Mit dieser Anzeige wirbt Baden-Württemberg in Sachsen-Anhalt um Fachkräfte. Foto: dpa

"Wir können alles. Außer Hochdeutsch" ist passé, das Land kämpft jetzt mit härteren Bandagen.

Magdeburg - Baden-Württemberg ist bekannt für humorvolle Selbstvermarktung. „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ - der Spruch, mit dem das Bundesland seit ein paar Jahren selbstironisch für sich wirbt, kennt in Deutschland mittlerweile fast jedes Kind. Jetzt legt das Bundesland nach, mit einem neuen Slogan, der Fachkräfte ins wirtschaftlich starke Ländle locken soll. Selbstironisch geht es dabei aber ganz und gar nicht mehr zu. Im Gegenteil, jetzt setzt Baden-Württemberg auf Angriff: „In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt dafür niemand sitzen“, heißt es in einer Anzeige, die Anfang der Woche in überregionalen Zeitungen erschienen ist.

Der Spruch zielt ab auf den Werbeslogan Sachsen-Anhalts, mit dem das Land seit etwa sechs Jahren wirbt: „Wir stehen früher auf“. Ausgangspunkt dafür war eine Umfrage, nach der die Sachsen-Anhalter im Schnitt morgens um 6.39 Uhr aufstehen - und damit angeblich früher als alle anderen Deutschen.

Sachsen-Anhalt bemängelt "unfairen Umgang"

Dass Baden-Württemberg den Slogan jetzt gegen sie verwendet, löst zumindest bei den Parteien in Sachsen-Anhalt einen Sturm der Entrüstung aus. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Claudia Dalbert, spricht in der „Mitteldeutschen Zeitung“ von einem „unfairen Umgang“, der CDU-Fraktionschef, André Schröder von einer „diffamierenden“ Art und Weise. Auch SPD-Fraktionschefin Katrin Budde erklärte fassungslos: „Dass man 20 Jahre nach der Deutschen Einheit noch mit Sprüchen der Marke „Die Blöden im Osten“ wirbt, ist ein intellektuelles Armutszeugnis für Baden-Württemberg.“

Bei dem Thema Sitzenbleiben verstehen die Politiker keinen Spaß. Das hat auch seinen Grund: Einer Studie zufolge bleiben in Sachen-Anhalt bis zu sieben Prozent der Sekundarschüler sitzen. Außerdem nimmt das Land im bundesweiten Vergleich der Schulabbrecher den vorletzten Platz ein - Baden-Württemberg hat dagegen die geringste Quote vorzuweisen. „Wir wissen, dass wir in Sachsen-Anhalt noch viel Arbeit haben“, erklärte Budde. „Das in einer Kampagne gegen uns zu verwenden, ist die Arroganz der Reichen, die aus dem Vollen schöpfen können.“

Im Südwesten versteht man die Aufregung nicht

In Baden-Württemberg kann man die Aufregung nicht verstehen. „Mit dem Spruch wollen wir Fachkräfte für das Land erwärmen. Da gibt es in den nächsten Jahren einen erheblichen Mangel“, sagt der Sprecher der Landesregierung, Rudi Hoogvliet. Das Sitzenbleiben sei außerdem gar nicht auf Sachsen-Anhalt bezogen. Und überhaupt könnten sich die Ostdeutschen doch freuen: „Im Grund ist es die Veredelung jeder Kampagne, wenn sie von einer anderen Kampagne auf die Schippe genommen wird. Für Sachsen-Anhalt ist das doch pure Werbung.“

Ähnlich sieht das Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Als er die Anzeige vor einigen Tagen in der Zeitung sah, habe er zunächst gedacht, dass sein Bundesland wieder eine Kampagne gestartet habe, sagt er. In dem Slogan der südlichen Kollegen sieht er sogar ein Zeichen von Respekt. „Wenn einen die achtgrößte Volkswirtschaft Europas beim Werben um Fachkräfte mit einbezieht, ist das doch ein Zeichen, dass man uns auf Augenhöhe begegnet.“

Außerdem sei Sachsen-Anhalt, das seit Jahren unter dem Wegzug der eigenen Bevölkerung zu kämpfen hat, ja auch nicht müde, in anderen Bundesländern um Fachkräfte zu wildern. „Wir haben in der Vergangenheit viele junge Leute in ein Bundesland gehen lassen, in dem sie sich einer Sprache bedienen müssen, die alles andere als Hochdeutsch ist“, witzelt Haseloff. Jetzt kämpfe man eben darum, sie zurückzuholen. „Wir sehen das sportlich und nehmen die Herausforderung an.“