Stundenlanges Zocken am Handy oder Computer – und kaum noch Interesse an anderen Aktivitäten. Das könnte auf eine Computerspielsucht hindeuten. Foto: imago/AAP/Dean Lewins

Junge Menschen verbringen in der Coronapandemie mehr Zeit mit Computerspielen oder sozialen Medien. Immer häufiger nimmt das auch krankhafte Züge an. Dahinter stecken oft Ängste.

Stuttgart - Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg verbringen mehr Zeit mit sozialen Medien und Computerspielen als vor der Pandemie. Experten zufolge zeigen zudem mehr junge Menschen ein krankhaftes Nutzungsverhalten: „In der Coronapandemie hat die Mediennutzung und die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen“, sagte Michael Günter, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie im Klinikum Stuttgart. Dort seien demnach vermehrt Kinder und Jugendliche in Behandlung, die Schwierigkeiten mit einem exzessiven Medienkonsum haben.

„Die problematische, teils auch unkontrollierte Mediennutzung hat sich in der Pandemie verstärkt“, berichtete auch Petra Müller vom baden-württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv), der mehrere Kompetenzzentren für Mediensucht betreibt. „Die Jugendlichen sind auf Online-Angebote ausgewichen, weil andere Freizeitangebote in der Pandemie fehlen“, so Müller, die als Psychologin in einer Beratungsstelle in Bruchsal selbst Betroffene berät.

Dramatische Folgen für die Entwicklung möglich

„Es wird entscheidend sein zu sehen, ob die exzessive Nutzung auch bleibt, wenn es wieder mehr andere Freizeitbeschäftigungen gibt.“ Für die größte Gefahr hält Müller, wenn Jugendliche in Spielewelten abdriften. Den Austausch mit anderen zu verpassen könne auch längerfristig dramatische Folgen für die Entwicklung junger Menschen haben, etwa weil viele soziale Fähigkeiten nicht erlernt würden.

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Die Mediensucht sei „in den allermeisten Fällen“ allerdings nur ein Symptom, sagte der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Günter. „Die eigentlichen krankheitswertigen Störungen dahinter mit einer deutlichen Zunahme sind vor allem sozialer Rückzug, soziale Ängste, Depressionen, schwere Persönlichkeitsentwicklungsbeeinträchtigungen. In Folge dieser Belastungen und Erkrankungen entwickeln manche dann übermäßigen Medienkonsum und Mediensucht.“ Sehr stark angestiegen sei die Inanspruchnahme der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Günter zufolge insbesondere „durch die Pandemiebelastungen aufgrund von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen“.