Das Erfolgstrio von 1976 kehrt zurück (von links): Kabarettist Mathias Richling, Theatergründer Gerhard Woyda und Regisseur Günter Verdin bei Proben im Renitenz-Theater. Foto: Michele Danze

Der Kabarettist Mathias Richling hat mit uns über seine alte Liebe zum Renitenz-Theater gesprochen, über schräge Logik und wie Comedy funktioniert.

Stuttgart - Vor 37 Jahren hat Mathias Richling mit seinem Karl-Valentin-Programm Erfolge im Renitenz-Theater gefeiert. Jetzt kehrt er mit Texten des Münchner Komikers auf die Bühne seiner Jugend zurück, auf der seine Karriere begann. Wie einst sitzt der legendäre Intendant Gerhard Woyda, heute 88, am Flügel.

Herr Richling, wenn der Mensch gestorben ist, lautet eines dieser berühmten Karl-Valentin-Zitate, ist er tot. Warum erwecken Sie den anarchischen Münchner Komiker über 60 Jahre nach seinem Tod zum Leben?
Der Mann wird dringend gebraucht. In Zeiten von Jux und Tollerei, vorwiegend im Privatfernsehen, zeigt uns das Werk Valentins nicht nur, wie Comedy funktioniert, sondern auch das Absurde Theater, also das richtige Leben, das immer mehr Fragen präsentiert, als wir Antworten bekommen. Und in dem alles Sinnlose immer wieder von vorne anfängt. Warum schauen Sie so irritiert?

Ich versuche, Ihnen zu folgen.
Man kann es einfacher sagen: Karl Valentin kann uns auch heute wunderbar unterhalten mit Wortverdreherei und schräger Logik.

Ist mit 20 Jahren der Verstand schräger? Sind Sie 1976 beim ersten Valentin-Programm unter der Regie von Günther Verdin anders rangegangen an den großen komischen Karl?
Eigentlich nicht. So lange ist das ja auch nicht her. Ich bin ja keine 300.

Stimmt, Sie sind erst 60 geworden. Und schon heißt es bei Ihnen: Zurück zu den Wurzeln, zurück zu Valentin, dem Thema Ihrer Magisterarbeit, zurück ins Renitenz, zurück zu Gerhard Woyda, der als einer ihrer Entdecker gilt – wie verträglich ist so viel Sentimentalität im Jahr eines runden Geburtstags?
Das hat mit Sentimentalität nichts zu tun. Wir erinnern uns mit dieser Wiederaufnahme an Texte von Valentin, die nach so langer Zeit immer noch Gültigkeit haben, die zeigen, dass sich das komische oder nervende oder eintönige oder spannende Verhältnis von Menschen untereinander im Grunde nicht sehr geändert hat bei aller Veränderung der Zeit mit Internet und neuen Kommunikationsmitteln. Die zeigen, dass trotz aller Veränderung eines sich nicht verändert: der Mensch.

Wie ist die Zusammenarbeit nach all den Jahren mit dem Menschen Woyda?
Großartig. Wir konnten beide alle Texte und Noten noch auswendig. Und er ist genauso präzise vorbereitet wie seinerzeit. Was haben Sie eigentlich immer mit Ihren „Jahren“? Sind 37 Jahre ein Zeitraum, in dem man verfallen müsste?

Aber nein. Käse verdirbt wesentlich schneller. Als Gerhard Woyda Sie in den 1970ern ins Ensemble des Renitenz-Theaters holte, war er über 50. War das damals alt für Sie?
Da. Schon wieder kommen Sie mit dem Alter. Was haben Sie für ein Problem damit?

Wieso Problem? Wenn ich das Probenfoto von Ihnen mit Herrn Woyda und Ihrem Regisseur Günter Verdin sehe, muss ich an Statler und Waldorf denken. Mir haben die spitzen Kommentare der Muppets-Opas immer gefallen.
Schön für Sie! Schon in jungen Jahren habe ich Alter nicht über Jahrgänge definiert. Alter hat doch mit Alter nichts zu tun.

„Ich gehe nicht in Rente!“

Aber Sie sind in einem Alter, in dem Sie Ihre Rente verjubeln könnten.
Ich geh’ doch nicht in Rente! Was ist das? Solange ich noch bei Sinnen bin, gehe ich auf die Bühne, und ohne Sinne kann ich wohl auch nichts verjubeln.

Das wollen wir hoffen, dass Sie nie in Rente gehen. Schon gar nicht im Jahr einer Bundestagswahl. Kurz nach der Wahl feiern Sie in Berlin Premiere ihres neuen Programms „Deutschland to go“. Schreiben Sie die neuen Nummern mit Merkel als Kanzlerin?
Ich bin doch kein Ansage-Onkel, der einen Zettelkasten mit Witzen hat, in denen er nur Subjekt und Objekt vertauscht nach Belieben. Nein, ich warte die Wahl ab, und dann schreibe ich.

Warum gehen Sie mit Premieren immer zu den Wühlmäusen nach Berlin? Wäre nach dem Wiedererwachen Ihrer Liebe zum Renitenz nicht mal eine Premiere in der Heimat schön?
Absolut, aber ich mache es wie viele Kollegen. Bevor sie in den großen Zentren spielen, probieren sie ihr Programm erst mal aus in der dankbaren Provinz.

Zurück zu Karl Valentin. Der Münchner war ein schlaksiger Typ. Das sind Sie auch. Gibt es weitere Gemeinsamkeiten?
Solche Fragen sollte man nicht selbst beantworten. Aber man weiß von Valentin, dass er sehr hypochondrisch war und viele Texte gewiss entstanden sind aus seinen persönlichen Zwängen, die er rational nicht kontrollieren konnte. Aus seinen Leiden an anderen und seiner Umwelt. Das trifft für mich nicht zu. Ich leide nur an der Politik. Und das dokumentiere ich ja auch pausenlos öffentlich. Aber körperliche oder seelische Leiden entstehen dadurch bei mir nicht.

Was erwartet uns bei „Richlings Valentin, beflügelt von Gerhard Woyda“ vom 27. bis zum 30. Juni im Renitenz?
Ich spiele nicht nur seine legendären Dialoge wie „Der Hasenbraten“ oder „Der Vogelhändler“ und singe seine skurrilen Lieder, sondern zitiere auch aus meiner Magisterarbeit und spiele eigene Szenen, die über die Tagespolitik hinausgehen und ganz allgemein menschliche Schwächen zeigen. Wir haben also drei Spielebenen, die zu einem überzeugenden Ganzen im Geiste Valentins zusammenwachsen werden.

Die Erben von Karl Valentin verschicken fleißig Abmahnungen und Rechnungen, wenn man Zitate von Valentin etwa im Internet verwendet. Wird das ein teurer Abend für Sie?
Natürlich. Aber worüber redet man alles nicht, wenn man Spaß dran hat?

In diesem Jahr hat Til Schweiger den Karl-Valentin-Orden bekommen. Was ist da schiefgelaufen?
Wieso schiefgelaufen? Til Schweiger war doch sehr komisch, als er als „Tatort“-Kommissar seine Rolle so vernuschelt hat, dass niemand wusste, ob er der Gute oder der Böse war. Den Hans-Moser-Orden könnte er auch noch haben.

Wir haben schon lange nicht mehr übers Alter gesprochen. Deshalb meine Abschlussfrage: War früher alles besser – im Kabarett und in der restlichen Welt?
Nein. Nie war etwas besser als jetzt. Das heißt nicht, dass es noch besser sein könnte. Aber wem das nicht reicht, der kann sicher sein, dass man in schon 20 Jahren sagen wird, damals – nämlich jetzt – war alles viel besser als heute, nämlich in 20 Jahren. Karl Valentin sagt es einfacher: Die Zukunft war auch schon mal besser.

„Richlings Valentin, beflügelt von Woyda“ wird an vier Abenden im Renitenz-Theater aufgeführt: am 27., 28. und 29. Juni jeweils um 20 Uhr, am 30. Juni um 19 Uhr. Karten unter Telefon 07 11/ 29 70 75 oder unter www.renitenztheater.de