Gefragte Nachwuchskraft im Filmbusiness: Lily-Rose Depp Foto: AP

Wie schwer ist es, als Tochter zweier Berühmtheiten einen eigenen Weg im Filmgeschäft zu finden? Lily-Rose Depp macht im Interview schnell klar, dass sie einen eigenen Kopf hat.

Cannes Als Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis wurde Lily-Rose Depp im Mai 1999 in Paris geboren. Erste öffentliche Auftritte hatte die Jugendliche als Model auf den Laufstegen von Karl Lagerfeld, doch mittlerweile hat sich die 17-Jährige für eine Karriere als Schauspielerin entschieden. Nach ersten Auftritten in Filmen von Kevin Smith sowie einer Rolle an der Seite von Natalie Portman (das Drama „Planetarium“ kommt nach seiner Premiere in Venedig vermutlich 2017 in die deutschen Kinos) ist sie nun in dem französischen Film „Die Tänzerin“ erstmals auf deutschen Leinwänden zu sehen. Wir trafen Depp, die mittlerweile in Los Angeles lebt, in Cannes zum Interview.

Miss Depp, in „Die Tänzerin“ spielen Sie die weltberühmte Isadora Duncan. Ein ziemlicher Brocken von Rolle, oder?
Keine Frage, aber nicht zuletzt deswegen wollte ich sie mir natürlich nicht entgehen lassen. Die Chance, eine solche Frau spielen zu können, bekommt man womöglich nur einmal im Leben.
Wie würden Sie Duncan denn beschreiben?
Zunächst mal ist sie eine Ikone in der Welt des Tanzes. Sie hat den modernen Tanz revolutioniert, nach ihr war alles anders. Abgesehen davon war sie – gerade für ihre Zeit – eine unglaublich unabhängige Frau, voller Tatendrang, Entschlossenheit und Energie. Sie wusste genau, was sie im Leben wollte, was ich immer sehr bewundernswert finde. Zudem war sie wohl wahnsinnig charismatisch und, wie wir in „Die Tänzerin“ zeigen, dabei durchaus auch anstrengend und manipulierend.
War es diese Seite an ihr, die für Sie eine besondere Herausforderung darstellte?
Nicht nur, aber natürlich auch. „Die Tänzerin“ ist erst der dritte Film überhaupt gewesen, für den ich vor der Kamera stand. Entsprechend ist sowieso in diesem Job noch gar nichts Routine für mich. Direkt vor „Die Tänzerin“ hatte ich den Film „Planetarium“ mit Natalie Portman gedreht, in dem ich eine 13-Jährige spielte. Aus dieser recht unschuldigen Rolle in die der verführerischen Manipuliererin Isadora Duncan zu wechseln, habe ich schon als recht anspruchsvoll empfunden.

Schauspielerei unglaublich befreiend

Fiel Ihnen der körperliche Aspekt der Rolle leichter? Hatten Sie schon viel Tanzerfahrung?
Das Tanzen war für mich ohne Frage das schwerste bei diesem Film. Als Kind habe ich es mal ein Jahr mit Ballett versucht, aber das war es auch schon. Viel Erfahrung hatte ich also nicht. Und auch nicht viel Zeit, denn ich habe die Rolle erst kurz vor Drehbeginn bekommen. Ich habe mit unserem Choreografen so viel trainiert wie ich konnte und dann natürlich auch beim Drehen so viel übernommen wie möglich. Allerdings hatte ich auch ein Double, denn einige der schwierigeren Szenen hätte ich unmöglich selbst tanzen können.
Worin liegt denn in Ihren Augen die Faszination des Tanzes?
Hm, wie gesagt, ich bin keine Expertin. Aber ich habe gemerkt, wie gut es mir beim Tanzen getan hat, mich einfach fallen zu lassen. Und um genau diese Freiheit, dieses Loslassen, ging es auch Isadora Duncan. Davon abgesehen war ihre Devise, dass man durch den Tanz das zum Ausdruck bringt, was man emotional ohnehin in sich trägt.
Sehen Sie darin Parallelen zur Schauspielerei?
Einerseits ja, denn auch bei der Schauspielerei kann ich mich fallen lassen. Aber da drückt man ja in den wenigsten Fällen die eigenen Gefühle aus. Gerade deswegen habe ich eine solche Leidenschaft für diesen Beruf entwickelt. Für mich ist die Schauspielerei unglaublich befreiend, weil man sich komplett in eine andere Figur verwandeln kann und das Leben aus der Perspektive eines anderen Menschen wahrnimmt. Wenn ich vor der Kamera stehe lasse ich mein eigenes Leben, meine Gefühle und Probleme, für eine gewisse Zeit einfach hinter mir.
Als Tochter von Vanessa Paradis und Johnny Depp war die Schauspielerei sicherlich von klein auf Teil Ihres Lebens.
Natürlich, ich war schon als Kind immer wieder mit meinen Eltern bei den unterschiedlichsten Dreharbeiten. Aber irgendwie habe ich mich dort nie sonderlich für ihre Arbeit interessiert. Spannender fand ich anderes, etwa die Menschen, die fürs Make-up zuständig waren. Selbst vor der Kamera zu stehen, hat mich eigentlich nie gereizt. Erst als ich mit 14 Jahren einen kleinen Auftritt in Kevin Smiths Film „Tusk“ hatte, habe ich gemerkt, dass das vielleicht doch etwas für mich sein könnte. So bin ich auf den Geschmack gekommen.

Die Karriere ist ihr eigenes Ding

Aber berühmte Eltern öffnen sicher Türen?
Das kann schon sein. Allerdings lege ich viel Wert darauf, dass meine Karriere mein eigenes Ding ist und meine Eltern damit nichts zu tun haben. Deswegen habe ich auch keine Lust, in Interviews ständig über sie zu sprechen. Die Rollen, die ich bisher gespielt habe, habe ich auch nicht bekommen, weil ich ihre Tochter bin. Dafür sind viel eher meine Freundinnen verantwortlich.
Tatsächlich?
Oh ja. Dass ich damals kurz für Kevin Smith vor der Kamera stand, lag an seiner Tochter Harley, mit der ich schon seit Ewigkeiten befreundet bin. An ihrer Seite habe ich dann auch in seinem Film „Yoga Hosers“ meine erste große Rolle gespielt. Und dass ich in „Die Tänzerin“ mit dabei bin, habe ich SoKo (französische Sängerin und Schauspielerin) zu verdanken, die die Hauptrolle der Loie Fuller spielt. Wir haben uns angefreundet, seit wir beide in Los Angeles leben, und als die Regisseurin Stéphanie Di Giusto nach einer Darstellerin für Isadora Duncan suchte, stellte sie den Kontakt zwischen uns her.
Als Sie nach Los Angeles zogen, brachen Sie in Paris die Schule ab. Tragen Sie sich jetzt in den USA mit dem Gedanken, vielleicht Schauspielerei zu studieren?
Mit der Schule habe ich aufgehört, weil ich nach den ersten Dreharbeiten merkte, dass ich das Abitur einfach nicht mit meinem Traum von der Schauspielkarriere unter einen Hut bekomme. Das ist auch jetzt nicht anders. Ich will weiter so spannende und unterschiedliche Rollen spielen, wie ich es gleich in meinem ersten Berufsjahr durfte. Warum also sollte ich jetzt doch wieder eine Schule besuchen? Bislang jedenfalls habe ich nicht den Eindruck, dass die Schauspielerei etwas ist, wofür ich Unterricht nehmen muss. Vor der Kamera jemand anderen zu verkörpern, ist eine derart persönliche, instinktive Angelegenheit, dass ich den Zugang dazu ganz allein in mir selber finden will.