Oberndorf - 2020 feiert der Schwarzwälder Bote seinen 185. Geburtstag. Viele Jahrzehnte Pressegeschichte also hat das Zeitungshaus in Oberndorf am Neckar erlebt und als eine der großen Zeitungen in Baden, Württemberg und Hohenzollern mitgestaltet.

Früh haben Frauen das Profil der Zeitung mitgeprägt

Journalismus zeigt Gesicht: Diese Losung gilt deshalb für unser Blatt seit langen Jahren. In Person von Zeitungsgründer Wilhelm Brandecker zum Beispiel. Als junger Mann, noch nicht volljährig, hatte sich der Sohn eines Tuchmachers und Stadtrates aus der Neckarstadt das Zeitungsgewerbe in den Kopf gesetzt. Und nicht locker gelassen, bis er die Konzession für seinen Schwarzwälder Boten erhielt. Journalistische Ambition und verlegerisches Geschick kamen bei Brandecker zusammen.

Das journalistische Gesicht des Schwarzwälder Boten ist auch weiblich. Früh haben Frauen das Profil der Zeitung mitgeprägt. Insbesondere Amélie Brandecker, die Frau des Zeitungsgründers.

Sie korrespondierte mit bedeutenden Literaten der Zeit und hatte erkannt, wie mit geistreicher Unterhaltung einerseits sowie praktischer Lebenshilfe andererseits der Schwarzwälder Bote auf hohes Interesse der Leserschaft stieß. Ende des 19. Jahrhunderts schließlich ist der Schwarzwälder Bote die am weitesten verbreitete Zeitung Württembergs.

Gesichter des Journalismus: Dazu sind beim Schwarzwälder Boten dann Generationen von Verlegern aus der Gründerfamilie zu zählen, Redakteure in den Mantelressorts, Korrespondenten in den Hauptstädten, Reporter der Nachrichtenagenturen, Lokalredakteure vor Ort, Hunderte freie Mitarbeiter und freie Journalisten. Männer und Frauen, die der Leser im Regionalen und Lokalen häufig kennt. Denen er ins Gesicht sagen kann, was ihm nicht passt, was die Zeitung aufgreifen sollte, was schiefläuft in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Alles andere als eine anonyme Meinungsmachermaschinerie. Der Leser weiß, woran er ist.

Mit journalistischen Fälschungen darf man nicht durchkommen

Journalismus zeigt Gesicht: Zu nennen sind auch Informanten, deren Gesichter aus gutem Grund oft nicht zu zeigen und Namen nicht preiszugeben sind.

Weil ihre Informationen Vertrauensschutz genießen. Weil ihre Hinweise, Dokumente, Unterlagen und Daten ans Tageslicht befördern können, was die Öffentlichkeit nicht erfahren sollte. Worauf sie in der Demokratie aber ein Anrecht hat.

Wie es der Zufall will, fallen ins Jahr 1835, dem Gründungsjahr des Schwarzwälder Boten, zwei für den Journalismus bemerkenswerte weitere Ereignisse. 1835 ist in Paris das Gründungsjahr der Agence France Presse, der ältesten internationalen Presseagentur.

Und – verschweigen wir es nicht. 1835 ist es auch zu einem ernsthaften Medienskandal gekommen. Die "New York Sun" muss einräumen, dass ihre Artikelserie über sensationelle Entdeckungen des Astronomen Sir John Herschel über Leben auf dem Mond ein Schwindel war. Als "Great Moon Hoax" ging der bizarre Missgriff in die Mediengeschichte ein.

Es bleibt ein No-Go wie die vor knapp einem Jahr publik gewordene verheerende Relotius-Affäre. Ja, im Journalismus kommt es auch zu Fälschungen und Verfehlungen. Damit darf man nicht durchkommen.

Erwähnen wir lieber, was Wilhelm Brandecker schon früh seinen Redakteuren ins Stammbuch schrieb: Wer sich "schwülstigen Stils" und "unverschämter Schmeichelei der Machthaber befleißige", ließ der Gründer des Schwarzwälder Boten in einer Kolumne durchblicken, der sei fehl am Platz. In einer ins Morgenland verlegten Parabel verabreicht er "zweihundert Hiebe auf die Fußsohlen" für verschwurbelte Schreibe.

Bleiben wir also bei Klartext!

Info: Der Start einer Bewegung

In Zeiten von Falschmeldungen, Filterblasen und erstarkendem Rechtspopulismus ist Vertrauen in solide Recherche und unabhängige Berichterstattung die Währung der Zukunft. Und Vertrauen kann nur entstehen, wenn professioneller Journalismus es sich verdient.

Dieser gute Journalismus beginnt in guten Köpfen. Denn es sind nicht die Zeitungen, die schreiben, es sind die Journalisten dahinter, die jeden Tag genauer hinschauen, damit die Leser klarer sehen. Ihr Einsatz, ihr Berufsethos, ihre Ansichten und ihr Verantwortungsbewusstsein prägen die Qualität des Journalismus.

Deshalb stellt der Verband Südwestdeutscher Tageszeitungsverleger (VSZV) nun genau diese Köpfe in den Vordergrund. Unter dem Motto "Journalismus zeigt Gesicht" legen wir mit Porträtanzeigen der echten Journalisten und Redakteure aus der Region den Grundstein für eine Bewegung im Zeichen des Qualitätsjournalismus – verantwortungsvoll, nahbar und auf Augenhöhe mit den Lesern.

Dazu Rainer Wiesner für den VSZV: "Wir wollen das Vertrauen der Leserinnen und Leser in die Regionalzeitungen stärken und ihnen zeigen, welchen Wert die Berichterstattung der Journalisten für sie vor Ort hat. Und wer könnte das besser als die Redakteure selbst?"

Weitere Informationen unter www.journalismus-zeigt-gesicht.de und im Video: