Die Gruppe startet zur Testfahrt – und stößt auf viele Hindernisse. Foto: Steinmetz

Auch Menschen mit Behinderungen wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Im Alltag begegnen ihnen teils unüberwindliche Hindernisse. Die Inklusionsgruppe in Sulz hat die Stadträte dazu eingeladen, sich davon bei einem Selbsttest ein Bild zu machen.

Sulz. Im Rollstuhl, mit Rollator oder dem Blindenstock von der Halle 16 zum Sulzer Marktplatz: Das kann ein Abenteuer werden. Der normal Gehende schafft die Strecke in ein paar Minuten, Menschen mit Handicaps brauchen dafür gut eine halbe Stunde.

 

Johanna Schrön und Hans Gühring haben es getestet. Schade, dass nur die beiden GAL-Stadträte gekommen waren. André Amon (SPD) ließ sich immerhin entschuldigen. Die Inklusionsgruppe von Gabriela Jansen, die in diesem Jahr vom Stadtgarten in die Halle 16 gezogen ist, will demonstrieren, dass Sulz noch lange nicht barrierefrei ist. Als Fachkundiger mit dabei ist Konrad Flegr, Projektkoordinator der Aktionsgemeinschaft GIEB (Gestalten,Informieren, Erleben, Beteiligen) im Landkreis Rottweil.

Schotterfläche das erste Hindernis

Also rein in den Rollstuhl: Die kleine geschotterte Fläche auf dem Hof ist das erste Hindernis. Runter geht’s, aber rauf auch? Hans Gühring hat Mühe wieder hochzukommen. Die Aufgabe ist, selbstständig den Weg zum Marktplatz zu finden. Langsam setzt sich die Gruppe in Bewegung.

Ein kleiner Stopp wird bereits am „Neckarstrand“ auf dem Wöhrd eingelegt. Dort sind abends gerade wieder Veranstaltungen, die auch die Mitglieder der Inklusionsgruppe gern und regelmäßig besuchen. „Wir sind Teil der Gesellschaft und möchten dazu gehören“, formuliert Sabine Ludi, die blind ist, den Anspruch der Menschen mit Behinderungen. Johanna Schrön fährt mit dem Rollstuhl in den Sand. Die Räder versinken, Rauskommen aus eigener Kraft ist nicht möglich.

Bordstein nur rückwärts zu überwinden

Wie kommt man über die Straße? Diese Frage stellt sich am Kiosk. Gleich über die Straße zu gehen, ist nicht ratsam, die Gruppe macht den Umweg zum Zebrastreifen an der Kreissparkasse. Die Autofahrer warten geduldig. Es dauert auch etwas. Hans Gühring muss erst einmal herausfinden, dass die gegenüberliegende Bordsteinkante, obwohl abgeflacht, nur rückwärts überwunden werden kann. Nach vier Versuchen hat es geklappt, Johanna Schrön braucht dagegen Hilfe.

Ein echter Witz

Das gleiche Problem an der Uferstraße rüber zur Waldhornbrücke. Von der dort geht es vergleichsweise zügig zur Sonnenstraße, doch hier ist wieder guter Rat teuer. Der Bordstein ist an der Einfahrt zwar abgesenkt, nur parkt ausgerechnet an der Stelle ein Auto – keine Seltenheit. Ein paar Meter weiter ist der Zebrastreifen. Aber, „so ein Witz“, entfährt es Hans Gühring, die Bordsteinkanten sind zu hoch für einen Rollstuhl. Das ist ihm bisher noch gar nicht aufgefallen.

Erst bei der Sonne-Post kommt die Gruppe über die Straße. Auf den Gehwegen drohen ebenfalls Hindernisse – Mülltonnen, die den Weg versperren. Eine Sammelstelle für die Abfalleimer wäre eventuell eine Lösung. Gühring könnte sich das zumindest vorstellen. Weit ist es jetzt nicht mehr zum Marktplatz. Ein letztes Mal muss die Straße auf dem Zebrastreifen überquert werden. Auch dort zeigt es sich: Der Bordstein ist für Rollstuhlfahrer nur mit fremder Hilfe zu schaffen. Am Ende sind die Testfahrer ziemlich durchgeschwitzt.

Diskussion in der Halle 16

Vorausgegangen war eine Diskussion an der Halle 16. Aktuelles Thema: Der Kreisverkehr im Kreuzungsbereich, der zur Zeit neu gebaut wird. Die Menschen mit Gehbehinderungen sind nicht gefragt worden, was sie sich für ihre Belange wünschen. Sabine Ludi bräuchte als nicht Sehende beispielsweise eine Orientierungshilfe, wenn die Ampel nicht mehr aufgestellt wird. „Akustische Signale würden helfen, sonst höre ich nur Autos, und das macht Angst“, meint sie. Zumal sie nicht wissen kann, ob Autofahrer anhalten. Der Ampelanlage trauert sie nach: „Sie war toll.“ Wichtig wäre jedenfalls, so Gabriela Jansen, dass Leitlinien angebracht werden.

Lob für Hilfsbereitschaft

„Wir wollen aber nicht nur meckern“, sagt Sabine Ludi. Als positives Beispiel nennt sie den Bahnhof , „wenn der Aufzug funktioniert“. Das sei aber öfters nicht der Fall, wohl wegen Vandalismus, wie Gühring vermutet. Schön findet Sabine Ludi auch die Hilfsbereitschaft in Sulz. Um Unterstützung zu bekommen, „brauchen wir nur zu fragen“. Gut wäre allerdings, wenn es in der Stadt einen ehrenamtlichen Behinderten-Beauftragten gäbe. Hans Gühring zieht ein Fazit: „Das Bewusstsein für die Probleme der Menschen mit Behinderung fehlt.“