Sonja Ruf will in Zukunft nur noch für Zeitungen und Zeitschriften schreiben. Foto: Franziska Ruf

Sonja Ruf, in der Region immer wieder auf Lesereise, legt ihr neues Buch "Das Flussbad-Wunder" vor. Es soll ihr letztes literarisches Werk sein.

Loßburg/Freudenstadt - Die Autorin, großteils in Loßburg-Schömberg und Freudenstadt aufgewachsen, blickt auf ein Werk, das mehr als ein Dutzend Bücher umfasst, zurück. Im Interview mit unserer Redaktion stellt sie ihre Sicht auf das Dichterdasein dar.

Jetzt ist der bei Ihrem letzten Lesetermin im vergangenen Herbst in Freudenstadt angesprochene Sammelband erschienen. Wie weit sind Ihre Vorhaben eines neuen Kinderbuchs und eines Erinnerungsbandes inzwischen gediehen?

Meinen zweiten Kinderroman schreibe ich wohl in diesem Jahr zu Ende. Ich hatte schon geglaubt, fertig zu sein, aber zwei kompetente Erstleserinnen kritisierten zu Recht einige Punkte, sodass ich mich entschied, eine komplett neue Fassung des schon einmal zu Ende geschriebenen Romans zu erstellen. Der Arbeitstitel ist immer noch "Die freche Oma und die Kinder der Waldsiedlung". Lektorat und Korrekturen in Abstimmung mit dem Verlag kosten viel Zeit. Ich gehe jetzt davon aus, den Roman erst 2023 als Buch in den Händen zu halten. Das Erinnerungsbuch, von dem ich sprach, wird es nicht mehr geben, denn ich habe mich entschieden, nach dem Kinderroman keine Bücher mehr zu veröffentlichen.

Weshalb?

Es macht ungefähr ein Jahr lang glücklich, einen Roman zu schreiben. Der Rest ist Mühe! Immer mehr Tätigkeiten, die früher die Verlage übernommen haben, werden auf die Autoren und Autorinnen abgewälzt. Dazu zählen Lektorat, Korrekturen, Pressearbeit, Organisation von Lesungen. Dann muss ich mir auch noch Vorwürfe machen lassen, wenn es mir nicht gelingt, genug Bücher selbst zu verkaufen. Bücher sind Wegwerfprodukte einer Überflussgesellschaft geworden und werden nicht mehr als wertvolle, einmalige Kulturgüter geschätzt. In Zukunft schreibe ich nur noch für Zeitungen und Zeitschriften, die mich direkt nach Textabgabe honorieren.

Worauf blicken Sie literarisch zurück?

14 Bücher sind genug. Das bedeutet 14 Mal sehr gute Rezensionen in wichtigen großen Feuilletons, 14 Mal fast keine Präsenz im Buchhandel, 14 Mal ein paar hundert verkaufte Exemplare pro Buch und enttäuschte Verleger. Ich bin dankbar für etliche Förderungen. Ich will aber nicht mehr gönnerhaft unterm Kinn gekrault, sondern für mein literarisches Werk geehrt werden.

Die fünf Erzählungen in »Das Flussbad-Wunder« sind größtenteils bereits verstreut publiziert worden. Alle Texte wurden überarbeitet und teilweise mit neuen Titeln versehen. Was war der Anlass dafür?

Das neue Buch "Das Flussbad-Wunder" greift noch einmal alle Themen auf, die mir im Leben und in meiner Arbeit wichtig waren: Liebe, Solidarität, erotische Beziehungen, Witz, Spontaneität, die Frage danach, ob es möglich ist, in diesem sich oft falsch anfühlenden Leben durch Abenteuerlust und die Freude am Miteinander ein Leben zu führen, das sich ab und zu richtig anfühlt. Auch wenn die Erzählungen zum Teil anderswo publiziert wurden, so sind diese Veröffentlichungen nicht mehr zugänglich.

In Ihre Erzählungen flechten Sie heimatliche Bezüge ein: Ihren Lebensmittelpunkt Saarbrücken oder Ihr Aufwachsen in Loßburg-Schömberg und Freudenstadt. Wie erklären Sie diese Rückbindung?

Ich habe einen Stil und eine Sprache, die eigenwillig und auch als meine wiedererkennbar ist. Wiedererkennbar und eigenwillig ist auch meine Erzählhaltung. Ich knüpfe meine Heldinnen wie mit einem seidenen Band am Boden der Realität fest. Dazu gehören auch die Wohnorte. Nie kopiere ich Dinge, die ich beispielsweise in Filmen oder Büchern entdeckt habe. Aber aus dem originellen gelebten Leben nehme ich alles, was mir gefällt. Niemand, der mir ein authentisches erotisches Erleben erzählt, ist davor sicher, nicht anonymisiert "benutzt" zu werden.

Insbesondere die Geschichte »Folsterhöhe« ist geeignet, im Hinblick auf die Realitätsferne deutliche Ablehnung beim Lesepublikum hervorzurufen: Eine Frau lässt sich von einem sexbesessenen fremden Mann nach wenigen Minuten zufälliger Bekanntschaft in der Öffentlichkeit küssen und steigt kurz darauf mit ihm ins Bett. Ist der Plot – einbezogen ist die Erwähnung von Sexualpraktiken – eine bewusste Provokation?

Was ich lustig finde, ist, dass genau diese Erzählung auf einer konkreten Erfahrung beruht. Hier ist nichts erfunden. Es hat diesen Dialog Wort für Wort genau so gegeben. Ich habe lediglich den Ort, die Namen und auch sonstige Äußerlichkeiten geändert. Aber wieso ist der Mann sexbesessen? Gibt es eine Anzahl von Affären, die normal sind? Wann beginnt es, krankhaft zu werden? Der Mann ist nicht sexbesessen, er ist ganz normal, aber er lügt seine Liebhaberin an, damit sie ihm Geld schenkt. Das war es vermutlich, was er von Anfang an wollte. Schreiben über Liebesbegegnungen ist immer ein Wagnis, auch weil die Sprache für weibliches Begehren beim Schreiben gleich neu miterfunden werden muss.

In derselben Erzählung listen Sie beispielhaft auf, was den Saarbrücker Stadtteil »Folsterhöhe« angeblich kennzeichnet: brennende Autos, verängstigte Grundschullehrer, Drogendealer, Morde, Einbruchserien, verwahrloste Jugendliche. »Wir leisten uns so viel Dekadenz«, lassen Sie Ihre Protagonistin denken, »wir verzichten auf eine Generation nach der anderen.« Ist Ihre Weltsicht pessimistisch?

Sicher. Meine Weltsicht ist pessimistisch und melancholisch. Besonders traurig macht mich, dass den Menschen das Thema Bildung bei Kindern – ich bin selbst Erzieherin – so wichtig ist, aber so wenig für die Bildung getan wird. Es gibt immer wieder erschreckende Studien darüber, wie viele Kinder nicht mehr sinnentnehmend lesen können. Deshalb benutze ich den Begriff Dekadenz, weil es sich so anfühlt, als könnten wir als Gesellschaft auf diese Kinder, die nicht lernen zu lesen, zu denken, die das Lernen nicht lernen, einfach verzichten.

Das Buch

Sonja Ruf, "Das Flussbad-Wunder und andere Erzählungen", Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke Tübingen 2022, 308 Seiten kartoniert, 15 Euro.