Düstere Wolken über der Schlecker-Zentrale in Ehingen. Weil das Unternehmen zahlungsunfähig ist, hat der vorläufige Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz dort am Montag seine Arbeit aufgenommen. Foto: dpa

Arbeitnehmervertreter sehen in der Insolvenz Grund zur Hoffnung: „Das Geeiere ist vorbei.“

Stuttgart/Ehingen - Die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats des Ehinger Drogeriekonzerns üben sich in Optimismus. Am Montag haben rund 60 Betriebsräte aus der Region im Stuttgarter DGB-Haus das weitere Vorgehen beraten. „Wir sehen die Situation positiv“, sagt Gesamtbetriebsratsvorsitzende Christel Hoffmann gegenüber unserer Zeitung. „Jetzt wird der ganze Prozess endlich in geordnete Bahnen gelenkt, das Geeiere der vergangenen Monate ist nun vorbei.“

Wie das Amtsgericht Ulm bestätigt, hat Schlecker am Montag den Antrag auf Planinsolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Schlecker will den Antrag mit einem Vorschlag zur Sanierung verbinden. Die bestehende Geschäftsleitung soll das Ruder in der Hand behalten. Genau solch ein Plan zur Unternehmensrettung fehlt aber bisher offenbar.

Gläubiger mit Vorbehalten

Auch ob die Gläubiger und der vorläufige Insolvenzverwalter einer Sanierung unter der Regie der aktuellen Geschäftsführung zustimmen, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen. Experten halten dies für fraglich: Einer der wichtigsten Gläubiger, der Einkaufsverbund Markant, hat wohl Vorbehalte gegen den Schritt geäußert.

Als vorläufigen Insolvenzverwalter hat das Amtsgericht Ulm gestern Arndt Geiwitz bestellt. Seine Kanzlei Schneider Geiwitz & Partner war etwa für die Insolvenz des Druckmaschinenherstellers Manroland zuständig. Geiwitz selbst war bereits vorläufiger Insolvenzverwalter beim Nutzfahrzeughersteller Kögel-Fahrzeugwerke und bei der Budget Autovermietung Deutschland. Der 42-jährige Diplomkaufmann, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wird seit 2000 an elf Gerichten regelmäßig zum Insolvenzverwalter bestellt.

Nach einer ersten Bestandsaufnahme in Ehingen zeigt er sich zuversichtlich, dass zumindest kurzfristig die uneingeschränkte Betriebsführung sichergestellt werden kann. Wie lange Geiwitz nun braucht, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt sind, konnte er am Montag noch nicht sagen. Die Gespräche mit den Lieferanten über die künftige Zusammenarbeit sollen jedoch bereits diesen Dienstag beginnen.


Insolvenz spart Personalkosten ein

Das Unternehmen hat unterdessen angekündigt, dass es an tariflichen Vereinbarungen festhalten will. Das habe die Unternehmensleitung dem Gesamtbetriebsrat zugesichert, sagt Christel Hoffmann. Bis zum 30. Juni gilt bei Schlecker noch ein Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung.

Eigentlich wollte Schlecker in den kommenden Monaten in Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi treten, um einen Sanierungstarifvertrag auf den Weg zu bringen. „Familie, Management und Insolvenzverwalter sehen sich auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens den tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet“, teilt das Unternehmen mit.

Kurze Verschnaufpause

Durch die Insolvenz spart das Unternehmen eine erhebliche Summe Personalkosten: „Wenn man als Entgelt des einzelnen Mitarbeiter 1500 Euro zugrunde legt, dann wird das Unternehmen in der Zeit, in der Insolvenzgeld gezahlt wird, mindestens 90 Millionen Euro sparen“, sagt Ehrenfried Goericke, Rechtsanwalt aus Reutlingen. Dies ermöglicht dem Unternehmen eine kurze Verschnaufpause. Goerike schließt jedoch nicht aus, „dass man für bestimmte Gruppen versuchen wird, den bestehenden Kündigungsschutz aufzulösen“.

Die Rede ist von den Mitarbeitern in Filialen, die so unrentabel sind, dass sie geschlossen werden. „In solchen Fällen könnte es sein, dass es nicht mehr zu einer Sozialauswahl kommt, sondern dass diese Arbeitsplätze wegfallen“, sagt Goerike. Ob Schlecker an dem Plan festhält, bis März etwa 600 Filialen zu schließen, wollte das Unternehmen am Montag nicht sagen. Alle zukünftigen wirtschaftlichen Entscheidungen muss das Unternehmen von Arndt Geiwitz absegnen lassen.

Milliardär Anton Schlecker

Von dem Insolvenzantrag betroffen sind nach Unternehmensangaben die Anton Schlecker e. K., die Schlecker XL GmbH sowie die Schlecker Home Shopping GmbH. Aktuell nicht Bestandteil des Antrags seien die Ihr Platz GmbH sowie die Auslandsgesellschaften. Ausgelöst wurde die Insolvenz offenbar, weil der Einkaufsverbund Markant einen zweistelligen Millionenbetrag für gelieferte Waren forderte, den Schlecker nicht mehr zahlen konnte.

Firmengründer und Eigentümer Anton Schlecker wird in den einschlägigen Listen als Milliardär geführt, seine Familie hat aber in den vergangenen Jahren erhebliche Beträge in das seit 2008 defizitäre Unternehmen eingeschossen. Schlecker hatte kaum Kreditverbindungen zu Großbanken. Nach Expertenmeinungen hat Schlecker zumindest einen Teil seiner Geschäfte in der Rechtsform des „eingetragenen Kaufmanns“ geführt. Für die Forderungen an diese Gesellschaft hafte er persönlich.