Es erinnert an Tauziehen: Links Klimaschützer, rechts Artenschützer und mittendrin ein geplanter Windpark im Villinger Neuhäuslewald. Ist das Auerwild noch zu retten: Frage an Wolf Hockenjos, Autor und langjähriger Leiter des Staatlichen Forstamtes Villingen-Schwenningen.
Der geplante Windpark mit gut 15 Anlagen im Neuhäuslewald hat politisch Fahrt aufgenommen. Das Projekt könnte am Auerhuhn aber noch scheitern. Kein Fehler, oder Wolf Hockenjos?
Bei aller Liebe zu regenerativen Energien sieht er auch die Schattenseiten.
Ist das Auerwild noch zu retten?
So ganz pessimistisch würde ich die Entwicklung noch nicht sehen, wenn entsprechender Lebensraum erhalten oder neu geschaffen wird. Im Nationalpark Schwarzwald sollen sich die Tiere wieder vermehrt haben.
Was macht den Wildvögeln zu schaffen?
Die zunehmende Verinselung der Auerwild-Gebiete. Und damit wären wir gleich mitten im Neuhäuslewald: Es ist ein Unding, in diesem Gebiet um die 15 Windkraftanlagen bauen zu wollen.
Ihre Kritik zielt insgesamt auf die Windparkpläne im Land?
Ja, denn über 60 Prozent aller Anlagen sollen in Baden-Württemberg im Wald entstehen. Hinzu kommt, dass wir hierzulande ein eher unterdurchschnittliches und unstetes Windangebot haben.
Sie sprechen die Windhöffigkeit an und den Ansatz, dass 1, 8 Prozent der Flächen Windkraftanlagen vorbehalten werden sollen.
Das ist ein Unding und geht an der Realität vorbei. Ursprünglich waren in Baden-Württemberg allein im Staatswald 1000 Anlagen geplant, jetzt sind es noch 500. Aber wehe, man kritisiert solche Vorhaben...
Was dann?
Dann wird man gleich in die AfD-Ecke gestellt! Die Kritik hat ja nichts damit zu tun, dass generell der Ausbau regenerativer Energie in Frage gestellt wird. Aber so nicht.
Gibt es einen Weg, hier die teils völlig unterschiedlichen Interessen von Klima-, Landschafts- und Artenschutz zu vereinen?
Nun, weshalb werden Windkraftanlagen nicht vorzugsweise in bereits vorbelasteten Gebieten erstellt, etwa auf ökologisch und landschaftlich weniger wertvollen Agrarindustriellen Flächen? Viel geholfen wäre auch, wenn die gesetzlichen Artenschutzvorgaben nach EU-, Landes- und Bundesrecht ernstgenommen würden. Die Pläne im Neuhäuslewald sind meines Erachtens unannehmbar, angesichts des massiven Flächenverbrauchs und der vom Wald zu erbringenden Leistungen, etwa auch als natürliche CO2-Senke. Insgesamt zahlen wir einen zu hohen Preis, vor allem auch als touristischer Hotspot Schwarzwald.
Doch für andere scheint die Rechnung dagegen zu stimmen?
Absolut. Unter den Waldeigentümern herrscht Goldgräberstimmung. Immerhin kann eine einzige Anlage jährlich zwischen 40 000 und 60 000 Euro abwerfen, weitaus mehr als sonst erwirtschaftet werden kann.
Überlagern Klimaschutz und Klimaneutralität mittlerweile Naturschutz und damit auch den Artenschutz?
Das kann man wohl sagen. Manche halten den Vogelschutz sogar für total überzogen und reden von Affentheater. Doch wir brauchen vernünftige Kompromisse.
Was macht das Auerwild so besonders?
Der Auerhahn gilt als Charaktervogel des Schwarzwaldes.
Das Projekt Windpark made in VS könnte durch das Auerwild ausgebremst werden. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass Spuren gefunden werden?
Nun, zumindest die an den Neuhäuslewald angrenzenden Flächen sind noch besiedelt; die aktuellen Schutzgebiete sollen auch eine Wiederbesiedlung möglich machen, wo immer der Lebensraum für die Auerhühner noch stimmt.
Werden Auerhähne in VS bald nur noch ausgestopft im Forstamts- und Wirtsstuben hängen?
Ich hoffe es nicht.