut sich da aber. 

Außerdem gibt es in Räumen sogenannte Wärmebrücken, wo auf kälteren Oberflächen Tauwasser anfällt. Das sind Stellen wie Zimmerecken, Decken-Wand-Übergänge, ganz häufig Nord-Ost-Wand-Bereiche, aber auch von Balkonbetondecken im Decke-Wand-Bereich desjenigen Zimmers, vor dem der Balkon ist. Ebenso können auch die Bereiche um den Rollladenkasten betroffen sein, wenn nicht an erforderlicher Stelle eine Außendämmung verbaut wurde. Betroffen sind aber auch Räume, die mit einem großen Schrank zugestellt sind, und nicht weit genug von der Ecke und der Decke entfernt sind. Hier entstehen Luftverwirbelungen, wo beim Lüften der Luftmassenaustausch nicht optimal stattfindet.

Es hat also etwas mit Luftströmungs-Verhältnissen zu tun, welche Stellen beim Lüften besonders gut von Feuchtigkeit und Stauwärme befreit werden. In erster Linie sind die Ecken in Räumen betroffen. Das kann man mit Wärmebildkameras sehr gut sichtbar machen. Wo Wärmebrücken sind, ist die Temperatur oft fünf bis sieben Grad niedriger, als im restlichen Raum. 

Was, wenn er schon da ist? Kann man den Schimmel selbst loswerden?

Eine Fläche von bis zu einem halben Quadratmeter gilt als Bagatellschaden. Bis dahin darf man sich selbst an die Entfernung des Schimmels wagen, wenn man das erforderliche Wissen hat und sich das zutraut. Bei größeren Flächen muss die Fachfirma ran.

Womit bekommt man den Pilz entfernt?

Reinigungs-Produkte auf der Basis der Ameisensäure haben sich sehr gut bewährt. Die bekommt man im Fachhandel oder im Internet. Nach dem Reinigen muss man die Stelle desinfizieren, zum Beispiel mit Mitteln auf Wirkstoffbasis einer quartären Amoniumverbindung, und danach, wenn alles richtig aufgetragen wurde und abgetrocknet ist, mit einer Farbe mit einer Biofilm-Stopp-Technologie streichen, da sie unter anderem einen hohen Reinheitsgrad, eine schnelle Trocknungszeit hat, als eine normale Farbe. Diese Dreier-Kombination verspricht sehr gute und langanhaltende Ergebnisse.  

Wenn Sie beauftragt werden, Schimmel zu begutachten und zu entfernen, wie gehen Sie vor?

Zuerst untersuche ich, wo das Problem herkommt und wie weit sich der Schimmelpilz ausgebreitet hat. Dann wird die Stelle vorerst großflächig abgeklebt - zum Beispiel mit einem Müllsack -, um den Sporenflug zu verhindern. Wenn man nämlich Schimmel in einem Raum hat und dann weiterhin gründlich lüftet und für Durchzug im Haus sorgt, tauchen die Sporen - die sogenannten Hyphen mit ihren akropetalen Konidien - in kürzester Zeit auch in den anderen Räumen auf. Die Sporen sind ohne Mikroskop nicht sichtbar, aber sie verteilen sich überall.

Dann kommt es darauf an, wie tief der Schimmel in der Wand ist. Es muss nicht immer die Wand geöffnet werden, aber wenn ich die Tapete aufschneide und sogar darunter alles schwarz ist, dann muss alles weg. Dann wird ordentlich gereinigt, desinfiziert und dann kommt die neue Oberfläche, zum Beispiel der neue Verputz.

Wer bezahlt erfahrungsgemäß die Rechnung? Der Vermieter oder er Mieter?

Das kommt ganz darauf an, wer den Schaden verursacht hat und gemäß der Regel "wer bestellt, der bezahlt." Wenn es sich um alten Schimmel handelt, der schon da war, bevor der aktuelle Mieter kam und das zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, trägt der Vermieter die Kosten. Der Vermieter ist gegenüber dem Mieter verpflichtet, diesem einen "Raum, der den hygienischen Normalzustand abbildet", zur Verfügung zu stellen, wie das im Juristendeutsch genannt wird. Wenn der aktuelle Mieter durch falsches Lüften oder Heizen – kurzum durch "falsches Wohnen" – die Schimmelenstehung begünstigt hat, zahlt dagegen er selbst.

Wie finden Sie heraus, wer Schuld hat?

Zunächst muss ich sicherstellen und ausschließen, dass nicht kontaminiertes Baumaterial, physikalische Baumängel und -fehler, ein Wasserschaden durch ein defektes Wasser- oder Heizungsrohr, Schlagregen oder ähnliches ursächlich für die Schimmelentstehung war. Häufig kristallisieren sich Schimmelprobleme durch unsachgemäße energetische Modernisierung oder durch Kondenswasser heraus und diese lassen sich zum Beispiel mithilfe von Wärmebildkameras und anderen geeigneten Messgeräten lokalisieren. Wenn der Bewohner richtig gelüftet und geheizt hat, ist die Lufttemperatur hinter den Möbeln nicht sehr viel anders als im restlichen Raum. Wenn der Bewohner allerdings weiß, morgen kommt der Schimmelgutachter, und dann erst anfängt, ordentlich zu lüften, zu heizen und seine Wäsche nicht mehr in der Wohnung zu trocknen, dann ist es hinter den Schränken eben immer noch kalt. An bestimmten Stellen im Raum braucht die Luft nämlich ziemlich lange, um sich zu erwärmen; besonders wenn es sich um eine Außenwand an der Nord-Ost-Seite handelt. Und dann weiß ich, dass der Bewohner nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. 

Zur Person

Diplom-Ingenieur (FH) Volker Stengel ist Inhaber des gleichnamigen Sanierungsbetriebs "Stengel Schadensanierung" in Balingen. Der Schimmelpilz ist sein Schwerpunktthema. Er ist Dekra-geprüfter Sachverständiger und privater Schiedsgutachter für Schimmelpilzbewertung mit Fachbetrieb für Wasser- und Schimmelschaden-Sanierung sowie Sachkundiger Berater für die Erkennung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzbelastungen.