Die Gaechinger Cantorey im Foyer des Ludwigsburger Forums Foto: Bachakademie/akademie

Die Internationale Bachakademie eröffnet in Ludwigsburg und Stuttgart ihre Saison mit Händels Oratorium „Samson“.

Es gibt viele Stellen in der Bibel, da müsste frau eigentlich einen Blutdrucksenker einwerfen, um sie zu ertragen. So auch in Händels alttestamentarischem Oratorium „Samson“. Darin lässt Samson sich von Dalila, Spionin der Feindesseite, das Geheimnis seiner Kräfte entlocken: sein pompös wallendes Haupthaar, das Dalila dem schlafenden Krieger ratzfatz abrasiert. So landet Samson kraftlos und geblendet in den Händen der Philister. Ist Dalila bloß eine fiese Verführerin? Grund jedenfalls, das Recht des Mannes zu besingen, sich die Frau untertan zu machen: Im Chorstück „To man God’s universal law“ hat Händel diese Bibelbotschaft in kunstvolle, koloraturenreiche Polyfonie überführt – eine der ganz großen Nummern dieses genial komponierten Oratoriums, mit dem die Internationale Bachakademie und ihr Chef Hans-Christoph Rademann jetzt ihre Abosaison im Ludwigsburger Forum eingeläutet haben.

 

Samson vegetiert dahin

Ein fast vierstündiger Abend, an dem vor allem der Chor der Gaechinger Cantorey zeigte, dass er derzeit in allerbester Verfassung ist: mit kompakter, plastischer Fülle in den homofonen Sätzen, federnd und weich in den Koloraturen, mit fein ausgeloteter Tiefenschärfe in den Chorfugen, strahlkräftig und dramatisch. Großartig aber auch das Orchester, das in der Leitung Rademanns lebendig, quirlig, farbig als Stimmungsbarometer und Seelenspiegel der Singenden agierte. In Händels Oratorium vegetiert Samson bereits in Gefangenschaft dahin. Es geht um das Innenleben der Beteiligten. Selbst Samsons suizidaler Crash des feindlichen Tempels bleibt Episode. Die verfeindeten Israeliten und Philister dürfen dagegen in einem Chor jeweils ihren Gott, Jehova und Dagon loben – eher gemeinsam feiernd als gegeneinander singend.

Die schönste Arie für Dalila

Auch Dalila hat Händel Differenzierung zukommen lassen. Er schenkte ihr die schönste Arie des Werks, in der sie Reue zeigen darf. Sopranistin Robin Johannsen sang das sehr berührend. Jesus hätte Dalila wohl verziehen. Gänsehautfördernd auch ihr Duett mit der fantastischen Sopranistin Yeree Suh. Mit dem Tenor Joshua Ellicott als Samson stand ein Ausdruckssänger auf der Bühne, bei dem es nicht darauf ankommt, dass jede Koloratur perfekt sitzt. Eindringlich vermittelte er die Verzweiflung, Depression und Wut des gestürzten Helden. Mit dem koloraturenstarken Countertenor Alex Potter als Micah stand Samson ein hörbar mitfühlender Freund zur Seite. Und auch Markus Eiche als Vater Manoa vermochte dessen Qual eindrücklich in Musik zu verwandeln.