Ihre Wildheit und ihr Lachen stecken an: Anuk Steffen als Heidi. Foto: Studiocanal

Der Regisseur Alain Gsponer und die Drehbuchautorin Petra Volpe haben die Johanna Spyris Roman-Klassiker „Heidi“ erfrischend unkitschig verfilmt und so naturalistisch wie nie zuvor.

Graubünden - Johanna Spyris 1879 und 1881 erschienene „Heidi“-Romane sind bis heute der berühmteste Literaturexport der Schweiz und unzählige Male verfilmt. Das Heidi-Bild der ab 1970 Geborenen dürfte dabei vor allem die japanische Zeichentrick-Serie prägen, deren deutsches Titellied schon wenig Vorlagentreue beweist: In Graubünden, wo „Heidi“ spielt, wird nicht gejodelt.

Auf mehr Akkuratesse und Tiefe setzen nun Regisseur Alain Gsponer, Absolvent der Ludwigsburger Filmakademie, und Drehbuchautorin Petra Volpe. Die Grundzüge der Handlung verändern sie nicht. Waisenmädchen Heidi kommt in die Obhut ihres Opas, des Alm-Öhis, und verlebt in den Bergen glückliche Zeiten – ehe sie gegen ihren Willen zu einer Pflegefamilie nach Frankfurt gebracht wird, den Sesemanns, um der an den Rollstuhl gefesselten Klara Spielgefährtin zu sein.

Gsponer und Volpe haben die Geschichte kräftig entkitscht, sie erzählen so naturalistisch wie nie zuvor. Das „Dörfli“ unterhalb der Alm prägen Dreck und Armut, es wirkt so eng wie die Geister der meisten Bewohner. Der Enge entflohen ist der Alm-Öhi, und Bruno Ganz spielt ihn brillant als wortkargen, sturen Eigenbrötler, der Heidi zunächst schroff abweist – ehe ihre unvoreingenommene Herzlichkeit auch ihn erweicht wie die meisten Zuschauer. Die beim Dreh achtjährige Anuk Steffen ist eine Traumbesetzung: Ihre Frische und Wildheit, ihr ansteckendes Lachen wirken absolut lebensecht.

Ein echter Familienfilm mit viel Humor und kleinen Prisen Rührseligkeit

Nichts Romantisierendes hat auch die Figur des mit Heidi befreundeten Geißenpeters (Quirin Agrippi), ein ernster, misstrauischer Junge, der nach dem Tod des Vaters das Geld für die Familie verdienen muss. Am meisten überrascht Katharina Schüttler in der Rolle des strengen Kindermädchens Fräulein Rottenmeier: Weit weniger schrullig und karikaturenhaft als in früheren Verfilmungen, spielt Schüttler eine von Regelhörigkeit wie von Angst geprägte Figur, gleichsam die Studie eines autoritären Charakters.

Für Lernen und Persönlichkeitsentwicklung sind aber nicht etwa Zucht und Gehorsam essenziell, sondern das Fördern kindlicher Neugier und eines freien Geistes – diese zentrale Botschaft bringt Hannelore Hoger in einer Nebenrolle charmant auf den Punkt. Zu keiner Zeit ein hartes Sozialdrama wie etwa Jo Baiers „Schwabenkinder“, ist „Heidi“ mit viel Humor und kleinen Prisen Rührseligkeit ein echter Familienfilm und somit auch für kleinere Kinder geeignet.