Albstadt wird 50 – wie spiegelt sich ein halbes Jahrhundert Historie in der lokalen Zeitungsberichterstattung? Karina Eyrich, Albstädter Redaktionsleiterin des Schwarzwälder Boten, erzählte im Lautlinger Schloss Geschichten – flankiert von toller Musik.
Wie war das noch mal? Wo könnte man auf diese Frage umfassendere Antwort finden als in den Bänden der Lokalzeitung? Und wer wäre somit berufener, Geschichte(n) aus 50 Jahren Albstadt zum Besten zu geben, als die Lokalchefin des Schwarzwälder Boten?
Kulturamtsleiter Martin Roscher hätte sie nicht eigens vorstellen müssen; den meisten Besuchern im voll besetzten Saal des Stauffenberg-Schlosses war Karina Eyrich – Albstadts rasende Reporterin „Karina Kolumna“ – bestens bekannt.
Für ihren Blick auf die Stadtgeschichte hatte Eyrich sowohl das „Schwabo-“ als auch das Stadtarchiv durchstöbert, Hängeregistraturen durchforstet, Zeitungsbände aus verblichenem Papier mit hohem Holzanteil durchwühlt und sich die Finger mit gut gereifter Druckerschwärze eingefärbt. Die Qual der Wahl, sie war am Ende schwer gefallen; Albstadts Annalen hielten einfach zu viel Anekdotisches, Launiges, Tragisches, Skandalöses und Bedenkenswertes bereit.
Für den „guten Ton“ des Abends sorgten dabei wahrhaft professionell Sängerin Sandra Testa, werktags in Roschers Kulturamt tätig, und Popkantor Christian Zimmermann am Flügel – auch sie unternahmen eine Zeitreise durch fünf Jahrzehnte Pop, Rock und Soul; das Spektrum der Evergreens reichte von „ABBA“ über „Toto“ bis zu Miley Cyrus. Testa war erste Wahl gewesen, nachdem sie, wie Eyrich berichtete, beim jüngsten Karaoke-Abend in der Partnerstadt Chambéry alle an die Wand gesungen hatte: „Und solche Talente arbeiten bei uns in Behörden!“
Rückblick auf 50 Jahre Albstadt
Der Rückblick auf 50 Jahre Albstadt startete mit der Gemeindereform und der Gründung der Stadt 1975. Sie ist aus der sukzessiven Fusion von neun Kommunen hervorgegangen; das wohl bekannteste mediale Dokument aus dieser Zeit ist das Foto der Unterzeichnung des Vereinigungsvertrags durch Ebingens OB Hans Hoss und Tailfingens Bürgermeister Horst Kiesecker.
Mit Karel-Gott-Frisur und Lätzchen-Krawatte
Der junge Mann mit der Karel-Gott-Frisur und der lätzchenbreiten Krawatte, der auf dem Bild das Löschpapier bereit hält, saß 50 Jahre später gereift und kurzhaarig im Saal: Axel Pflanz, Albstadts langjähriger Erster Bürgermeister. Viel belacht wurden die seinerzeit diskutierten fantasievollen Namensvorschläge, darunter fantasievolle Kreationen wie „Schlüpfringen“ oder „Trikotingen“, aber auch das nüchterne „Ebingen-Tailfingen“.
Wie das Erdbeben das Schicksal einer Familie prägte
Ein Schicksalsdatum war der 3. September 1978, Tag des großen Erdbebens. Eindringlich schilderte Eyrich das Schicksal einer Familie, deren jüngst erworbenes und frisch saniertes Eigenheim in der Marienstraße so beschädigt war, dass es als erstes Haus in Tailfingen abgerissen wurden. Die meisten im Saal wussten noch genau, wo sie an diesem Morgen waren, erinnerten sich an verwüstete Straßen, handbreite Risse in Hauswänden, umgestürzte Kamine und verängstigte Nachbarn.
Die Schüler übten unter dem Tisch
Wie Jürgen Scheff, damals junger Lehrer, erzählte, lernten die Albstädter Kinder in diesen Tagen, bei echten und vermeintlichen Nachbeben unter die Bänke zu schlüpfen – sie taten es auch, wenn draußen ein Laster vorbeidröhnte.
Von Badkap-Eröffnung und Tunnelbau
Es folgten: die Badkap-Eröffnung in den 80er-Jahren, der Innenstadt-Tunnel, der Ende Juli 2004 in Betrieb ging, Albstädter Nächte mit Musik-Titan Udo Jürgens, die Radtour von OB Hans-Martin Haller in die Partnerstadt Chambéry im Juni 1997 – Sturz inbegriffen!
Nicht zu vergessen: das motorisierte Entlein, das die PGT-Abschlussklassen im Sommer 1987 ihrer Schule vermacht hatten und das schon im September zur Flunder mutierte – aus nicht nachvollziehbaren Gründen war es beim Schrotthändler gelandet.
Eyrich gestaltete das Programm interaktiv; wer etwas beizutragen wusste, wurde mit einer edlen Praline aus dem Café Früholz belohnt.
Wahre Verbrechen – auch sie gehören zur Stadtgeschichte
Eine „True-Crime-Story“ war auch geboten – die Gäste erfuhren aus erster Hand, wie 2014 die Recherche zum Ebinger Doppelmord ablief. Dazu ein Blick in die Glaskugel: Bereits 1996 hatte der Schwarzwälder Bote gewusst, dass Roland Tralmer einst Oberbürgermeister von Albstadt werden würde. Ihm war dann auch das Schlusswort vorbehalten: Albstadt habe neben Textilien, Spitzensport und viel Kultur vor allem eines zu bieten: einen großartigen, tatkräftigen Menschenschlag. Und zwar in allen Stadtteilen.