Arme – beziehungsweise Daumen – hoch geben die Gemeinderäte dem Juks³ für die geleistete Arbeit im Bereich der Integration und Flüchtlingsarbeit. Foto: Riesterer

Juks³-Leiter Marcel Dreyer hat im Gemeinderat jüngst verdeutlicht, dass die Flüchtlingsarbeit inzwischen ein wesentlicher Bereich der Arbeit seiner Abteilung ist.

Schramberg - "Seit dem 25. Februar haben wir einen kontinuierlichen, sprunghaften Anstieg von Menschen, die aus der Ukraine nach Schramberg kommen", begann Dreyer seinen Bericht zum "Strategiekonzept Fluchtbewegung 2022". Stand jetzt, sagte er am Donnerstagabend, waren es binnen vier Wochen 149 Personen – darunter 16 erwachsene Männer. Die meisten seien Frauen und Kinder – "darunter relativ wenige Kleinkinder", so Dreyer.

Schnell wurde eine seiner Kern-Essenzen klar: Dank der Strukturen, die vielerorts durch die Flüchtlingswelle ab 2015 aufgebaut werden mussten, konnte in der aktuellen Krise vieles schneller und effizienter angegangen werden: "Wir haben sofort einen Ukraine-Stab mit den betroffenen Abteilungen gebildet, um uns strategisch-konzeptionell gut aufzustellen." Angegangen wurde: "Womit müssen wir rechnen und welche Maßnahmen müssen wir ergreifen?"

Was sind die Grundannahmen zur Krise?

Die Geflüchteten aus der Ukraine würden, "auch wenn sie natürlich alle hoffen, dass der Krieg schnell vorbei ist und sie nach Hause können", voraussichtlich mindestens zwei Jahre hier sein. Derzeit, so Dreyer, gehe man von einer Million Ukrainern aus, die nach Deutschland kommen – in Schramberg wären dies aufgeschlüsselt 195 Menschen (bei 1,5 Millionen kämen vor Ort 290 Geflüchtete unter). "Dazu kommt, dass der Zuzug aus anderen Ländern mindestens stabil bleibt", erläuterte Dreyer, dass in diesen Situationen oft Fluchtrouten mitgenutzt würden. In der Erstaufnahmestelle im Kreis sei die Verteilung 50/50, untermauerte Dreyer.

Was sind die rechtlichen Besonderheiten?

"Die Ukrainer haben einen sofortigen Aufenthaltsstatus", so der Juks³-Leiter. Das mache vieles leichter, die Kommune sei aber auch schneller in Verantwortung: Die Anschlussunterbringung müsse sofort oder nach sechs Monaten gestellt werden. "Ohne das funktionierende Netzwerk hätten wir da ein Mega-Problem gehabt."

Bauchschmerzen bereite ihm der bevorstehende Rechtskreiswechsel für ukrainische Geflüchtete vom Asylbewerberleistungsgesetz in das Sozialgesetzbuch II – dann seien für die beantragten Leistungen die Jobcenter zuständig. Werden die nötigen Voraussetzungen erfüllt oder beantragt, sind zwar umfassende Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts, für die Gesundheitsversorgung und die Integration gewährleistet. Die Anträge seien aber auch ungleich aufwendiger, "da wird vieles komplizierter. Die Jobcenter sind da nicht darauf vorbereitet", so Dreyer. Ein Vorteil: Die Menschen aus der Ukraine können sofort arbeiten. "Manche sind auch schon vermittelt", so der Abteilungsleiter.

Wie ist der Stand bei der Unterbringung?

Die Unterbringung bleibt eine der zentralen kommunalen Aufgaben, die Steuerung erfolgt über den Landkreis. "Viele sind anfangs direkt privat untergekommen, da wurde vom Arbeitszimmer über Sofalösungen bis zu Einliegerwohnungen alles angeboten – teils auch Wohnungen, die jahrelang nicht auf dem Markt waren", so Dreyer. Gesamt stünden der Stadt noch mehr als 30 Unterkünfte zur Verfügung, darunter vier städtische Wohnungen. Vier Gemeinschaftsunterkünfte des Landkreises gebe es derzeit in Schramberg – zwei in der Talstadt, eine in Tennenbronn und eine in Heiligenbronn. "Unser Handlungsprinzip lautet auch hier: Autonomie und Selbstständigkeit", so Dreyer in Überleitung zum nächsten Punkt.

Wie ist die Auslastung bei der Beratung, wie der Stand bei Sprachkursen?

"Fast alle sind schon mal da gewesen", sprach Dreyer einen hohen Andrang in der Ukraine-Sprechstunde an. Die Auslastung im Integrationsbereich war allerdings schon vor der Ukraine-Krise deutlich gegeben. Beratung werde auch für Geflüchtete in Lauterbach, Hardt und Aichhalden angeboten – der Bedarf wird in allen vier Kommunen weiter steigen, "obwohl die Ehrenamtlichen da schon sehr viel abfangen", so Dreyer.

Ein Schnell-Sprachkurs mit 18 Teilnehmern laufe, ein zweiter sei in Planung. "Der wird dann vom Verein ›Füreinander Miteinander‹ bezahlt", dankte Dreyer. Auch hinsichtlich der Dolmetscher habe sich der stetige Aufbau eines Stammes an Ehrenamtlichen ausgezahlt: "Man merkt einfach: Es ist gut, wenn man da Strukturen aufbaut und pflegt", betonte der Juks³-Leiter.

Gibt es genügend Kita- und Schulplätze?

"Die Kitas sind zumeist voll", verwies Dreyer auf den Bericht zur Kita-Bedarfsplanung 2022, der am kommenden Donnerstag im Verwaltungsausschuss ansteht. Die Situation gehe aber, weil eben bislang nicht viele Kleinkinder unter den Geflüchteten seien. Die Aufnahme in den Willkommensklassen der Schulen klappe sehr gut: "Kinder regeln das meist selbst."

Wie sehen Fazit und Ausblick aus?

"Wir haben in vier Wochen 140 Menschen ein Dach über den Kopf gegeben, sie mit Kleidung und allem Notwendigen versorgt", sprach Dreyer von einem außergewöhnlich guten Start dank eines funktionierenden Netzwerks, professionellen Personals und herausragenden Engagements im Ehrenamt in verschiedensten Bereichen. Die weitere Entwicklung selbstverständlich sei äußerst unklar. "Die Lage ist dynamisch – wir sind’s aber auch", versprach Dreyer abschließend.

Bericht von 2017 bis heute

Schon zuvor hatte Marcel Dreyer über die Entwicklung der Flüchtlingsarbeit des Juks³ seit 2017 berichtet – unabhängig von der Ukraine-Krise, die CDU hatte dies während der Haushaltsdiskussion beantragt.

2017 habe der Gemeinderat unter anderem mit der Einrichtung einer Integrationsbeauftragten in Teilzeit auf die Geflüchtetenzahlen reagiert. Mit der Sozialberatung, "in der wir zurzeit mit 2,5 Stellen rund 650 Personen beraten, haben wir ein umfassendes Angebot, das Geflüchtete in jeglicher Lebenslage zur Selbsthilfe befähigt", so Dreyer. Ziel sei stets gewesen, die Arbeit auf möglichst wirksame Bereiche zu fokussieren und diese auszubauen.

Frühkindlichen Ansatz verfolgen

Häufigstes Beratungsthema sei das Wohnen – die verpflichtende Anschlussunterbringung ab 2019 habe einen Paradigmenwechsel dargestellt. Zum 28. Februar seien von den rund 160 unterzubringenden Personen von 2017 nur noch vier in Zwischenmiete der Stadt gewesen. Die Anschlussunterbringung bei guten Wohnbedingungen mit Fokus auf die zweite Generation müsse mit Blick auf entsprechende Refinanzierung fortgeführt werden, so Dreyer.

Dem frühkindliche Ansatz werde mit der Schaffung und Förderung von Sprachkitas oder individueller Nachhilfe mit Vorlese-Paten Rechnung getragen, das Deutschlernen durch teils spendenfinanzierte Integrations- und Sprachkurse an der VHS ergänzt. Auch das bleibe, so Dreyer "deutlich kostenpositiv".

Beispiel aus dem Gewaltschutz

Melissa Otte führte als Beispiel für die vielschichtigen und langwierigen Arbeitsprozesse ein Beispiel aus dem Bereich Gewaltschutz auf, bei dem eine geflüchtete Frau mit zwei Kindern – seit 2016 seien bei der Familie unter anderem das Asylverfahren oder das Vermitteln von Kita-Plätzen begleitet worden – mehrfach wegen Gewalt in der Ehe unterstützt werden muss. Was wiederum beispielsweise Telefonate, Behördengänge und die Vermittlung ins Frauenhaus nach sich zieht. Alles in einer Situation, in der die Frau in ihrem emotionalen Ausnahmezustand aufgefangen und psychisch stabilisiert werden muss, betonte Otte.

Blick nach vorne

Alle genannten Bereiche, bei denen die Kompetenz bei der Kommune liege, waren bis 2017 systematisch nicht verankert, erinnerte der Leiter des Juks³. Wie sieht da der Blick nach vorne aus? Die Endfassung des Berichts, sagte Dreyer, sei am 23. Februar vorgelegen – die darin formulierten Trends und Entwicklungen seien also zwei Tage später "von der Realität massiv überholt und teils neu definiert worden". Klar sei aber: Die Megatrends demografischer Wandel und Migration werden bleiben und mittelfristig müsste in Schramberg die Frage geklärt werden, wie lange die Menschen begleitet würden. "Aktuell ist das Antragstellen der Einbürgerung der Moment, an dem wir aufhören", informierte Dreyer.

Dank der Räte

Thomas Brugger (CDU) dankte – wie alle Redner – ausführlich Dreyer, seinem Team und allen Ehrenamtlichen des Juks³. Dass die Sprachförderung nun als zentraler Punkt gesehen und gefördert werde, finde er wichtig. Die Folgen, dass dieser Bereich einst weniger bedeutend war, seien die "Parallelgesellschaften", in denen etwa Italien- oder Türkeistämmige bis heute lebten, die vor Jahrzehnten nach Deutschland gekommen seien. Er finde, beim "Beginn" der Integration dürfe nicht gespart werden – die Kosten für jahrelang in Anspruch genommene Hilfeleistungen seien ungleich größer.

Fraktionssprecher Thomas Brantner regte an, diesen Bericht jährlich zu wiederholen. Das sei geplant, so Dreyer. Er wolle greif- und vergleichbare Fakten liefern – auch wenn das bei der Integrationsarbeit nicht einfach sei.

Verteilung in den Kitas

Auf Nachfrage von Barbara Kunst (CDU) zur ungleichen Verteilung der Kinder aus Flüchtlingsfamilien in Kitas konnte Dreyer nur mutmaßen, dass diese Familien kommunale Einrichtungen den kirchlichen gegenüber bevorzugten. Die Zahlen dort würden inzwischen allerdings auch steigen. Mittelfristig solle und werde sich dies gesamtstädtisch ausgleichen.

"Ich würde fast von einer Zentralisierung in der Talstadt sprechen", sagte Ralf Rückert (Freie Liste) hierzu. Er regte an, geflüchtete Familien verstärkt in den Stadtteilen unterzubringen und Kinder auch dort in Einrichtungen zu schicken. Aus dem Grund, dass die dortige Nähe zu den Bewohnern einen besseren Spracherwerb fördere. Zudem könnten Kinder und Eltern in den Vereinen schnelleren Anschluss finden. Dem stimme er zu 100 Prozent zu, so Dreyer. In der Talstadt gebe es schlicht mehr bezahlbaren Wohnraum.