„Englischhausen“ im Schwarzwald: von morgens bis abends wird englisch gesprochen. Foto: dag

Berufstätige können die englische Sprache auf eine besondere Art und Weise erwerben.

„Montag ist der längste und härteste Tag, Dienstag ist ziemlich hart, am Mittwoch werdet ihr denken, ,Mein Englisch ist perfekt', am Donnerstag könntet ihr einen Black-out haben, aber werdet deshalb nicht panisch. Und am Freitag werden einige weinen.” So beschreibt Jez, der sogenannte Zeremonienmeister, den Verlauf einer knappen Woche intensiven Englischlernens. Diese Erfahrung hat der Engländer in über 100 Kursen in Spanien, in dem fiktiven Dorf Pueblo inglés, und auch bei den wenigen Programmen, die seit 2011 in Deutschland stattfanden, gemacht.

„Englischhausen” nennt sich das Unternehmen hier. Dabei treffen deutsche Teilnehmer auf Muttersprachler aus Großbritannien, Nordamerika und Australien, um fünf Tage lang ausschließlich Englisch zu sprechen. Das Ganze findet in einem abgelegenen Hotel im Schwarzwald statt. Der Weg ins nächste Dorf ist weit und selbst mit dem Auto auf der engen, kurvigen, teils steilen Straße nicht gerade bequem. Jez empfiehlt, den Fernseher auf dem Zimmer ausgeschaltet zu lassen und auch das Handy - der Empfang lässt sowieso zu wünschen übrig - nur zu benutzen, wenn es unbedingt sein muss. Denn jeder Rückfall in die deutsche Sprache bedeute einen kleinen Rückschritt.

Man muss die Scheu verlieren, Englisch zu reden

So finden sich knapp 30 Menschen unterschiedlichsten Alters zusammen, um etwa 70 Stunden zu sprechen. Die Deutschen sind Berufstätige meist mittleren Alters, die vor allem ihre Scheu davor verlieren wollen, Englisch zu reden. Die Muttersprachler oder „Anglos” sind Freiwillige, die sich für Kost und Logis auf das Programm einlassen.

Immersion nennt sich die Methode, wenn Menschen praktisch eintauchen in die Sprache. Wenn sie Sprache nicht anhand von Grammatik- und Wörterbuch in einzelnen Lektionen lernen, sondern nur durch Hören und Sprechen und das am besten mit Hilfe von Muttersprachlern. Bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter findet diese Methode immer öfter Anwendung.

In der Erwachsenenbildung baut zum Beispiel die Berlitz-Schule seit langem auf Spracherwerb durch Muttersprachler. Weit verbreitet ist die Meinung, dass man eine Sprache am besten in dem Land lernt, in dem sie gesprochen wird. Aber da kommt der Faktor Zeit ins Spiel. Wer spricht schon in einem fremden Land in fünf Tagen von morgens bis abends mit den unterschiedlichsten Leuten über alle möglichen Themen - und telefoniert, diskutiert, präsentiert, knobelt und schauspielert dazu noch.

Die Muttersprachler sollen nicht zu viel korrigieren

Denn das passiert alles in „Englischhausen”. Hauptbestandteil sind die Einzelgespräche mit den Muttersprachlern. Die können in einem ruhigen Eckchen, beim Spazierengehen oder sonnenbadend auf einer der vielen Bänke rund ums Hotel stattfinden. Zum Aufwärmen gibt es jeweils Wörter, zum Beispiel „pull out” und „pull off” sowie Ausdrücke wie „the final straw”, die natürlich nur auf Englisch geklärt werden. Was dann geredet wird, bleibt jedem Pärchen überlassen. Die Muttersprachler sind angehalten, dezent zu korrigieren, denn in erster Linie geht es ums Sprechen und um das Hörverständnis.

Schon allein seinen Gesprächspartner ein bisschen kennenzulernen beziehungsweise etwas über sich zu erzählen, nimmt Zeit in Anspruch. Da ist Rog aus Schottland. Er war Anwalt und hat mit 48 Jahren sein Leben komplett umgekrempelt. Er lebt in einem ökologischen Dorf, kocht, züchtet Kräuter und macht Musik. Warum er „Englischhausen” mitmacht? Ihn reizt die völlig andere Art des Urlaubmachens und die Gelegenheit, Leute kennenzulernen.

Oder Catherine aus den USA. Sie hängt an die Woche im Schwarzwald einen Besuch in Aachen bei ihrer ehemaligen Austauschschülerin an, die sie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Dion aus England nimmt ein Sabbatical und reist um die Welt, Judy und Tom aus Brisbane in Australien sind Rentner und auf Europareise. Hana aus Toronto, Kanada, hat ihr Studium beendet und möchte Auslandserfahrung sammeln.

Jede Begegnung ist auch ein bisschen Kulturaustausch

Ist man nach relativ kurzer Zeit ein bisschen sicherer in der Fremdsprache geworden, entwickeln sich Gespräche, die weit über das Kennenlernen hinausgehen. Susan aus den USA ist eine wunderbare Small Talkerin, und so kann man dieses für Deutsche oft schwierige Thema diskutieren. Die Deutsche lernt, worauf es beim „Chit-chat” ankommt, und die Amerikanerin versteht, warum viele Deutsche damit Probleme haben. So ist jede Begegnung auch ein bisschen Kulturaustausch.

Damit die Deutschen noch mehr für den Berufsalltag mitnehmen können, stehen Präsentationen, Telefonkonferenzen mit mehreren Teilnehmern und Telefonate mit einem der Anglos auf dem Programm.

Mit der ganzen Person muss man sich bei Rollenspielen, Theateraufführungen oder Gesangseinlagen einbringen. Auch beim Essen gibt es keine Pause. Luke, der Organisator des Programms, und Jez achten darauf, dass sich weder Anglos noch Deutsche zusammensetzen, sondern immer schön mischen. Es ist anstrengend, ständig zu reden und das in einer fremden Sprache. Aber so kommt es, dass der eine oder andere Deutsche nach ein paar Tagen auf Englisch denkt, also im wahren Sinne des Wortes in die Sprache eingetaucht ist.

Bei Treffen mit ausländischen Partnern kommt es nicht nur auf Fachbegriffe an

Gerry, der in den 70er Jahren in Deutschland gearbeitet hat und später bis zur Pensionierung an der Universität in Liverpool Sprachen lehrte, hat vor „Englischhausen” schon mehrere Kurse in Spanien als Anglo mitgemacht. Er war zunächst skeptisch, was das Sprachenlernen auf diese Art und Weise angeht. Mittlerweile ist er überzeugt: „Es funktioniert.”

„Vor allem ist die Hemmschwelle gesunken, Englisch zu sprechen”, sagt Volker Mürb, Niederlassungsleiter in Rastatt bei dem Speditionsunternehmen Duvenbeck Logistics. Und Mustafa Cadirli, Produktmanager bei EBV Elektronik in München, das europaweit agiert, bestätigt: „Man muss sich nur trauen, das habe ich da gelernt.”

Bei geschäftlichen Treffen mit ausländischen Partnern kommt es nicht nur auf Fachbegriffe an. Die Gespräche drum herum, beim Essen oder auf dem Weg zum Hotel, sind oft genauso wichtig. Kommunikation mit Muttersprachlern ist dabei äußerst hilfreich - ein gewisses Sprachniveau Voraussetzung, um auch Spaß zu haben. Das testet Luke in einem Telefongespräch vorab. Übrigens: am letzten Tag des Kurses hatten einige Tränen in den Augen.