Tobias Lanner (rechts), Geschäftsführer von Lanner-Anlagenbau aus Kippenheim, berichtete am Dienstag in Freiburg von aktuellen Herausforderungen. Unser Foto zeigt ihn bei einem Firmenbesuch unserer Redaktion zusammen mit Mitarbeiter David Silberer. Foto: Köhler

Ob die Zeichen auf Wirtschaftswachstum stehen und wie sich die Lage in der Industrie darstellt, erläuterte die IHK Südlicher Oberrhein bei ihrer Pressekonferenz am Dienstag.

Die deutsche Wirtschaft ist in 2024 und 2025 geschrumpft, auch für das laufende Jahr wird nur ein schmales Wachstum von 0,2 Prozent vorhergesagt. Doch nach drei Jahren Flaute will die Bundesregierung positive Signale setzen und rechnet für das kommende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent.

 

Doch ob sich diese Erwartungen erfüllen, bleibt abzuwarten. So ist die tatsächliche Leistung der Industrie im August dieses Jahres überraschend stark eingebrochen. Und ob die momentane Wachstumsprognose der Regierung nicht doch noch nach unten korrigiert werden muss, ist nicht ausgemacht.

Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, versuchte sich anhand des aktuellen Konjunkturberichts der IHK an einer Einordnung speziell für die Region.

Kammer sieht vor allem strukturelle Probleme

Er verwies auf eine ganze Reihe struktureller Herausforderungen: hohe Arbeitskosten, Abgabenlasten, Energiepreise und zunehmende Bürokratie. Auch geopolitische Spannungen, etwa mögliche Zollkonflikte, sorgten für Unsicherheit. „Das ist das Setting, in dem sich viele Betriebe hier in der Region wiederfinden“, so Wagner. „Wir sehen eine deutliche Zurückhaltung bei Investitionen.“

Trotzdem zeigt der aktuelle IHK-Konjunkturbericht ein differenziertes Bild, das immer wieder einen genauen Blick in die Zahlen verlangt. Der Bericht basiert auf der Befragung regionaler Unternehmen, die ihre momentane Geschäftslage bewerten und eine Prognose für die Zukunft stellen. Hier zeigt sich: Zwar sinkt die Geschäftslage insgesamt weiter, doch die Erwartungen für die kommenden Monate haben sich leicht aufgehellt.

Der regionale Konjunkturklima-Index verbessert sich bereits zum dritten Mal in Folge und liegt über dem Landesdurchschnitt. Wagner führt das auf die vergleichsweise diversifizierte Wirtschaftsstruktur am südlichen Oberrhein zurück: „Unsere Region ist weniger abhängig von der schwächelnden Automobilzulieferindustrie.“

Fachkräftemangel ist auch weiterhin akut

Am Arbeitsmarkt jedoch zeigen sich gegenläufige Tendenzen. Während die Zahl der Leiharbeitskräfte zuletzt wieder abnahm, bleibt der Fachkräftemangel akut. Nur 19 Prozent der befragten Unternehmen geben an, keine Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung zu haben. Fast die Hälfte findet derzeit kein geeignetes Personal. Besonders betroffen: die Industrie. Neben Wagner nahm auch Tobias Lanner, Geschäftsführer der Firma Lanner-Anlagenbau in Kippenheim, an der Veranstaltung teil und schilderte die Lage aus Sicht seines Industrieunternehmens.

„Die aktuelle Geschäftslage ist düster“, berichtete Lanner. „Unsere Produkte hängen stark von der Investitionsbereitschaft anderer Industriebetriebe ab – wenn dort die Produktion schwächelt, sinkt auch die Nachfrage bei uns.“ Das Unternehmen stellt Maschinen zur Aufbereitung und Wiederverwertung von Metallspänen her, vom kompakten Tischgerät bis zu Anlagen von halber Fußballfeldgröße. Das Kippenheimer Unternehmen hat mittlerweile auch Standorte in China und in Frankreich.

Vor der Corona-Pandemie war das Kippenheimer Unternehmen auch ein Ausbildungsbetrieb, seitdem jedoch nicht mehr. Die Gründe dafür sieht Lanner auch beim Nachwuchs selbst: „Die Arbeit ist körperlich, findet in Präsenz statt – das spricht viele junge Menschen nicht mehr an.“ Am Geld könne es nicht liegen, meint Lanner und verweist auf die gestiegenen Azubi-Gehälter. Dass die höheren Ausbildungsvergütungen und der gestiegene Mindestlohn von Industrie und Arbeitgebern skeptisch gesehen werden, kommt mehrfach zur Sprache.

Unternehmer fordert bessere Bedingungen

Lanner skizziert sein Dilemma: Er verstehe, dass sich Arbeit lohnen müsse, doch mit der Erhöhung des Mindestlohns erwarteten auch besser Qualifizierte eine Lohnerhöhung. Gleichzeitig seien die Betriebe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gezwungen, Mitarbeiter trotz schlechter Auftragslage zu halten – in der Annahme, sie in besseren Zeiten wieder zu brauchen. Durch solche Zwangslagen gerieten viele Unternehmen wirtschaftlich ins Kippeln.

Der Kippenheimer bilanziert: Egal ob Arbeitskosten, Fachkräftemangel, Bürokratie oder schleppende Digitalisierung – „alles ist miteinander verzahnt.“ Wagner nahm diesen Faden auf: „Das ist das große Sammelsurium, das wir von den Unternehmen rückgemeldet bekommen – diese vielschichtige Problemlage, mit der sie sich auseinandersetzen müssen.“ Lanners Appell: „Wir brauchen die passenden Rahmenbedingungen. Deutschland muss marktfähig bleiben.“

Man dürfe nicht zusehen, wie andere Märkte – etwa in Afrika, wo es einen riesigen potenziellen Absatzmarkt für beispielsweise Automobile gebe – von China besetzt würden „und wir keine Chance mehr haben, dort noch hineinzukommen.“

Die Umfrage

Die aktuelle IHK-Konjunkturumfrage basiert auf den Rückmeldungen von rund 280 Unternehmen aus der Region – etwa ein Drittel der 830 angeschriebenen Betriebe. Vor allem Betriebe aus der Industrie zeigten sich auskunftsfreudig, erklärte Alwin Wagner bei der Vorstellung der Ergebnisse am Dienstag in Freiburg.