Die beiden Bürgermeister aus Winterlingen und Straßberg haben in der Veranstaltungsreihe „IHK vor Ort“ nicht mit Kritik an der Bundespolitik gespart – und aufgezeigt, was sie alles getan haben für die örtliche Wirtschaft.
Wie sind die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Ort? Das haben die Bürgermeister Michael Maier aus Winterlingen und Markus Zeiser aus Straßberg bei „IHK vor Ort“ dargestellt, bei dem die Industrie- und Handelskammer Reutlingen-Tübingen-Zollernalb wissen wollte, wo Gewerbetreibende der Schuh drückt.
Industriegebiet vorhanden: Was Michael Maier ausdrücklich betonte: In der Weinstetter Straße verfüge die Gemeinde über ein wahres Juwel, nämlich ein erschlossenes Industriegebiet, für das es derzeit keine Nachfragen gebe. Nur eine Firma, die schon vor Jahren ein Grundstück gekauft habe, plane, dort zu bauen – passiert sei aber noch nichts.
Fachkräftemangel drückt: Nicht nur die Konjunktur hindert Firmen am Expandieren – auch der Fachkräftemangel. „In den nächsten zehn Jahren scheiden rund zehn Millionen Babyboomer aus dem Arbeitsleben aus. Wo wollen Sie eigentlich noch Ihre Leute herbringen?“ fragte Maier rhetorisch, der selbst aktuell am Kindergartenbedarfsplan strickt – seine Hauptamtsleiterin ist ihm abhanden gekommen, ihre Aufgaben sind verteilt worden. „Auch wir gehen äußerst schwierigen Zeiten entgegen, haben daher immer selbst ausgebildet“, so Michael Maier.
Kinderbetreuung: Mit 310 Kindergartenplätzen, davon 60 Krippenplätzen, und Betreuungszeiten von 7 bis 17 Uhr in der Kita Friedrichstraße sowie vier Mal pro Woche Ganztagsunterricht sei Winterlingen aber gut aufgestellt.
Ärztliche Versorgung: Auch über die ärztliche Versorgung könne sich niemand beschweren: In zwei Hausarztpraxen seien bis zu zehn Hausärzte am Werk. Im Haus in der Wilhelmstraße, wo der Jugendtreff nun ausziehe, würden drei weitere Praxisräume eingerichtet. „Das funktioniert, weil der Gemeinderat mitzieht.“
Handel- und Gastronomie: Obwohl das Ortszentrum seit der Zeit, da die Bundesstraße 463 durch Winterlingen führte, viele Einzelhändler verloren habe, „möchte ich die nicht mehr im Ort haben“, sagte Maier: „Da fahren jährlich eine Million Autos durch.“ Dass sich bei 6400 Einwohnern trotzdem drei Blumengeschäfte hielten, verwundert Maier dann doch, wie er scherzhaft gestand, ehe er mit etwas Wehmut an die Zeiten erinnerte, da 17 Gastwirtschaften im Ort waren. „Aber ein Feierabendbier trinkt heute keiner mehr.“ Im Benzinger Gasthof Sternen sei es dafür immer voll.
Wohnraum: In Sachen Kultur, Sport und Wohnraum sei das Angebot in Winterlingen gut: „Bei uns sind die Mieten noch bezahlbar, und es wird auch noch einiges entstehen“, sagte er etwa mit Blick auf das seniorengerechte Wohngebiet, das unweit des Naturfreibads entsteht.
Bürokratie und Kosten: Über die „völlig überzogene Bürokratie“ und die „völlig miserable Finanzausstattung der Kommunen“ wetterte Markus Zeiser. Der sonst so besonnene Straßberger Schultes betonte: „Wir erhalten zwölf bis 13 Prozent der Steuereinnahmen, erledigen aber 25 Prozent der öffentlichen Aufgaben – und wir haben die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht.“
Unerfüllbare Leistungszusagen des Staates und ständig neue Ansprüche seien ein riesiges Problem, das die neue Bundesregierung anpacken müsse, mahnte Zeiser eindringlich.
„Wir in Winterlingen und Straßberg haben unsere Hausaufgaben gemacht, aber die Infrastruktur ist in allen Kommunen stark sanierungsbedürftig, und mir wird Himmel Angst, was die nächsten Jahre passieren kann, denn für Dinge, die wir machen möchten, fehlen uns die Mittel, weil der Staat in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen das Geld zum Fenster rausgeworfen hat.“
Gewerbegebiet: Das Interkommunale Gewerbegebiet Vogelherd/Längenfeld werde erweitert, erklärte Zeiser, der dem Zweckverband vorsitzt, und im April ständen die nächsten Entscheidungen im Bebauungsplanverfahren an: „Am Ende haben wir 4,3 Hektar neue Gewerbeflächen, aber wir werden noch ein Umlegungsverfahren brauchen.“
Einnahmenlücke: „Enorme Gelder“ würden der Gemeinde Straßberg künftig fehlen, wenn die Firma Schotter-Teufel im Steinbruch nichts mehr abbaue. Die Nachricht, dass der Abbau deutlich zurückgefahren werde und Mitarbeiter entlassen würden, „hat uns alle geschockt, kurz vor Weihnachten – und die Mitarbeiter stehen auf der Straße“.
Ergebnisse der Umfrage „Wirtschaft wills wissen“: Wie zufrieden sind die Gewerbetreibenden in Straßberg und Winterlingen?
Am besten
k
Geteilt
sind die Meinungen im Hinblick auf die Höhe von Kommunalabgaben und Gebühren, die Verfügbarkeit wohnortnaher Schulen und die Gesundheitsversorgung.
Unzufriedene Befragte
überwiegen bei den Punkten Fachkräfteverfügbarkeit, Attraktivität der Ortskerne sowie Hotel- und Gastronomieangebot – dieser Punkt sammelt die meisten Minus-Stimmen.