Der 77-jährige Balinger Hans Schmiederer, Kriminalhauptkommissar a. D., macht nach 40 Jahren Polizeidienst privat weiter. Auch den tödlichen Vorfall auf der Gorch Fock hat er auf dem Schirm.
Seine Stimme klingt brüchig und rau. Es ist die Folge einer Krebs-OP vor ein paar Jahren. Mittlerweile hat Hans Schmiederer die Krankheit bezwungen: „Ich habe ein zweites Leben bekommen“, sagt er. Seinen Humor und seinen Optimismus hat er trotz Krankheit nicht verloren, genau wie seine Leidenschaft für die Polizeiarbeit. Eine Leidenschaft, sagt er, ende auch im Ruhestand nicht.
Er erzählt von der Arbeit in Kolumbien, für die er eine spezielle Ausbildung beim Bundeskriminalamt (BKA) absolvieren musste. „Es war eine gefährliche Zeit“, erinnert er sich. „Kurz nachdem der Drogenboss Pablo Escobar getötet worden war, gab es Unruhen, und die deutsche Botschaft galt als erste Adresse. Sie wurde hermetisch abgeriegelt.“ Die Familie von Escobar, die sich nach Deutschland absetzen wollte, sei am Frankfurter Flughafen abgewiesen worden.
Erinnerung an die Zeit in Südamerika
Nach knapp zwei Jahren kam Schmiederer nach Deutschland zurück, brachte den Sohn, der in Kolumbien zur Welt gekommen war, mit. Die Zeit in Südamerika, verrät er schmunzelnd, sei verglichen mit einem Sicherheitsdienst in Deutschland total anders gewesen.
Dort herrsche eine viel niedrigere Hemmschwelle. In Bogotá habe er von einem Diplomaten gelernt: „Bei Entscheidungen immer auf die Verhältnismäßigkeit achten, und immer diplomatisch bleiben, auch wenn’s noch so scharf zugeht.“ Daran habe er sich zeitlebens orientiert.
Schmiederer nimmt sich heute noch Fälle vor
Im Ruhestand macht er weiterhin das, was er am besten kann: „Ich war dafür bekannt, dass ich nicht locker lasse, bis eine Sache aufgeklärt ist“, sagt er und verweist auf Unterlagen zu den Fällen, die nicht abschließend geklärt werden konnten. Die nimmt er sich heute noch vor.
Sicherheit im öffentlichen Raum war für ihn immer ein großes Thema. Als ehrenamtlicher Leiter des „Weißen Rings“ hat er festgestellt, dass es um die Sicherheit auf der Straße nicht so gut bestellt war, wie gerne behauptet wird. In einem Zeitungsbericht mit dem Titel „Balingen hat Angst“ hatte er auf das Thema Straßenkriminalität hingewiesen und Aufsehen erregt.
Auch im Fall Gorch Fock aktiv
Er verweist auf den Fall eines jungen Mannes, der in Balingen wegen zahlreicher Vergehen angeklagt ist. Der Sohn des Ermittlers sei ebenfalls Opfer einer Attacke geworden. Aber die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren eingestellt, weil dem Mann noch andere Taten vorgeworfen wurden und er deswegen in Untersuchungshaft saß.
Ganz nebenbei, verrät er, habe er sich auch mit einem Fall, der vor 15 Jahren für Aufsehen gesorgt hatte, beschäftigt: den Tod der 18-jährigen Matrosin Jenny Böken auf der Gorch Fock. Dazu hat er laut eigenen Aussagen eine Zeugin ausfindig gemacht, die sich ihm anvertraut habe und möglicherweise eine Wendung in den Fall bringen könnte. Das Verfahren sei zwar eingestellt, „aber Mord verjährt nie“.
Heiratsschwindler ausgemacht
Nicht nur Mord und Totschlag beschäftigen den erfahrenen Ermittler: Vom Parkplatzrempler mit Unfallflucht bis zur Pflegekraft, die sich im Haushalt einer Seniorin „bedient“ hat, interessiert ihn alles – auch dann, wenn ein Übeltäter im Ausland sitzt.
So habe er einen Heiratsschwindler in Buenos Aires ausfindig gemacht und ihn gezwungen, den Ehering herauszugeben und auf die Rückseite der deutschen Heiratsurkunde in spanischer Sprache zu schreiben, „warum er die Ehe mit einer Deutschen geschlossen hat“.
Da habe der Richter gestaunt: „So ein Beweis war ihm noch nie vorgelegt worden.“ Auch einen Telefonbetrüger habe er in Irland ausfindig gemacht – mit Hilfe der dortigen Polizei: „Die internationale Zusammenarbeit funktioniert, es gibt Amtshilfe über alle Grenzen hinweg.“
Zur Person
Hans Schmiederer
Geboren 1947 in Altoberndorf im Kreis Rottweil ist Hans Schmiederer 1967 in den Polizeidienst eingetreten. Ab 1979 war er bei der Kriminalpolizei in Balingen tätig. Von 1993 bis 1995 wurde er in Kolumbien als Personenschützer des deutschen Botschafters eingesetzt. 25 Jahre hat er ehrenamtlich den „Weißen Ring“ in Balingen mit geleitet und war Ansprechpartner für Opfer von Gewaltverbrechen. Dafür wurde ihm vom damaligen Balinger Oberbürgermeister Edmund Merkel die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg verliehen. 2007 ging er als Kriminalhauptkommissar in den Ruhestand. Heute lebt er in Heselwangen bei Balingen.