Zuschauerkrösus der Landesliga Staffel 3 und schon immer von vielen Fans unterstützt: der VfB Bösingen Foto: Schleeh

Der VfB Bösingen ist die große Überraschung: Das Internetportal Spätzleskick hat die Zuschauerzahlen im württembergischen Amateurfußball ausgewertet – und setzt den Landesligisten im Ranking vor manch einen Oberligisten.

Auch unter den Top 40: TSV Nusplingen, SV Seedorf, SV Wittendorf und FC 07 Albstadt. An der Spitze gibt es keine Überraschung: Mit im Schnitt 2418 Zuschauern bei den Heimspielen stehen die Stuttgarter Kickers auch in dieser Saison ganz vorne in der Publikumsgunst des württembergischen Amateuerfußballs. Das wundert schon allein deshalb nicht, weil der ehemalige Bundesligist nach Rot-Weiß Erfurt den zweithöchsten Zuschauerschnitt unter allen Oberligen in Deutschland hat.

VfB Bösingen auf Platz 12

Auch der zweite Platz, auf dem der SSV Reutlingen (620 im Schnitt) steht, ist fest vergeben. Das Feld aufgemischt wird jedoch von zwei Landesligisten: SV Mietingen (345) auf dem siebten und VfB Bösingen (294) auf dem zwölften Platz. Ebenfalls unter den Top 40: TSV Nusplingen (226, Platz 29), SV Seedorf (210, Platz 36), SV Wittendorf (209, Platz 37) und FC 07 Albstadt (202, Platz 40).

Sisyphus-Arbeit im Archiv

Veröffentlicht hat dieses Ranking das Internetportal Spätzleskick. Dahinter steckt der Fußballhistoriker und -statistiker Hansjürgen Jablonski aus Schwäbisch Gmünd, der wohl zu den bekanntesten Gesichtern des württembergischen Amateurfußballs gehört. Der passionierte Wanderer sorgt regelmäßig für Aufmerksamkeit, weil er – gerne im Schottenrock – zu Fuß zu den Auswärtsspielen seiner Normannia Gmünd geht, besucht aber häufig auch Spiele anderer Vereine im Ländle. Zudem verbringt er Stunden in Archiven, um Perlen der württembergischen Fußballgeschichte auszugraben.

"In Bösingen war man immer fußballverrückt"

Dass der VfB Bösingen in der Zuschauerstatistik so weit vorne steht, wundert Jablonski nicht. "Ich glaube, in Bösingen war man immer fußballverrückt. Die haben zumindest stets gute Zahlen", sagt der Statistiker und Historiker. Ebenso wundert sich der Gmünder nicht, dass Vereine wie der TSV Nusplingen, der SV Seedorf und der SV Wittendorf so weit vorne im Ranking stehen, während es etwa mit dem SC Stammheim (117) der zweitbeste Stuttgarter Verein hinter den Kickers nur auf Platz 97 geschafft hat.

Jablonski: "Manchmal ist es auch von Vorteil, ›vom Provinzdorf‹ zu sein, wo es eben noch eine gewachsene Identität von ›Ureinwohnern‹ gibt, für die der Begriff Heimat eben echtes Erbe ist und nicht wie zum Beispiel in den Wohnsiedlungen um die Metropolen nur noch eine Schlafstatt ohne Bezug zur Familiengeschichte."

Württemberger lieben Fußball

Jablonski betont aber auch, dass das Ländle generell mit einer hohen Publikumsgunst gesegnet sei. "Im Vergleich zum übrigen Deutschland gehört Württemberg in der Ligastufe fünf, sechs und sieben sicherlich zu den Spitzenreitern", verdeutlicht der Historiker. Traditionell hoch im Kurs stehe zwar auch die nordostdeutsche Oberliga, in der ehemalige Erst- und Zweitligisten der DDR mitspielen, doch dort sei in den vergangenen Jahren ein Abwärtstrend bei den Zuschauerzahlen zu verzeichnen gewesen. Jablonski relativiert aber: "Corona spielt natürlich mit rein, und man darf nicht vergessen, dass die Kickers in der Oberliga Baden-Württemberg auch den Heimschnitt der anderen Vereine anheben."

Verbandsliga-Schnitt unter möglichem Niveau

Während in dieser Saison im Schnitt 450 Zuschauer die Heimspiele der Oberliga Baden-Württemberg besucht haben, kamen in der Verbandsliga Württemberg nur 185 pro Spiel. Für den Gmünder Jablonski eine kleine Enttäuschung: "Persönlich denke ich, dass der Schnitt deutlich unter dem möglichen Niveau liegt." Seine Normannia ist dort mit im Schnitt 247 Zuschauern der Liga-Krösus. Die große Überraschung ist für Jablonski die Staffel 4 der Landesliga, die am meisten von allen vier Staffeln zieht. 199 Zuschauer kommen dort im Schnitt zu den Spielen. Es folgen die Staffel 2 mit 178, die Staffel 3 mit 165 Fans und die Staffel 1 mit 159 Zuschauern.

Bleibt die Frage: Was kann ein Verein eigentlich tun, um mehr Zuschauer zu seinen Heimspielen zu locken? Jablonski: "Ich glaube, da hat man doch schon alles Mögliche probiert. Mal erfolgreich, mal nur eine kurze Zeit erfolgreich, bei anderen Vereinen völlig verpufft. Eine Patentlösung gibt es nicht."

Forderung: Derbys in der schönen Jahreszeit!

Dennoch hat der Gmünder einen Vorschlag: "Was ich mir in den oberen Spielklassen vorstellen kann, wäre tatsächlich mal die Überlegung, die Spielpläne anzupassen, auf dass die publikumsstarken Lokalderbys alle in die schöne Jahreszeit fallen. In Hessen hat man da wohl gute Erfahrungen gemacht. Für die Verbandsliga würde das heißen: Normannia Gmünd spielt am ersten Spieltag gegen Essingen, und das Rückspiel findet dann gleich am vierten oder fünften Spieltag statt. Da hätten beide Heimmannschaften etwas von der zuschauerträchtigen schönen Jahreszeit, und die Saison ist noch jung. Ansonsten kann ich auch nur dafür plädieren, die Ansetzungen der Profiligen von denen der Amateurklassen deutlich zu trennen. Sonntag den Amateuren!"