Der desolate Zustand der deutschen Post ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Brandbrief einer enttäuschten Kundin.
Der Zustand der Verunsicherung ist das Leitmotiv unserer Zeit. Ein narzisstischer Selbstbräuner auf zwei Beinen zerstört vom Weißen Haus aus in 80 Tagen 80 Jahre transatlantische Verlässlichkeit. Beraten wird er von einem rechtslastigen Drogenanhänger auf Ketamin, der durch den Verkauf von E-Autos an linke Weltverbesserer reich geworden ist. Dazu die schlechteste Nachricht dieser Tage: Bialetti, der Hersteller von heimeligen Heimkännchen für Mokkasüchtige, wurde von einem chinesischen Investor gekauft. Vermutlich darf man in den Schraubkännchen künftig nur noch grünen Tee aufbrühen.
So viele Beschwerden wie noch nie
Das Synonym für den desolaten Zustand Deutschlands ist aber die Deutsche Post. Sie ist gerade dabei, der Deutschen Bahn den Ruf als teutonische Chaostante streitig zu machen. Laut Gesetz müsste jeder Ort mit mehr als 2000 Einwohnern über eine Postfiliale verfügen. Im vergangenen Jahr hat es laut einer Meldung der Tagesschau 141 sogenannte unbesetzte Pflichtstandorte gegeben – meistens auf dem flachen Land. Wie aber erklärt man zum Beispiel Senioren, dass ihre Heimatfiliale, über die sie Jahrzehnte lang Kontakt mit der Außenwelt hatten, ersatzlos gestrichen wurde?
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ vermeldete wiederum, dass 2024 bei der Bundesnetzagentur so viele Beschwerden wie noch nie eingegangen seien: 44 406 sogenannte „Eingaben zur Mängel bei der Postversorgung“ habe es bei der Behörde gegeben. Dabei wurde der bisherige Höchstwert der Kundenunzufriedenheit von 2022 noch einmal übertroffen.
Die Statistik der Unzufriedenheit deckt sich mit einer nicht repräsentativen Umfrage im Freundes- und Familienkreis. Gemault wird über verlorene Pakete und Briefe und eine stark abgenommene Frequenz der Zustellung: Früher gehörte es zur bundesrepublikanischen Gewissheit, dass einmal am Tag die Post kam.
Mit der Privatisierung der Post und der Gründung der Deutschen Post AG 1995 ging es schließlich sukzessive bergab. Der Markt, liebe Freunde der Disruption mit der Kettensäge, regelt eben nicht immer alles zum Besseren. Heute feiern wir 30 Jahre Niedergang und müssen froh sein, wenn ein schlecht bezahlter Subunternehmer in seinem Privat-Lieferwagen mit Dellen jeden dritten Tag die Rechnungen und Mahnungen an den gewünschten Ablageort wirft.
Der Niedergang des Einzelhandels führt zu einer Paketflut
Auf der Online-Plattform Reddit tauschen Nutzerinnen und Nutzer postalische Horrorgeschichten aus: Einer schreibt, er bekomme in seinem Postleitzahlengebiet nur noch alle zehn Tage Besuch vom Briefträger. Ein anderer zählt die Tage, die seine Einladungen per Post gebraucht haben. Tendenz: steigend. Zwischendrin melden sich Post-Mitarbeiter in dem Forum unter falschem Namen mit Tipps wie zum Beispiel: „Immer alles als Einschreiben verschicken, ist zwar teurer, wird aber priorisiert behandelt“, während andere Zusteller sich darüber beschweren, dass ihre Touren mittlerweile so groß angelegt seien, dass keiner sie in der vorgeschriebenen Zeit bewältigen könne.
Sicher, auch früher war nicht alles besser. Im Stuttgarter Süden zum Beispiel gab es einst eine Postfiliale, in der unabhängigen Schätzungen zufolge 3,6 Millionen Lebensjahre in langen Schlangen verloren gingen, weil die Mitarbeitenden, die weiblichen Angestellten sind an dieser Stelle ausdrücklich mit gemeint, unglaublich gewissenhaft gearbeitet haben. Manche würden von schrecklich langsam sprechen. Als diese Filiale geschlossen wurde, verlagerte sich das Postgeschäft in einen Kiosk eine Straße weiter, der von sehr netten Menschen mit indischem Migrationshintergrund betrieben wurde, die neben den circa drei Millionen Päckchen täglich auch Pizza in erstaunlicher Geschwindigkeit verarbeiteten.
Sendung weg? Eine Verlustanzeige in der App macht keinen Spaß
Was der Post auch nicht gerade in die Karten spielt, ist der Niedergang deutscher Innenstädte: Wenn man alles im Internet bestellen kann, ohne von schlecht gelaunten Einzelhandelsfachkräften angeschnauzt zu werden, führt das zu einer Paketflut, die nicht nur die Hersteller von Pappe glücklich macht. „Unsere Brief- und Paketzusteller liefern bundesweit regulär jeden Werktag rund 46 Millionen Briefe und rund 6,3 Millionen Pakete aus. Natürlich können wir als flächendeckender Postdienstleister Unregelmäßigkeiten nicht gänzlich ausschließen“, erklärt ein Post-Sprecher auf Nachfrage.
So gebe es immer wieder Fälle, in denen es aus unterschiedlichen Gründen zu betrieblichen Problemen kommen könne, zum Beispiel bei Personalmangel durch kurzfristige Erkrankungen oder schlechtes Wetter. Das System selbst sei aber eigentlich sicher: „Für den Schutz der uns anvertrauten Sendungen haben wir sowohl in unseren Sortierzentren als auch beim Transport entsprechende Vorkehrungen getroffen, um kriminellen Handlungen vorzubeugen. Verluste sind bei uns die große Ausnahme und bewegen sich mit Blick auf die Zahl der täglich von uns beförderten Sendungen im kaum messbaren Bereich.“
Und wenn doch mal was verloren geht? „Grundsätzlich können betroffene Kunden, die eine Sendung bei uns eingeliefert haben und die ihren Empfänger nicht erreicht hat, sich mit einem Nachforschungsauftrag an unseren Kundenservice wenden.“ Aus eigener Erfahrung sei gesagt: Wenn ein Paket von einem gewissen Wert im Verteilzentrum Bruchsal verschollen geht und die Trackingnummer einem über diesen Punkt hinaus auch nicht weiterbringt, macht die Verlustanzeige in der App keinen Spaß. Wer alle Daten akribisch eingegeben und den sogenannten Wertnachweis hochgeladen hat, ist spätestens beim zweiten Absturz der Post-App genervt wie vom Zugausfall bei der Deutschen Bahn.
Kein Wunder, dass sich Menschen abgehängt fühlen
Der Blick in die nahe Zukunft verheißt wenig Besserung, im Gegenteil: 2024 hat die Post den innerdeutschen Versand von Briefen mit dem Flugzeug eingestellt. Gut fürs Klima, schlecht für Kundschaft, die es eilig hat. Kürzlich verkündete die Post zudem, bis Jahresende 8000 Stellen abzubauen. Der Pressemitteilung zufolge sind das etwas mehr als vier Prozent der zuletzt rund 187 000 Stellen im deutschen Brief- und Paketgeschäft. Gleichzeitig hatte es Anfang dieses Jahres eine Portoerhöhung gegeben. Die habe aber nicht so viel Geld in die Kasse gespült wie erhofft.
Und die Moral von der Geschichte: Künftig doch lieber Mail und Text im Messenger verschicken statt Liebesbrief im parfümierten Kuvert. Und wenn der Postmann irgendwann gar nicht mehr klingelt, muss man sich nicht wundern, dass es Menschen gibt, die sich abgehängt fühlen.