Erwin Feucht in seinem Haus in Balingen: "Im Landtag fehlt ein grüner Abgeordneter aus dem Zollernalbkreis", sagt er. Foto: Dick

Um ein Haar hätte Erwin Feucht, Landtagskanditat der Grünen im Wahlkreis 63 Balingen, bei der Landtagswahl 2016 den Sprung ins Parlament per Direktmandat geschafft. Jetzt tritt Feucht wieder an. Auch diesmal glaubt er an ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Sollte er das Mandat holen – "sehr gut". Dann will er anpacken.

Balingen - Eines ist für den mittlerweile 61-Jährigen ganz klar: "Im Landtag fehlt ein grüner Abgeordneter aus dem Zollernalbkreis, der vor Ort agiert, netzwerkt und die Dinge tut, die man als Politiker eben tut." Jeder Politikinteressierte spüre dieses Vakuum, meint er: "Deshalb wünsche ich mir das Direktmandat." Vieles dränge, angepackt zu werden.

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Eines der großen Themen, die Feucht mit nach Stuttgart nehmen möchte, ist die Verpflegung in staatlich geförderten Kantinen: "Bio, fair und regional" sollte die sein, und zwar zu 100 Prozent, und am besten in ganz Baden-Württemberg. "Das würde auch die ökologische Landwirtschaft fördern", sagt er. "Haben die ein bis zwei Millionen Menschen im Land, die in Kantinen essen, nicht das Recht auf eine gesunde Ernährung?", stellt er in den Raum. Immerhin: In Balingen habe man nach langem Ringen im Gemeinderat an der Schulmensa einen Bio-Anteil von 60 bis 70 Prozent erreicht.

Auf Bundesebene größer Baustellen als auf Landesebene

Die vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen, die Medikamentenrückstände und Mikroplastik herausfiltert, ist Feucht ebenfalls ein großes Anliegen. Da diese Reinigungsstufe nachgerüstet werden muss und extrem kostspielig ist, müsse dringend ein "vernünftiges Kataster" erstellt werden, aus dem hervorgeht, welche Kläranlagen "zusammengelegt" werden könnten. Kleinere Anlagen könnten sich eine vierte Stufe nicht leisten – oder aber sie müssten die Abwassergebühren anheben – und zwar überproportional. "Man muss das Thema angehen", sagt er in seiner ruhigen Art dennoch eindringlich. Mit seinen 25 Jahren Erfahrung im Abwasserverband habe er genug Kompetenz.

Warum Mikroplastik in Kosmetika und Kleidern nicht einfach per Gesetz verboten wird? "Tja", meint der Balinger, "daran sieht man, wie stark der Lobbyismus arbeitet." Auf Bundesebene habe man größere "Baustellen" als auf Landesebene.

Das Polizeirevier Balingen, mit seinem "Amtsstuben-Charme der 1950er-Jahre" und den daraus resultierenden technischen Unmöglichkeiten ist ein weiteres Thema, das Erwin Feucht umtreibt. Hier müsse ein Neubau her. Platz zum Bauen ganz in der Nähe des derzeitigen Reviers in der Johann-Sebastian-Bach-Straße gebe es. Dieses öffentliche Projekt gehöre endlich "nach oben" auf der Prioritätenliste. Im Zuge der "vielen Polizeireformen" hätte das schon längst angegangen werden müssen.

Nicht zu vergessen die Idee eines Radschnellwegs durch den Kreis: "Seit Jahrzehnten bauen wir Autostraßen, und die Radwege werden als Freizeitwege, bestenfalls als Schulwege gewertet." Radschnellweg – was bedeutet das für Feucht? "Dass eine Strecke, zum Beispiel zwischen Hechingen und Balingen mit allen topographischen Herausforderungen schnell und stressfrei zurückzulegen ist." 80 Prozent aller Tage seien vom Wetter her geeignet fürs Radfahren, weiß er.

Radschnellweg von Hechingen nach Albstadt und noch weiter

Der Radschnellweg sollte also in Hechingen beginnen, das Industriegebiet Bisingen streifen, nach Engstlatt führen, weiter in die Balinger City, und dann Auf Gehrn. Weiter auch in Richtung Albstadt, vorbei am Standort des künftigen Zentralklinikums. Und so weiter, und so weiter.

Ideen hat Feucht da noch mehr, auch in Richtung Rottweil. Und auch was die Reaktivierung der Bahnstrecke von Balingen nach Rottweil angeht: "Gäbe es da wieder eine Bahnverbindung, könnte man mit dem Zug von Balingen nach Mailand fahren. Das habe ich selbst gemacht als Jugendlicher, mit Interrail, das geht", verrät er schmunzelnd. Allerdings habe er damals schon in Rottweil starten müssen. Feucht zählt in dem Zusammenhang noch die "verloren gegangenen Schätze" Talgangbahn und Eyachtalbahn auf.

Als weiteres großes Problem sieht er den so genannten "Flächenfraß": "Jeder will Natur, aber landauf, landab werden Hektar um Hektar erschlossen und versiegelt." Um eine Mehrfachnutzung von Gebäuden in Industrie- und Gewerbegebieten komme man seiner Meinung nach nicht herum. Das heißt: Bestehende Gebäude gehörten aufgestockt und Neubauten gleich mehrstöckig geplant. Auch hier hat Feucht noch einige Ideen mehr. Denn er sagt: "Wir können unsere verfügbare Fläche nicht vergrößern. Wir haben ja nur diesen einen Planeten."