Auch das gemeinsame Spielen – hier beim „Mensch-ärgere-dich-nicht“ gehört zum WG-Leben dazu. Foto: Schneider

Sechs unbegleitete Flüchtlinge leben in der Sulzer Jugendwohngemeinschaft. Neben Berufsschule und Deutschlernen sind Ausbildung und Fußballspielen im Verein angesagt.

Die Begeisterung ist Stephan Gürtler sichtlich anzumerken. „Es ist einfach toll, was die Jungen hier leisten“, erklärt der 28-Jährige.

 

Mit seinen „Jungen“ meint er die sechs Heranwachsende in der Jugendwohngemeinschaft auf der Schillerhöhe. Vor einem Jahr eröffnete die WG des Diasporahauses für unbegleitete Jugendliche, seither hat sich viel getan.

Exzellente Deutsch-Lerner

„Sie sind nach einer oft jahrelangen Flucht in ein ihnen vollkommen fremdes Land gekommen“, beschreibt der Jugend- und Heimerzieher die näheren Umstände. Dann Deutsch – eine schwierige und komplizierte Sprache.

„Alle sind jetzt auf A2-Niveau, einer hat sogar schon seine B1-Prüfung erfolgreich abgeschlossen“, erzählt Gürtler stolz. Da merke man – die Jugendlichen sind hoch motiviert und sehen ihre Zukunft eindeutig in Deutschland.

Ausbildung und Berufsschule

Ursprünglich aus Syrien, Tunesien, Gambia und Nigeria, hätten sie ihr Lebensumfeld mittlerweile in Sulz gefunden. So kickten drei regelmäßig im Fußballverein, zwei haben seit Anfang September ihre Ausbildung in lokalen Betrieben angefangen.

„Jetzt geht es wieder mit der Schule und dem Deutschlernen weiter“, kommt er auf das Ende der Sommerferien zu sprechen. Denn alle sitzen – sofern sie nicht in ihrem Unternehmen sind – in den Klassen der Beruflichen Schulen Oberndorf-Sulz.

Bootsfahrt und Minigolf

Die freie Zeit habe man zu gemeinsamen Aktivitäten genutzt. „Wir waren drei Tage in Heidelberg und haben uns die Altstadt und den Zoo angesehen“, blickt Gürtler zurück. Denn eine der Aufgaben sei, den Jugendlichen das deutsche Leben und die Kultur näherzubringen.

Aber auch das Technikmuseum in Speyer, eine Exkursion nach Konstanz samt Bootsfahrt oder Minigolf – inklusive der Adventure-Version – standen auf dem Programm.

Gemeinsamer Großputz

„Wir geben Struktur, bereiten aufs eigenständige Leben vor und sind Ansprechpartner bei Problemen“, skizziert er die Aufgaben der Betreuer. So sei der gemeinsame Wocheneinkauf dazu da, den verantwortungsvollen und vorausschauenden Umgang mit Geld zu lernen.

„Einmal die Woche ist Großputz“, kommt er auf einen weiteren Baustein der WG zu sprechen. Das bedeute, jeder erhalte einen Teilbereich, etwa das Ess- oder Wohnzimmer, die Küche oder den Flur, und habe diesen zu putzen.

Freundeskreis in Rottweil

Doch seien die kulturellen Aktionen natürlich keine Einbahnstraße. „Wir feiern auch das Zuckerfest zusammen“, kommt Gürtler auf das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu sprechen.

Die Betreuung in der Wohngruppe erfolge wochentags, an den Wochenenden sind die Jugendlichen auf sich gestellt. „Sie besuchen Freunde in Rottweil oder Familienangehörige in Sulz“, beschreibt er die freie Zeit.

Ungewissheit bei Asylanhörung

Aber auch die Vereine im Ort oder der kleine Fitnessraum würden rege in Anspruch genommen. Doch es gibt auch schwierige Momente. vor allem, wenn die Anhörung anstehe. „Da sind natürlich Gedanken da wie ‚Was passiert, wenn der Asylbescheid abgelehnt wird?‘“, spricht Gürtler belastende Situationen an.

Aber auch da stehen er und sein Team an der Seite der Jungen und unterstützen sie nach Möglichkeiten. Aber trotz dieser Unabwägbarkeiten und Ungewissheiten haben sie sich etwas vorgenommen.

„Wir wollen einen Stand bei ‚Sulz erstrahlt‘“, sagt er. Dort könne man selbst hergestellte Sachen verkaufen und ins Gespräch mit den Leuten kommen.

Jugendhilfe vor Ort

Das Diasporahaus Bietenhausen
ist eine vorwiegend dezentral gegliederte Jugendhilfeeinrichtung mit einem breit gefächerten Angebot für Kinder, Jugendliche und Familien im Zollernalbkreis sowie den Landkreisen Tübingen und Rottweil.

Ziel
ist, für die Kinder und Jugendliche einen sicheren Ort zu schaffen, der Entwicklung fördert und persönliches Wachstum zulässt.